Niederlage gegen Niederlande Hockey-Evergreen in Paris - Deutschland verpasst Gold
Ausverkauftes Haus, Wahnsinns-Stimmung, enorme Dramatik im Spiel gegen den Erzrivalen Niederlande: In einem echten Hockey-Krimi hat das deutsche Team das Goldmatch hauchdünn im Penaltyschießen mit 1:3 verloren. Nach intensiven 60 Minuten hatte es 1:1 gestanden.
"Die Enttäuschung könnte nicht größer sein, wir haben bis zum Ende gekämpft", sagte Bundestrainer André Henning, "wir haben aber leider nicht die Qualität gezeigt, die man im Penaltyschießen braucht." Team-Kapitän Mats Grambusch kritisierte: "Wir haben es nicht geschafft, über eine längere Dauer Druck auf die Niederländer auszuüben. Das müssen wir uns leider vorwerfen lassen."
Zu schwach im Penaltyschießen
Thies Prinz (50. Minute) glich im Stade Olympique Yves-du-Manoir für die Auswahl des Deutschen Hockey-Bundes (DHB) noch aus, nachdem Thierry Brinkman (46.) Oranje in Führung gebracht hatte. Im Shootout hielt Jean-Paul Danneberg dann zwei Versuche, doch einzig Justus Weigand traf für das deutsche Team. Damit starb die Hoffnung auf das fünfte deutsche Olympia-Gold nach 1972, 1992, 2008 und 2012. Immerhin: Deutschland fährt nach einem vierten Platz in Tokio 2021 wieder mit Edelmetall im Gepäck nach Hause.
Unsportliches Verhalten nach Entscheidung
Als Duco Telgenkamp seine Goldmedaille bekam, hallten laute Buhrufe durch das Stade Yves-du-Manoir im Nordwesten von Paris. Der Niederländer ist Hockey-Olympiasieger - und nach seinem Ausraster gegen die unterlegenen Deutschen doch der Buhmann. "Das ist das unsportlichste Verhalten, das ich in meinem Leben von einem Gewinner je gesehen habe", sagte Nationalspieler Niklas Wellens.
Direkt nach dem Penaltyschießen verlor Telgenkamp die Nerven. "Der hat den schönsten Moment seines Lebens, gewinnt Gold bei den Olympischen Spielen und rennt zu unserem Torwart, der am Boden liegt und weint, kniet sich nieder und macht den Silencer", sagte Wellens. Mit seinem über den Mund gelegten Zeigefinger hatte sich der Niederländer vor Jean-Paul Danneberg aufgebaut.
Beste Stimmung im proppevollen Stadion
Das Spiel zuvor hatte vor allem von der großartigen Stimmung im Stadion gelebt. Im pickepackevollen Stade Yves-du-Manoir wurden die Spieler der beiden Teams von einer enthusiastisch gestimmten Kulisse empfangen: Oranje war auf den Rängen dabei deutlich in der Überzahl. Aber das ist bei Hockeyduellen dieser beiden Teams ja eigentlich immer der Fall - die Deutschen sind's gewohnt. Auch aus der Vorrunde, als die beiden schon einmal aufeinandertrafen - Deutschland gewann das Match mit 1:0.
Beide defensiv - Torchancen Mangelware
Beim jenem ersten Duell hatten beide Teams sehr defensiv agiert. So begann es auch diesmal. Hinten sicher stehen, sich nicht auskontern lassen, das war die Devise - bei beiden Teams. So waren Torchancen natürlich erst einmal rar gesät. Besser gesagt: Es gab erst einmal gar keine. In den ersten 15 Minuten nicht. Auch keine Strafecke.
Erstmals heikel wurde es in der 17. Minute, als Niklas Wellen eine Zwei-Minuten-Strafe erhielt. Der Stürmer vom Crefelder HTC hatte einen Pfiff vom Schiri nicht gehört und unerlaubterweise weitergespielt. Die Niederländer - die weiter enorm vorsichtig agierten - konnten mit der Überzahl aber nichts anfangen.
Eine Strafecke - die Ausbeute der 1. Hälfte
Und in der 25. Minute war es endlich soweit: Das deutsche Team bekam nach einem Foul an Christopher Rühe eine erste Strafecke. Weil Gonzalo Peillat nicht auf dem Feld war, versuchte sich Tom Grambusch als Schütze, wurde von der starken niederländischen Verteidigung aber abgeblockt. Viel mehr war nicht im zweiten Viertel, es ging mit 0:0 nach 30 gespielten Minuten in die Halbzeitpause.
Die aufregendste Szene zu Beginn der zweiten Hälfte: Ein Rasen-Wassersprenger sprühte eine Fontäne frisches Nass auf Spieler und Spielfläche. Die waren dankbar bei auch am Abend noch 28 Grad Lufttemperatur.
Erste Torszenen nach fast 40 Minuten
Die kleine Unterbrechung brachte keine Veränderung auf dem Feld: Es blieb ein Geduldsspiel. Mit einer ersten Chance für die Niederlande in der 39. Minute, als Duco Telgenkamp fast im Schusskreis abschließen konnte, im letzten Moment aber geblockt wurde. Fast im Gegenzug die erste gute Toraktion auch für Deutschland: Niklas Wellen zog im Schusskreis ab, Keeper Pirmin Blaak war aber auf dem Posten.
Held der Niederlande: Torhüter Pirmin Blaak
Letzte heikle Szene für Deutschland im dritten Viertel: eine Zwei-Minuten-Strafe gegen Johannes Große, der einen nötigen Abstand nicht eingehalten hatte. Aber auch das brachte nichts Zählbares - die Entscheidung wurde auf das letzte Viertel vertagt.
Oranje jubelt: Brinkman trifft, Prinz antwortet
Und da passierte es: 43 Sekunden nach Wiederanpfiff führten die Niederlande: Ein halbhohes Anspiel in den Schusskreis verwertete Thierry Brinkman zum 1:0. Wenig später um ein Haar das 2:0: Koen Bijen hatte freie Bahn - schoss am deutschen Torwart vorbei, aber Peillat klärte artistisch auf der Linie. Im Gegenzug die Chance für Deutschland, das jetzt volles Risiko ging: Wellen holte eine Strafecke heraus.
Eigentlich unfassbar: Die Ecke verunglückte, Thies Prinz passierte ein Stockfehler. Aber genau das verwirrte die Niederländer offensichtlich. Im Nachfassen knallte Prinz die Kugel zum 1:1 ins Tor (50.). Die Dramatik im Spiel war nun enorm - beide Teams öffneten ihre Abwehrreihen und spielten voll auf Sieg. Das erlösende Tor wollte aber keinem mehr gelingen, denn auch eine letzte Strafecke für die Niederlande in der letzten Spielminute blieb wirkungslos.
Das Penaltyschießen musste die Entscheidung um Gold und Silber bringen. Dort wurde der niederländische Keeper Pirmin Blaak zum Helden, als er gleich drei Versuche der Deutschen parierte.