"Bebe" Vio, Long und Hanquinquant Die internationalen Stars der Paralympics in Paris
Sie sind weltberühmt, Ikonen ihres Sports oder seit Jahren ungeschlagen: Wir stellen elf der größten internationalen Stars der Paralympics 2024 vor.
Oksana Masters (USA) – Para-Radsport
Die 35-Jährige ist einer der Superstars der Paralympics. Die Laureus-Preisträgerin geht bei Sommer- und Winter-Paralympics an den Start und gewann seit 2012 nicht weniger als 17 Medaillen. Para-Radsport, -Kanu, -Biathlon, -Skilanglauf – überall war sie schon am Start, überall gewann die gebürtige Ukrainerin Medaillen. Masters kam in Folge der Atom-Katastrophe in Tschernobyl mit mehreren Behinderungen auf die Welt, die ersten sieben Lebensjahre verbrachte sie in einem Waisenhaus, ehe sie von einer US-Amerikanerin adoptiert wurde. In den USA begann sie zunächst mit Para-Rudern, später wechselte sie wegen Rückenproblemen zum Para-Radsport und -Skilanglauf. In Paris zählt Masters im Handbike zu den Mitfavoritinnen auf eine Medaille.
Die US-amerikanische Para-Athletin Oksana Masters
Jessica Long (USA) – Para-Schwimmen
Auch Jessica Long verbrachte die erste Zeit ihres Lebens in einem Waisenhaus und wurde von US-Amerikanern adoptiert. Mit 12 Jahren und einer Sondergenehmigung nahm sie 2004 in Athen erstmals an den Paralympics teil – schon damals gewann sie drei Goldmedaillen. Über die vergangenen 20 Jahre wurde sie zur erfolgreichsten Para-Schwimmerin aller Zeiten. Allein bei den Paralympics schwamm die heute 32-Jährige zu 23 Medaillen. Ihre Lebensgeschichte berührte Millionen Zuschauer in einem Werbespot, der 2021 im Super Bowl ausgestrahlt wurde.
Die US-amerikanische Para-Athletin Jessica Long.
Diede de Groot (Niederlande) – Rollstuhl-Tennis
Mehr als 140 Spiele unbesiegt – zwischen Januar 2021 und Mai 2024 konnte Diede de Groot niemand schlagen. Die Niederländerin ist die Top-Favoritin im Rollstuhl-Tennis. Die 27-Jährige ist mit 23 Grand-Slam-Titeln die Rekordsiegerin, die letzten 15 Turniere gewann sie allesamt und ist seit den French Open 2020 ungeschlagen. Bei den Paralympics 2021 in Tokio gewann sie sowohl im Einzel als auch im Doppel Gold – in Paris will sie das wiederholen. Sehr zum Leidwesen von Katharina Krüger – die Deutsche muss gleich in der ersten Runde gegen Tennis-Superstar de Groot ran. Ihrer Favoritinnenrolle ist sich de Groot bewusst und sagt: "Vor drei Jahren in Tokio war kein Druck, alles war gut. Hier ist alles anders, nur Gold zählt. Vielleicht sollte ich die Erwartungen etwas dämpfen."
Die niederländische Para-Athletin Diede de Groot.
Panfeng Feng (China) – Para-Tischtennis
Was de Groot mit der großen gelben Filzkugel ist, ist Panfeng Feng mit dem kleinen runden Plastikball. Im Rollstuhl-Tischtennis der Klasse 3 ist der 34-Jährige nicht nur Weltranglisten-Erster, seit 2008 in Peking ist er auch bei den Paralympics unbesiegt. In großen Turnieren gewann Feng seit 2005 31 Titel. Für die deutsche Medaillenhoffnung Thomas Schmidberger ist Feng so etwas wie das persönliche Kryptonit. Schmidberger verlor sowohl das Paralympics-Finale 2018 als auch 2021 gegen Feng. Insgesamt 20 Mal trafen der Chinese und sein deutscher Kontrahent aus München aufeinander – Feng gewann 16 Mal, Schmidberger viermal. In Paris könnte es zwischen dem Weltranglistenersten Feng und dem -zweiten Schmidberger das nächste große Duell geben.
Der chinesische Para-Athlet Feng Panfeng.
Alexis Hanquinquant (Frankreich) – Para-Triathlon
Über den ersten großen Erfolg durfte sich Triathlet Alexis Hanquinquant bereits vor Beginn der Paralympics freuen. Der 38-Jährige wurde im Gastgeberland zu einem der Fahnenträger der Eröffnungsfeier gewählt. Am Sonntag, 1. September, soll er seinen zweiten großen Auftritt haben und die "Grande Nation" jubeln lassen. In Tokio gewann er in seiner Startklasse PTS4 paralympisches Gold ohne Zuschauer vor Ort - umso größer ist seine Motivation beim "Heimspiel" in Paris. Seit dem Triumph 2021 ist er im Triathlon ungeschlagen, alles andere als das zweite Paralympics-Gold wäre eine Enttäuschung für den sechsfachen Welt- und dreifachen Europameister.
Der französische Para-Athlet Alexis Hanquinquant.
