Schwimmen bei den Paralympics Krawzow und Engel - Gold für das eigene Ego, Vorbild für viele
Elena Krawzow und Taliso Engel haben mit ihren Goldmedaillen bei den Paralympics in Paris eigene Erlebnisse verarbeitet. Die beiden Para-Schwimmer sind aber auch Musterbeispiele dafür, dass es sich zu kämpfen lohnt.
Überzeugender geht es nun wirklich nicht. Um 19.07 Uhr schlug Taliso Engel am Donnerstagabend (05.09.2024) nach einem überragenden Rennen über 100 Meter Brust mit großem Abstand als Erster an, mit 2,93 Sekunden Vorsprung gewann der 22-Jährige sein zweites Paralympics-Gold auf dieser Distanz. Nur 24 Minuten später gab es in der Arena La Défense noch einmal das gleiche Bild: Auf Bahn vier zog wieder jemand mit den deutschen Farben auf der Badekappe auf und davon. Dieses Mal war es Elena Krawzow, die ihr Rennen sogar 3,08 Sekunden vor der Konkurrenz beendete.
Zweimal Gold für Deutschland in kürzester Zeit - das schafften Engel und Krawzow schon vor drei Jahren in Tokio. Und wieder jubelte einer der beiden nicht nur über die Goldmedaille, sondern auch über den Weltrekord. Nachdem Engel im Halbfinale eine neue Bestmarke aufgestellt und diese später im Endlauf um 0,06 Sekunden verpasst hatte, unterbot Krawzow ihren eigenen Weltrekord aus dem Jahr 2019: Die 1:12,54 Minuten sind nun die schnellste Zeit, die jemals eine Frau in der SB12-Klasse über 100 Meter Brust geschwommen ist.
Krawzow wollte nicht einfach nur Gold
"Das ist sehr wichtig für mich. Mir war es wichtig, eine neue Bestzeit zu schwimmen, weil mein Weltrekord von 2019 schon ein bisschen in die Jahre gekommen war", sagte Krawzow danach im Sportschau-Interview. Ihr Ziel war nicht einfach Gold. Sie wollte ein Zeichen hinaus in die Welt senden. Denn sie wollte die beste Leistung der Geschichte ins Becken zaubern. Aber nicht etwa, um zu zeigen, dass sie die Beste ist, sondern um ihr selbst und allen anderen Menschen etwas zu demonstrieren.
"Ich wollte mir beweisen, dass ich nach all dem, was in den vergangenen drei Jahren passiert ist, dazu in der Lage bin. Dass man es schafft, wenn man nicht aufgibt und immer dran glaubt. Heute habe ich bewiesen, dass man auch aus einer so schwierigen Situation herauskommen kann und der Wille Berge versetzen kann", sagte Krawzow. Nach ihrem Triumph in Tokio vor drei Jahren war bei der heute 30-Jährigen ein Hirntumor entdeckt worden.
Getreu ihrer Kämpferinnen-Natur wandelte sie diesen Schock schnell in Motivation um, sie musste auf ihrem Weg zurück auf die höchste Stufe des Paralympics-Podiums sogar zeitweise gestoppt werden. Aber es hat sich gelohnt. Damit ist Krawzow endgültig weit mehr als eine überaus erfolgreiche Sportlerin. Sollten Männer und Frauen, die nach einer niederschmetternden Diagnose in ein Loch fallen, eine Story brauchen, um sich wieder aufzurappeln, ist ihre perfekt dafür. Und das ist wichtiger als jede Goldmedaille.
Engel verarbeitet Misserfolge mit Gold
Die Schicksale der beiden deutschen Gold-Helden sind in keinster Weise miteinander vergleichbar und Gesundheit ist immer ein wichtigerer Lebensinhalt als sportlicher Erfolg. Aber auch Engel hat gezeigt, dass es - getreu dem Sprichwort - nicht wichtig ist, wie oft man hinfällt, sondern wie oft man wieder aufsteht. Über 50 Meter Freistil war er zu Beginn der Paralympics 2024 in Paris Zehnter. Über 200 Meter Lagen hatte er sich dann deutlich mehr ausgerechnet, wurde aber aufgrund eines Fehlers bei einer Wende disqualifiziert.
"Ich bin einfach nur froh, das Ganze hier geschafft zu haben. Es lief ja nicht so gut am Anfang, was mich auch mental mitgenommen hat. Ich habe so auf diesen Donnerstagabend hingefiebert, damit der Spuk endlich vorbei ist", sagte Engel im Sportschau-Interview. "Dass es jetzt so gut geendet ist, ist einfach befreiend und macht mich unfassbar glücklich."
Vorbilder nicht nur für andere Sportler
Trotz ihrer gesundheitlichen und sportlichen Rückschläge haben es Krawzow und Engel geschafft. Sie werden mindestens aus deutscher Sicht zu den prägenden Gesichtern und Geschichten dieser Paralympics gehören. Sie wollten den Sieg für sich, waren aber vor allem Vorbilder für jeden Sportler, aber auch für jeden, der sich an einem gewissen Punkt fragt, ob es sich überhaupt noch zu kämpfen lohnt.
Wetekam feiert "unglaublichen Abschluss"
Von so einem Status ist Maurice Wetekam zwar noch ein Stück weit entfernt, trotzdem hat er nach seiner Bronzemedaille über 100 Meter Brust auch am Donnerstag wieder für Furore gesorgt. Zwar verpasste der 18-Jährige die Medaillenränge über 200 Meter Lagen deutlich, mit 2:20,60 Minuten knackte er aber seinen erst im Vorlauf aufgestellten deutschen Rekord um über eine Sekunde.
"Das ist ein unglaublicher Abschluss, die ganze Veranstaltung war unfassbar. Das ist wieder genauso, wie ich es haben wollte, weil es absehbar war, dass es nicht für die Plätze auf dem Podium reichen wird", sagte Wetekam im Sportschau-Interview. "Ich bin unglaublich glücklich. Jetzt habe ich vier Jahre Zeit, um an mir zu arbeiten und das aufzuholen, was mir hier noch gefehlt hat." 2028 in Los Angeles will Wetekam zu den Paralympics-Stars gehören wie Engel und Krawzow jetzt in Paris.