Stürze und Erbrechen Diesen Olympia-Triathlon wird man so schnell nicht vergessen
Die Olympia-Veranstalter ziehen den wackligen Triathlon in Paris unter schwierigen Bedingungen durch. Dann gibt es bei den Frauen Rad-Stürze wegen der Nässe aus der Nacht - und erbrechende Männer wegen der Hitze. Und damit auch Kritik.
Was war das nur für ein Wahnsinns-Schlussspurt von Alex Yee. Unmittelbar bevor die beiden besten Olympia-Triathleten der Welt auf die Zielgerade auf der Brücke Alexandre III einbogen, schnappte der Brite dem Neuseeländer Hayden Wilde den fast schon sicher geglaubten Olympiasieg weg. Er ließ ihn unter dem frenetischen Jubel der Tausenden Zuschauer an den Straßen schier stehen. Eine so spannende Entscheidung unweit des Eiffelturms, wie sie sich die Olympia-Veranstalter vielleicht in ihren kühnsten Träumen erhofft hatten.
Denn ein Olympia-Triathlon ist eben erst nach 1,5 Kilometern Schwimmen, 40 Kilometern Radfahren und zehn Kilometern Laufen abgeschlossen. Dieser Aussage war sich Yee bewusst, als er diesen furiosen Schlussspurt anzog und Wilde keine Chance ließ. Dieser Olympia-Triathlon wird lange in Erinnerung bleiben. Aber nicht nur wegen Alex Yees Solo. Da waren viel mehr Themen, die Nässe, die Hitze - und die Bakterienbelastung in der Seine.
Direkt hinter der Ziellinie müssen sich manche Triathleten übergeben
Der Deutsche Lasse Lührs musste sich festhalten beim Sportschau-Interview, zu sehr hatte ihn dieser Triathlon gefordert. "Es waren echt schwere Bedingungen. Ich hatte echt zu kämpfen mit der Hitze. Ich muss auch sagen, ich habe das so nicht ganz vorbereitet. Ich bin davon ausgegangen, dass wir um acht Uhr starten. Da wären es ungefähr zehn Grad weniger gewesen", sagte Lührs, der am Ende 21. wurde, Tim Hellwig war 18., Jonas Schomburg 24. Manche ihrer Kollegen mussten sich direkt hinter der Ziellinie übergeben.
Dass die olympischen Triathlon-Rennen zum Risiko werden würden, das war schon vor einigen Tagen klar. Die Seine, die Bakterien und die Viren in ihr, die Athletinnen und Athleten hatten böse Vorahnungen, mussten hoffen, Paris bloß nicht krank zu verlassen.
Die Trainingseinheiten wurden zuletzt wegen zu hoher Werte vorsorglich alle abgesagt, das Männer-Rennen wenige Stunden vor dem Start von Dienstag auf Mittwochmittag (31.07.2024) verschoben. Aber klar, da wartete dann halt die unbarmherzige Hitze auf Lührs und seine Kollegen.
Lührs: "Ist Veranstalter nicht wirklich um Gesundheit der Athleten gegangen"
"Ich finde es auch unfair für uns Athleten, dass wir einen Tag vorher Bescheid kriegen und ich finde es auch unfair für die Zuschauer. Weil eigentlich hieß es, auch der Plan B findet um acht Uhr statt", sagte der 28-Jährige. Und fügte mit Blick auf die Regenfälle in der Nacht vorm Wettkampf an. "Scheinbar, das muss man ja auch sagen, ist es dem Veranstalter nicht wirklich um die Gesundheit der Athleten gegangen. Sonst hätten sie uns nicht in die Seine geschickt."
Regen führt in der Regel zu einer höhen Bakterien- und Virenbelastung in der Seine. Das war schon in den vergangenen Tagen bemerkbar, als die Regenfälle in den Tagen um die Eröffnungsfeier das Flusswasser über die Grenzwerte katapultierten und das Training unmöglich gemacht hatten.
"Aber ich will mich auch gar nicht beschweren", sagte Lührs noch versöhnlich. "Die Bedingungen waren alle gleich. Ich bin dankbar, dass wir hier unseren Triathlon machen konnten, dass so viele Leute da waren." Die Stimmung an der Seine imponierte allen Teilnehmern.
