Deutschland Tour 2023 Bike Aid - Das Team mit der etwas anderen Philosophie
Die 1. Etappe der Deutschland Tour blieb im Saarland. Dabei stand ein Team im Fokus, welches dort seine Heimat hat und gleichzeitig aber auch Radsportlern aus Afrika eine Chance geben möchte.
Knapp 135 Kilometer führten sie das Rennen an, dann geschah das Unausweichliche: Die Fluchtgruppe wurde vom Peloton geschluckt. Stattdessen durfte sich der Belgier Ilan van Wilder (Soudal – Quick Step) über den Sieg auf der ersten Etappe von St. Wendel nach Merzig freuen. Die mutigen Ausreißer bestanden fast ausschließlich aus deutschen Fahrern, die bei der Deutschland Tour für die nationalen Wildcard-Teams am Start sind.
So auch Jasper Pahlke und Oliver Mattheis, deren Team Bike Aid aus dem Saarland stammt und heute quasi ein Heimspiel hatte. "Die Fans haben uns mega angefeuert, das hat natürlich richtig Bock gemacht", so Mattheis nach dem Rennen, welches er schließlich als 60. beendete.
Den Radsport wiederbeleben
Das Saarland kennt sich aus mit großem Radsport, vor 21 Jahren war schon einmal die Tour de France zu Gast. In den Jahren danach ging es für den Sport jedoch bergab, eine Krise folgte auf die Nächste. Das war der Auslöser, den gemeinnützigen Verein Bike Aid e.V. zu gründen, aus dem 2014 das gleichnamige Profi-Team entstand. "Wir wollten den Radsport wiederbeleben, aber auch neue Ansätze reinbringen", erinnert sich Teammanager Matthias Schnapka, der außerdem als Radsport-Experte bei der ARD tätig ist.
Dass sein Team nun in der Heimat bei der Deutschland Tour an den Start gehen darf, freut Schnapka natürlich besonders. "Seit es die Tour de France-Etappe im Saarland gab, fiebere ich auf diesen Moment hin. Denn eigentlich war es eine Spinnerei, dass mal ein saarländisches Team bei der Tour de France fahren könnte. Aber dass wir nun bei so einem großen Rennen wie der Deutschland Tour dabei sein können, ist wie ein Lebenstraum, der in Erfüllung geht", so Schnapka.
Fahrern aus Afrika eine Chance geben
Die Teilnahme an der Deutschland Tour ist jedoch nicht nur eine Gelegenheit, sich als Continental Team sportlich zu zeigen, sondern auch der etwas anderen Philosophie dahinter mehr Aufmerksamkeit zu verschaffen. Zwar steht die Förderung von deutschen Talenten im Vordergrund, aber Bike Aid hat sich gleichermaßen zum Ziel gesetzt, Fahrern aus Afrika eine Chance auf eine Profi-Karriere zu geben.
"Damals hieß es, der Radsport sei tot. Aber wir sind zu der Zeit Rennen in Rwanda und Eritrea gefahren und da war die Begeisterung riesig. Da haben wir gesehen, dass Radsport nicht nur aus der Tour de France besteht, sondern in allen Ecken der Welt mit Begeisterung betrieben wird", erzählt Schnapka, der als Radsportler selbst noch Rennen fährt. Seitdem sind Fahrer aus Eritrea oder Rwanda ein fester Bestandteil des Teams. So auch Dawit Yemane, der seit zwei Jahren bei Bike Aid ist und auf der heutigen Etappe den 33. Platz belegte.
Team Bike Aid
Diversität im Peloton ist Fehlanzeige
Zusammen mit Natnael Tesfatsion ist Yemane der einzige Schwarze Fahrer aus Afrika, der an der Deutschland Tour teilnimmt. Das spiegelt sehr gut die fehlende Diversität im Peloton wider, denn immer noch sind Schwarze Fahrer im Radsport eine Seltenheit. Daniel Teklehaimanot schrieb 2015 Geschichte, als er als erster Schwarzer Fahrer aus Afrika das Bergtrikot bei der Tour de France trug.
Sieben Jahre später gewann Biniam Girmay eine Etappe beim Giro D’Italia, womit er ebenfalls der erste Schwarze Fahrer Afrikas war, dem das bei einer der großen Rundfahrten gelingen konnte. Beide stammen wie Yemane aus Eritrea, wo sich der Radsport größter Beliebtheit erfreut.
Die Erfolge von Girmay sowie Teklehaimanot hätten dafür gesorgt, dass in Eritrea immer mehr junge Leute auf das Rennrad steigen und selbst Profis werden wollen, so Yemane gegenüber der Sportschau. "Ich habe auch angefangen, weil ich Daniel Tekleheimanot im Fernsehen gesehen habe. Da wusste ich, das will ich auch mache", erzählt der 25-Jährige, der dieses Jahr auch an der Weltmeisterschaft in Glasgow teilnahm.
Team Bike Aid
Bürokratie als Herausforderung
Allerdings ist es für die Sportler gar nicht so einfach, ein Team zu finden. Zum einen sind die Plätze in den Top-Teams begrenzt, zum anderen stellt die Bürokratie – insbesondere das Problem, für die Sportler ein Visum zu erhalten – die Teams immer wieder vor Herausforderungen. "Wir würden selbst mehr Sportler aus Afrika in unser Team aufnehmen, aber das können wir als kleines Team leider nicht leisten", gibt Schnapka zu Bedenken. Er würde sich wünschen, dass die großen World Tour-Teams in diesem Bereich aktiver werden.
Denn das Talent sei vor allem in den ostafrikanischen Ländern vorhanden, davon ist Schnapka überzeugt. "Ich würde behaupten, dass der Talente-Pool genauso groß ist wie im Laufsport. Nur braucht man dort nur Schuhe, um an Wettkämpfen teilzunehmen." Der Radsport sei dagegen aufwendiger. Nicht nur, was die Ausrüstung angeht.
"Zum Radsport gehört halt mehr dazu, zum Beispiel das taktische Element. Und das muss man durch gute Trainer erlernen, die es dort aber nicht gibt." Es gehe aber voran, wenn auch langsam. "Ein Schwarzer Fahrer aus Afrika ist kein Unikum mehr im Peloton, keine Sensation. Aber wenn man sieht, welch große Bedeutung der Radsport in Ländern wie Eritrea hat, dann ist die Zahl derer viel zu niedrig."