Ruderin startet im Mixed-Vierer Paralympics statt Olympia - Kathrin Marchand träumt von einer Medaille
Kathrin Marchand startete bei den Olympischen Spielen in London und Rio de Janeiro. Nach dem Ende ihrer Laufbahn erlitt sie einen Schlaganfall. Jetzt ergibt sich in Paris für die Ruderin die Chance auf eine Medaille bei den Paralympics.
Der 1. September 2021 hat das Leben von Kathrin Marchand verändert. "Ich habe drei Jahre in der Notaufnahme gearbeitet, das war unfassbar stressig. Und dann hatte ich einen Schlaganfall", sagt Marchand in der MDR-Dokumentation "Wer braucht die Paralympics? fragt Gina Rühl" über den Tag, an dem während eines Spinningkurses plötzlich ihre linke Körperhälfte taub wird und sie schlecht sieht.
Später ruft sie den Notarzt. Die Diagnose trifft Marchand schwer, obwohl sie da noch gar nicht weiß, dass sie bleibende Beeinträchtigungen davontragen wird. "Ich kann meinen Beruf nur noch zu 50 Prozent ausüben", sagt die Ärztin. Grund dafür ist ein eingeschränktes Sichtfeld auf beiden Augen. Neun Monate dauert es, bis sie wieder arbeiten kann. Mittlerweile ist sie in einer Praxis für Orthopädie angestellt.
Zwei Olympia-Teilnahmen, die erste bei den Paralympics
Ihre erfolgreiche Karriere als Ruderin hatte sie zum Zeitpunkt des Schlaganfalls bereits beendet. Zwei Mal hatte die Kölnerin an Olympischen Spielen teilgenommen. Mit dem Achter landete sie 2012 in London auf Rang sieben, vier Jahre später in Rio de Janeiro im Zweier mit Kerstin Hartmann auf Platz acht. Hinzu kommen zwei Silbermedaillen und ein Mal Bronze bei Europameisterschaften.
Nach dem Schlaganfall will Marchand weiter ein aktives Leben führen. Mehr durch Zufall verfolgt sie die Berichterstattung zu den Paralympischen Winterspielen 2022 in Peking im Radio. Sie beginnt, sich für Para-Sport zu interessieren und informiert sich, ob ihre Einschränkungen für eine Klassifizierung ausreichen. Das eingeschränkte Sehvermögen reicht nicht aus, doch in Kombination mit einer Schwächung der linken Körperhälfte erhält sie die Zulassung.
Die Athletin vom RTHC Bayer Leverkusen bestreitet ihre ersten Wettkämpfe. Marchand geht im Mixed-Vierer mit Steuerfrau der Klasse PR3 an den Start. Bei der EM 2022 in München ersetzt sie eine erkrankte Kollegin und rudert prompt zu Bronze. Seit ihrem Wiedereinstieg hat die 33-Jährige bereits zwei Mal EM-Silber sowie WM-Silber und -Bronze geholt.
"Füße hoch" heißt zwei Mal Training am Tag
Gemeinsam mit Susanne Lackner, Valentin Luz, Marc Lembeck und Steuerfrau Inga Thöne will sich Marchand nun Edelmetall im Wassersportstadion Vaires-sur-Marne sichern. Das deutsche Boot geht als Mitfavorit ins Rennen, als größte Konkurrenten gelten Großbritannien und die USA.
Mittlerweile ist der Sport nicht mehr der Lebensmittelpunkt von Kathrin Marchand. Dennoch kommt sie auf ein Trainingspensum von 15 Stunden in der Woche - neben der Arbeit. Mittwochs hat sie in der Praxis meist frei, es ist ihr "Füße-hoch-Tag", wie sie im "Team Deutschland Paralympics Podcast" sagt. Wobei "Füße hoch" in dem Fall heißt, dass zwei Trainingseinheiten pro Tag drin sind. Bei der Planung kommt ihr zugute, dass ihr Arbeitgeber Kooperationspartner des Deutschen Olympischen Sportbundes ist und daher viel Verständnis für die zeitraubende Trainingsarbeit aufbringt.
Bei den Paralympics soll sich die Schufterei jetzt auszahlen. "Dass wir nach Paris fahren und Medaillenchancen haben, ist Motivation genug", sagt Marchand. "Wir haben bisher bei allen Meisterschaften eine Medaille geholt. Es wäre schon schade, wenn wir das in Paris nicht schaffen."
Marchand bringt viel Routine mit ins Boot
Als zweimalige Olympiateilnehmerin tritt Marchand in Paris mit viel Erfahrung an. Die zahlreichen Regatten helfen der Schlagfrau dabei, im Wettkampf ebenso fokussiert wie gelassen zu sein. Die Konstellation im Boot sei dabei ideal. "Es hat gepasst wie die Faust aufs Auge. Da weiß jeder, was seine Rolle ist", sagt Marchand.
Am Rudern fasziniert sie die Mischung aus individueller Power gepaart mit der Mannschaftsleistung. Dabei brauche man "sehr viel Durchhaltevermögen, da sieben Minuten schon sehr viel Zeit sein können. Da muss man echt einen langen Atem haben", so Marchand im Sportschau-Interview.
Die Jagd nach einer Medaille startete verheißungsvoll, Platz zwei im Vorlauf reichte für den direkten Einzug in den Endlauf. Das Finale steigt am Sonntag. Das ist der 1. September - exakt drei Jahre nach ihrem Schlaganfall könnte der Medaillentraum von Kathrin Marchand wahr werden.