Ukraine-Krieg statt Paralympics Maksym Krypak - der Beste aus Tokio verzichtet für seine Landsleute
Fünfmal Gold, je eine Bronze- und Silbermedaille - niemand war vor drei Jahren bei den Paralympics in Tokio so erfolgreich wie Maksym Krypak. In Paris ist der ukrainische Schwimmer nicht dabei - weil er in seiner Heimat helfen will.
Man muss im Leben Prioritäten setzen - und dann gerät auch schonmal das in den Hintergrund, was man am besten kann und in dem man sogar der oder die Beste der Welt ist. Weil es eben Wichtigeres im Leben gibt, in diesem Fall die dringend benötigte Hilfe für Menschen aus dem eigenen Land. Die will Maksym Krypak lieber leisten als bei den Paralympics in Paris wieder um Goldmedaillen zu kämpfen.
Damit fehlt der Veranstaltung einer ihrer größten Stars, schließlich war der Ukrainer vor drei Jahren in Tokio der erfolgreichste aller Teilnehmer. Der Para-Schwimmer holte sich fünf Goldmedaillen, dazu gab es noch Silber und Bronze. 2016 in Rio hatte Krypak bereits fünfmal Gold und dreimal Silber gewonnen. Doch in Paris überlässt er aus guten Gründen seiner Konkurrenz das Becken und die Bühne bei der Siegerehrung.
Karrierepause, "großes Glück" und "viele Freunde verloren"
Während viele Sportler den Ansatz vertreten, mit internationalen Erfolgen ihren Landsleuten etwas Gutes tun zu wollen, will Krypak vor Ort bleiben und direkte Unterstützung leisten. An Schwimmen ist für ihn aktuell nicht zu denken. "Ich habe meine Karriere auf Eis gelegt", sagte der 29-Jährige in einem Interview mit dem "Tagesspiegel". "Nach Tokio brauchte ich eine sportliche Pause - und dann kam 2022 der Krieg. Für mich war sofort klar, dass ich meinem Land helfen möchte und in Charkiw bleibe."
Die zweitgrößte Stadt der Ukraine im Nordosten des Landes ist seit dem Beginn des russischen Angriffskriegs unter Beschuss - und Krypak hat es wohl einer glücklichen Fügung zu verdanken, dass er überhaupt noch am Leben ist. "Bereits dreimal hatte ich großes Glück. Ich war an Orten, an denen nur Minuten später eine Bombe eingeschlagen ist. Es war wie eine Bestimmung, dass ich nicht getroffen wurde", sagte er. Viele Freunde habe er an der Front verloren.
Training für Kinder als Ablenkung
Doch seine Zelte in der Heimat abbrechen will er auf keinen Fall, "es würde sich falsch anfühlen, unter diesen Umständen ein angenehmes Leben in einem Fünf-Sterne-Hotel zu führen, während in meiner Heimat der Krieg tobt". Dabei wurde offenbar mehrfach versucht, Krypak von einer Rückkehr ins Schwimmbecken zu überzeugen, er spricht sogar von einem "gewissen Druck, dass ich meine Karriere fortsetzen solle". Seine Trainer seien "der Meinung, dass ich damit mehr für mein Land tun kann".
Der ukrainische Schwimmer Maksym Krypak bei den Paralympics in Tokyo 2021
Stattdessen bleibt er in der Ukraine. 2022 gründete Krypak ein Rehazentrum, um Menschen mit Behinderungen den Weg zurück ins Leben zu ermöglichen, zudem arbeitet für "Aquarena Charkiw", eigentlich ein Sportzentrum, wo mittlerweile humanitäre Hilfe geleistet wird und Hilfsgüter organisiert werden. Er gebe aber auch noch Kindern Schwimmtraining, "um sie zumindest kurzzeitig vom Krieg abzulenken."
Krypak wollte selbst kämpfen
Am liebsten wäre Krypak sogar selbst an die Front gegangen, aufgrund seiner Behinderung und der vielen anderen Freiwilligen wurde er aber nicht angenommen und widmete sich der Freiwilligenarbeit. An ein Comeback denkt er noch nicht.
"Nach dem Krieg schaue ich weiter. Niemand weiß, wann er enden wird und vor allem, was mit der Ukraine passiert. Eines Tages würde ich gern wieder zum Schwimmen kommen. Vielleicht nicht mehr als Athlet, aber als Trainer", sagte Krypak, der auch zugab: "Ich vermisse es sehr, vor allem die Disziplin und die Motivation, ein gutes Ergebnis zu erzielen. Ich könnte auch hier in Charkiw trainieren, aber dazu bin ich mit dem Krieg einfach nicht in der Stimmung."