Ukrainische Sitzvolleyballer Von der Front zu den Paralympics
Für die ukrainischen Sitzvolleyballer Yevhenii Korinets und Dmytro Melnyk werden die Paralympics in Paris besondere Spiele. Bis vor Kurzem kämpften beide noch für ihr Land an der Front gegen Russland. Das schlechte Gewissen, die Kameraden im Stich zu lassen, verfolgt sie.
"Ich hatte meinem Leben bereits 'Auf Wiedersehen' gesagt", sagt Yevhenii Korinets. "Ich hatte nur einen Gedanken im Kopf: 'Ich bin 25 Jahre als, ich war nirgends, bin nirgends hingereist, habe die Welt nicht gesehen und jetzt sterbe ich." Das war im März 2023. Korinets war damals Militärsanitäter im Verteidigungskrieg gegen Russland. Während der heftigen Kämpfe um Bachmut wurde er schwer verletzt.
Korinets trainiert erst seit Februar
16 Monate später sieht die Situation ganz anders aus. Korinets nimmt an den Paralympischen Spielen in Paris teil. Er ist Teil des ukrainischen Sitzvolleyballteams. "Jetzt reise ich, ich war überall: in den USA, China, anderen Ländern und natürlich auch in Europa", sagte Korinets in einer Turnhalle in der Zentralukraine, kurz vor der Abreise nach Frankreich der Nachrichtenagentur Reuters.
Der ukrainische Ex-Soldat Yevhenii Korinets (schwarzes Shirt) beim Sitzvolleyball-Training
Aufgrund von Verletzungen aus Gefechten an der Front musste Korinets linkes Bein ab der Hüfte amputiert werden. Der Sport half ihm bei der Genesung. Sein ehemaliger Volleyballtrainer rief ihn an und schlug ihm vor, mit Sitzvolleyball anzufangen. "Warum nicht. Es ist eine andere Art, für mein Land zu kämpfen", dachte sich Korinets damals.
Erst im Februar 2024 begann er zu trainieren. Mit dem ukrainischen Sitzvolleyballteam qualifizierte er sich auf Anhieb für die Paralympischen Spiele. In der Weltrangliste liegen die Ukrainer aktuell auf Rang sechs. Das erste Gruppenspiel in Gruppe B ging gegen den großen Favoriten Iran mit 0:3 (13:25, 12:25, 18:25) verloren. Am Sonntag (01.09.2024) trifft die Ukraine auf das deutsche Team.
Drohnenführer Melnyk - im dritten Anlauf zur Armee
Ein Ziel in der Heimat ist für Kornits jedoch wichtiger als ein positives Abschneiden in Paris: "Sieg, wir brauchen nichts anderes." Das wird sein Teamkollege Dmytro Melnyk ähnlich sehen. Fast ein Jahr kämpfte er für das ukrainische Militär an der Front, jetzt kann er den Krieg für ein paar Tage hinter sich lassen.
Melnyk nahm bereits 2016 an den Paralympischen Spielen in Rio de Janeiro teil. "Ich fühlte mich unwohl bei dem Gedanken, den 30 Mitgliedern meines Zuges den Grund meiner Abreise nach Paris zu gestehen", erzählte Melnyk der französischen Zeitung "Le Monde".
Der Sport war jahrelang sein Lebensmittelpunkt. Doch jetzt ist das anders. Mit Beginn der russischen Invasion 2022 meldet sich Melnyk im Rekrutierungszentrum seiner Heimatstadt Dnipro. Er sei an der Reihe gewesen, die Uniform anzuziehen, sagt Melnyk heute.
Ich habe die Pflicht, mich selbst zu übertreffen, für diejenigen, die mir nahestehen und für mein Land.
Zweimal wird er aufgrund seiner körperlichen Voraussetzungen abgewiesen - seit einem Sturz im Alter von 18 Jahren ist sein linkes Bein acht Zentimeter kürzer als sein rechtes. Melnyk ließ sich privat zum Drohnenführer ausbilden und wurde schließlich, im dritten Versuch, Teil der ukrainischen Armee.
Auch deshalb werden die Spiele in Paris für ihn besonders. Er werde oft an seiner "Brüder", seine Frau und seine beiden Töchter denken, sagte Melnyk. "Seit 2022 ist die Flagge der Ukraine für mich zu einer Ikone geworden. Ich habe die Pflicht, mich selbst zu übertreffen, für diejenigen, die mir nahestehen und für mein Land."