Para-Triathlon in und an der Seine Gegen die Strömung - und mit gutem Bauchgefühl
Die Wasserqualität, die Strömung - bei Olympia war das Schwimmen in der Seine ein Riesenthema. Bei den Paralympics wurden Rennen verlegt. Das Schwimmtraining für den Tag vor dem Wettkampf wurde gestrichen.
Anja Renner hört aufmerksam zu, als Maria Paulig spricht und die Seine abwärts deutet. Sie sitzt auf der schwimmenden Brücke am Pont Alexandre III, wo am Sonntag die Triathlon-Wettbewerbe stattfinden. Renner hat ein stark eingeschränktes Sichtfeld. Paulig, die neben ihr kniet, ist ihr Guide und wird sie beim Schwimmen begleiten. "Ich bin hier bewusst noch nichts ins Wasser gegangen. Nach dem Probewettkampf letztes Jahr lag ich flach. Das Risiko wollte ich nicht eingehen", erklärt die 38-jährige Renner. Ihr Guide Paulig ist deshalb am Vortag allein in die Seine gesprungen.
Aber - anders als noch bei den Olympischen Spielen ist die Wasserqualität dieser Tage noch kein großes Thema. Am Freitag regnete es in Paris nach längerer Zeit mal wieder - noch kein Problem für die Kanalisation.
"Wir haben uns gerade die aktuellsten Zahlen angesehen - das Wasser ist deutlich unter der Obergrenze, was die Verschmutzung anbelangt. Ich habe ein gutes Gefühl", sagt Bundestrainer Tom Kosmehl beim Sportschau-Interview am Flussufer. "Und der Wettergott schickt uns auch die richtigen Strahlen."
Schwimmtraining für Samstag gestrichen
Ganz so einfach ist es dann aber doch nicht. Am Samstag sagten die Organisatoren das Schwimmtraining ab - als Vorichtsmaßnahme wegen vorhergesagter Regenfälle, wie es in einer Mitteilung am Morgen hieß. Weil das Wetter deutlich schlechter werden soll, bis hin zu Gewittern, hatten die Veranstalter die Wettkämpfe, die eigentlich auch am Montag noch stattfinden sollten, bereits alle auf den Sonntag gelegt.
Max Gelhaar ist um 9.25 Uhr der erste deutsche Athlet, der startet, Elke van Engelen gut drei Stunden später die letzte. "So haben alle Athletinnen und Athleten dieselben Bedingungen", betont Olalla Cernudo vom Weltverband World Triathlon. Zweimal am Tag würden an fünf unterschiedlichen Stellen - auch vor den Toren der Stadt - Wasserproben aus der Seine entnommen. "Wir sind im Moment sehr zufrieden. Es waren jetzt Teilnehmende aus allen Startklassen im Wasser und es gab keinerlei Probleme."
Duathlon? Paralympics-Star Schulz schlägt Alarm
Zur Freude aller gibt es Entwarnung für die Strömung - die durch die ausgebliebenen Niederschläge ebenfalls stark nachgelassen hat. "Das hatten wir anders erwartet", erklärt Kosmehl, der damit auch die Bedenken des zweifachen Paralympics-Siegers Martin Schulz entkräften kann.
Man macht Triathlon, weil man in allen drei Sportarten gut ist. Duathlon ist eine andere Sportart. Das ist wie wenn man beim Zehnkampf fünf Disziplinen weglassen würde.
Schulz hatte zuletzt ein düsteres Szenario gezeichnet - bis zum Duathlon, der beim Wegfallen des Schwimmens übrig bleiben würde: "Es würde ein fader Beigeschmack bleiben", betonte der Sieger von Rio und Tokio: "Man macht Triathlon, weil man in allen drei Sportarten gut ist. Es ist eine andere Sportart. Das ist wie wenn man beim Zehnkampf fünf Disziplinen weglassen würde." Das Streichen einer Disziplin sei im Para-Triathlon "noch spezieller, weil die Klassifizierung einen Triathlon berücksichtigt".
Bevor tatsächlich nur ein Duathlon veranstaltet würde, erklärt Cernudo von World Triathlon, gebe es aber noch zwei Ausweichtermine. Die Wettbewerbe könnten auch am 2. oder 3. September ausgetragen werden.
Chance auf gleich drei deutsche Medaillen
So wie es aktuell aussieht, können sich aber alle auf das Sportliche am Sonntag konzentrieren. 750 m Schwimmen, aus denen durch die Strömungsbedingungen auch 800 werden könnten. Dazu fünfeinhalb Runden Rad fahren, also ungefähr 20 km Strecke. Und zum Abschluss ziemlich genau 5 km laufen - rechnet der Bundestrainer vor.
Die Ziele sind klar: "Martin will hier das Triple schaffen. Max Gelhaar hat als Vizeweltmeister auch viel vor. Und dann sind da noch unsere Mädels, Anja und Maria. Die wollen oben anklopfen - und vielleicht geht die Tür ja auf", kündigt Kosmehl an.
Zum Team gehören auch Neele Ludwig und Elke van Engelen. Ihre Medaillenchancen sind allerdings eher gering.
"Im Hyde Park war es schlimmer als in der Seine"
Die Vorfreude ist auf jeden Fall groß. Schon bei der Besichtigung der Aufbauten am Pont Alexandre III mit Blick auf den Eiffelturm ist deutlich geworden, dass ein wohl unvergesslicher Wettkampf vor Tausenden Zuschauern an der Brücke und an Rad- und Laufstrecke auf die Sportlerinnen und Sportler wartet.
Wer das hier will, und das wollen wir, muss mit den Nachteilen in der Seine leben. Ich bin immer wieder beeindruckt.
"Wir konnten uns jetzt mehrere Jahre an den Gedanken gewöhnen, hier in der Seine zu schwimmen", betont Kosmehl. "Und vor zwölf Jahren im Londoner Hyde Park war es auf jeden Fall noch schlimmer."
Guide Paulig weist Renner den Weg durch die Seine
Renners Guide Paulig war am Vortag im Wasser und hat sich mit der Strecke und den Strömungen vertraut gemacht. Sie wird ihrer Partnerin die beste Route durch die Seine weisen. Deshalb ist Renner, auch wenn sie das Wasser nicht noch mal getestet hat, vor dem Wettkampf optimistisch: "Es ist einfach toll, hier zu sein. Und dank Maria muss ich die Strecke ja nicht so gut kennen."
Beim Rennen wird sie dann auch auf jeden Fall ins Wasser steigen, dafür hat sie in den letzten Jahren zu hart für ihren Traum gearbeitet. Ihre Sorgen wischt sie beiseite: "Was danach ist, ist dann auch egal."