Eim: Seine "schmeckt eigentlich ganz normal"
Die Wasserqualität soll den Analysen zufolge auch okay gewesen sein, daher wurde der Triathlon freigegeben, für den Bundestrainer Thomas Moeller war das Risiko zu starten deshalb explizit nicht zu hoch. "Ich würde auch nicht annehmen, dass wir demnächst noch Rückmeldungen kriegen von von Athleten mit Magen-Darm-Problemen. Aber wenn, dann wäre das nicht in Ordnung."
Nina Eim, die knapp drei Stunden vor ihrem Teamkollegen Lührs um acht Uhr gestartet war, hatte auch einen anderen Eindruck als der Olympia-21.: Die Seine, sagte sie, "schmeckt eigentlich ganz normal. Ich bin optimistisch, dass es uns allen morgen immer noch gut geht".
Deutsche kämpfen mit der Strömung der Seine
Mehr Kopfzerbrechen bereitete Moeller und den anderen Athleten hinterher das schnell fließende Gewässer aufgrund der Regenfälle. Tertsch empfand das Schwimmen etwa als "ziemliche Waschmaschine, aber ich habe mich da trotzdem ganz gut durchgehangelt". Moeller sagte: "Die Strömung war mit Sicherheit grenzwertig. Die Athleten schwimmen ohne Strömung etwa 1,4 oder 1,5 Meter pro Sekunde. Wenn ich einen Meter pro Sekunde Gegenströmung habe, bleiben nur noch 0,5, um vorwärtszukommen."
Auf der Radstrecke wird das Rennen für die Frauen zum Risiko
Die richtige Abwägung zwischen Vorsicht und Risiko war am Ende also wohl gar nicht so sehr aufgrund der Bakterien in der Seine notwendig (wobei sich da erst in einigen Tagen noch herausstellen wird, ob es Virusfälle unter den Athletinnen geben wird), sondern bei den Frauen bereitete der Regen auch auf dem Rad Kopfzerbrechen - und zerstörte deutsche Medaillenträume.
Wie beim verregneten Zeitfahren der Spezialisten am Samstag war die Stadtstrecke dieses Mal wegen der nächtlichen Regenfälle klitschnass - und damit für die dünn bereiften Triathlon-Räder an Fahrbahnmarkierungen rutschig wie ein frisch gewischter Hausflur. Das Radfahren am Grand Palais vorbei und über die Champs-Élysées, verkam zum Ausscheidungsrennen, ein ärgerliches Sturzfestival.
Lindemann und Tertsch mussten ihre Hoffnungen auf Olympia-Edelmetall nach Stürzen begraben, sie waren zuvor jeweils in der stärksten Gruppe, fanden den Anschluss daran später aber nicht mehr. "Das war natürlich sehr bitter, weil ich in einer aussichtsreichen Position war", sagte die 25-jährige Tertsch im Sportschau-Interview.
Lindemann und Tertsch stürzen in der Top-Gruppe
"Dass es einem dann in so einer Millisekunde raushaut, wofür man wirklich Monate und Jahre gearbeitet hat, ist schon sehr enttäuschend." Am Ende wurde Lindemann Achte, Tertsch Neunte und Nina Eim Zwölfte. Nach so einem Sturz verliere man "30 Sekunden oder mehr", sagte die 28-jährige Lindemann. "Das kann man auf so schnelle Leute nicht mehr aufholen."
Sie meinte damit unter anderem die Lokalmatadorin Cassandre Beaugrand, geboren in Livry-Gargan vor den Toren von Paris, die am besten mit den Bedingungen zurecht kam. Mit einem Lächeln vollendete sie das Rennen auf der Brücke Alexandre III und holte mit einem sicheren Vorsprung Olympia-Gold vor der Schweizerin Julie Derron und der Britin Beth Potter.
Einige Athleten müssen nach den Rennen behandelt werden
Tertsch fand, immerhin sei "noch alles heile, ich musste nicht ins Krankenhaus gebracht werden". Anders als so manche Kollegin: Unter Tränen gab die in einer Kurve gestürzte Luxemburgerin Jeanne Lehair an einer Eisen-Balustrade auf, auch die Norwegerin Lotte Miller stürzte heftig, lag verletzt am Boden und musste bei ihrem Ausstieg behandelt werden.
Auch bei den Männern landeten nach dem Zieleinlauf ein paar Athleten im Medizin-Zelt. Nicht nur aufgrund des Schlussspurts von Yee, der Stimmung in Paris und dem Ambiente um den Eiffelturm bleibt also festzuhalten: Diesen Olympia-Triathlon werden sie alle nicht so schnell vergessen.