Danilo Chufarov (Ukraine) – Para-Schwimmen
Mit rund 140 Athleten gehört die ukrainische Delegation zu den zahlenmäßig größten von Paris. Jede Sportlerin und jeder Sportler hat eine eigene Geschichte mit dem von Russland angezettelten Angriffskrieg gegen die eigene Heimat. So auch Danilo Chufarov. Der Schwimmer mit Sehbehinderung war in Mariupol, als die Stadt 2022 von russischen Bomben schwer getroffen wurde. Wochenlang irrte er durch die zerstörte Stadt, tagelang ohne Essen, mit Wasser aus Brunnen. Sechs Monate konnte Chufarov nicht trainieren, dennoch gewann er 2023 bei der Weltmeisterschaft in Manchester drei Goldmedaillen. In diesem Jahr ist der 35-Jährige einer der Nominierten für den renommierten Laureus-Award. Bei den Paralympics geht er in sechs Wettkämpfen an den Start – und möchte seinen bisher fünf Paralympics-Medaillen weitere hinzufügen.
Der ukrainische Para-Athlet Danylo Chufarov
Curtis McGrath (Australien) – Para-Kanu
Auch in der Biografie von Curtis McGrath sind die tragischen Folgen kriegerischer Auseinandersetzungen präsent. Der Australier war als Soldat in Afghanistan, als er 2012 auf eine Landmine trat und beide Beine verlor. Als der damals 24-Jährige die Gesichter seiner Kameraden sah, die geschockt den schwerverletzten McGrath versorgten, soll er gesagt haben: "Dann starte ich halt bei den Paralympics." Vier Jahre später war es soweit. McGrath ging in Rio de Janeiro an den Start und gewann gleich Gold im Kajak. In Tokio erlangte er zwei Goldmedaillen, im Kajak und dem Auslegerboot Va’a. Einen Triumph, den der zwölffache Weltmeister in Paris wiederholen will.
Der australische Para-Athlet Curtis McGrath.
Beatrice "Bebe" Vio (Italien) – Rollstuhl-Fechten
Als Werbegesicht entdeckt man die 27-Jährige bereits häufig in Paris, am 4. September ist Vio mit dem Florett erstmals auf der Planche zu sehen. In Rio 2016 und Tokio 2021 gewann sie Gold – auch in Paris ist die einzige Rollstuhl-Fechterin, die das Florett mit einer Prothese hält, Favoritin. Die fünffache Weltmeisterin ist auch ohne Fechtwaffe ein Star – mehr als 1,3 Millionen Menschen folgen ihr auf Instagram, der Spielzeughersteller Mattel widmete ihr ein Barbiepuppe, der damalige US-Präsident Barack Obama lud sie 2016 zu einem Essen ins Weiße Haus ein.
Die italienische Para-Athletin Beatrice Vio.
Fleur Jong (Niederlande) – Para-Leichtathletik
Mit vier Weltmeister- und zwei Europameistertiteln hat sich Fleur Jong auf den kurzen Anreiseweg von den Niederlanden nach Frankreich gemacht. Die 28-jährige Sprinterin und Weitspringerin gilt als künftige Sprint-Dominatorin in ihrer Klasse. Über 100 Meter gewann sie sowohl bei der WM 2023 als auch bei der WM 2024 überlegen. Jong, die Kommunikationswissenschaft in Amsterdam studiert, entschied in Tokio den Weitsprung-Wettkampf für sich. "Diese Goldmedaille brachte mich dahin, wo ich heute bin. Durch diese Medaille habe ich so viel Selbstvertrauen bekommen, dass ich plötzlich über 100 Meter viel schneller laufen konnte." Deshalb ist das Ziel für Paris klar: Gold im Weitsprung und über 100 Meter in der Startklasse T64.
Die niederländische Para-Athletin Fleur Jong
Petrucio Ferreira (Brasilien) – Para-Leichtathletik
Als "die brasilianische Geschwindigkeits-Maschine" wird der 27-jährige Brasilianer auf der offiziellen Paralympics-Website angekündigt. In der Klasse T47 war der Sprinter weder bei den Spielen 2016 in Rio de Janeiro noch 2021 in Tokio über 100 Meter zu schlagen. Auf den Distanzen zwischen 100 und 400 Metern gehört Ferreira zu den heißen Medaillenfavoriten – fünf Paralympics-Medaillen und sechs WM-Titel sprechen eine deutliche Sprache. Außerdem ist er Weltrekordhalter über 100 und 200 Meter. "Sport hat mein Leben verändert", so der fünffache paralympische Sportler des Jahres in Brasilien, der seine linke Hand im Alter von 2 Jahren bei einem Unfall mit einer Mähmaschine verloren hat. "Ich bin jetzt ein Vorbild für Menschen mit Behinderungen, mehr Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen zu haben."
Der brasilianische Para-Athlet Petrucio Ferreira
Morteza Mehrzad (Iran) – Sitzvolleyball
Klar, Sitzvolleyball ist eine Teamsportart. Dass die iranischen Sitzvolleyballer 2016 und 2021 Paralympics-Sieger wurden sowie 2018 und 2022 Weltmeister, haben sie aber ohne Zweifel einem Ausnahme-Athleten zu verdanken. Morteza Mehrzad, oder korrekt ausgeschrieben Morteza Mehrzadselkjani, drückt dem Spiel seines Team derart den Stempel auf, dass die Iraner auch in Paris die Top-Favoriten sind. Mit seiner Körpergröße von 2,46 Meter überragt Mehrzad auch sitzend das Netz deutlich. In Tokio 2021 wurde er zum Most Valuable Player des Turniers, 2019, 2021 und 2022 zum besten Sitzvolleyballer der Welt gewählt. Mittlerweile ist der 36-Jährige eine paralympische Ikone.
Der iranische Para-Athlet Morteza Mehrzad