Zerfall der Koalition Brisantes Sportfördergesetz - Der steinige Weg zum Ziel
Das Sportfördergesetz ist vom Bundeskabinett beschlossen, steht nach dem Bruch der Ampel-Koalition aber vor dem Aus. Die Athleten fühlen sich ohnehin übergangen.
Das geplante Sportfördergesetz des Bundes hat das Potenzial, die Spitzensport-Landschaft in Deutschland mächtig durchzuwirbeln - und wird entsprechend intensiv diskutiert. Erste Referentenentwürfe hatten scharfe Kritik seitens des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) hervorgerufen.
Am Mittwoch (06.11.2024) hat die Bundesregierung dann einen Kabinettsentwurf beschlossen. "Mit dem Sportfördergesetz verankern wir erstmalig auch die Bedeutung von Spitzensportförderung für uns als Gesellschaft in einem Gesetz", ließ sich Bundesinnenministerin Nancy Faeser zitieren.
Ampel-Aus auch das Ende des Sportfördergesetzes?
DOSB-Präsident Thomas Weikert nannte den Beschluss "ein bedeutendes Signal", sagte aber auch, dass das Gesetz noch verbessert werden kann und muss, "um echte Spitzenbedingungen" zu schaffen. Die Bundesregierung nutze nicht alle Möglichkeiten zur Flexibilisierung und Entbürokratisierung aus, schreibt der DOSB in einer Stellungnahme.
Als am Mittwochabend jedoch die Ampelkoalition zerfiel, änderten sich die Vorzeichen drastisch. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) will zwar noch wichtige politische Vorhaben durchbringen, bevor er die Vertrauensfrage stellt. Das Sportfördergesetz ist jedoch nicht darunter - dessen Zukunft ist damit völlig offen und liegt wohl in den Händen einer künftigen neuen Regierung.
Agentur soll viele Aufgaben übernehmen
Herzstück der Reform ist eine unabhängige Agentur für Spitzensport, die künftig die Förderung der Verbände und auch von Einzelsportlern unter einem Dach regeln soll - von der Steuerung bis hin zur Antragsstellung und Auszahlung. Das Ziel: weniger Bürokratie, mehr Effizienz, transparentere Entscheidungsfindung.
Unklar ist, was das in der künftigen Praxis für diejenigen bedeutet, die bisher einige dieser Aufgaben übernommen haben. Das ist allen voran der Dachverband DOSB, der in der Sportförderung an zentraler Stelle mitmischt und seine Spitzensportabteilung in den vergangenen Jahren noch deutlich aufgestockt hat. Der DOSB soll im Aufsichtsrat und im Sportfachbeirat der neuen Agentur stark vertreten sein, gibt aber zentrale Befugnisse ab.
Die Aufgabenbereiche der Agentur dürften sich auch überschneiden mit denen der Deutschen Sporthilfe, die Einzelathletinnen und -athleten gezielt fördert, und denen des Bundesinstituts für Sportwissenschaften.
Athleten Deutschland kontra DOSB
Dem Gesetz inklusive Agentur vorausgegangen war ein langwieriger Prozess mit breit aufgestellten Arbeitsgruppen, an denen auch Athleten Deutschland beteiligt war. Die Vertretung der Kaderathletinnen und -athleten bemängelt nun aber, keinen Sitz in den Räten der Agentur erhalten zu haben. In den Gremien sind zwar Athletenvertreter vorgesehen, aber nicht Athleten Deutschland, sondern der DOSB soll ein Entsenderecht dafür erhalten.
Dazu muss man wissen, dass im Jahr 2017 Sportlerinnen und Sportler deshalb Athleten Deutschland gegründet haben, um eine professionelle eigene Vertretung außerhalb des DOSB zu haben. Auch das BMI unterstützt den Verein finanziell.
Machtpolitik zwischen BMI und DOSB?
Umso größer ist nun das Unverständnis bei Athleten Deutschland, keinen Platz in der Agentur erhalten zu haben. Die Entscheidung darüber hätten BMI und DOSB hinter verschlossenen Türen ausgehandelt, der stellvertretende Geschäftsführer Maximilian Klein spricht von einem "machtpolitischen Kompromiss". Zudem habe der DOSB keine gute Begründung geäußert, warum er sich das Entsenderecht vorbehält.
Auf diese Kritik ist der DOSB auf Sportschau-Anfrage nicht näher eingegangen und verweist darauf, dass auch im DOSB eine "selbstbestimmte Athletenvertretung in den Gremien vertreten" sei, beispielsweise im Präsidium: "Daher ist eine solche Vertretung auch in der Spitzensportagentur konsequent." Die Athletenkommission im DOSB sei auch der erste Ansprechparter für die Vertretung in der Agentur.
Entsenderecht gesetzlich zugesichert
Aktuell deckt sich diese Kommission personell mit dem Präsidium von Athleten Deutschland. Das muss aber nicht so bleiben und Maximilian Klein merkt an, dass dem DOSB mit dem aktuellen Entwurf das Entsenderecht gesetzlich und damit wohl langfristig zugesichert werde.
Dass der DOSB an dieser Stelle erfolgreich lobbyiert hat, legt die Antwort des BMI nahe. "Bei der Zusammensetzung der Gremien haben wir - im Hinblick auf die Autonomie des organisierten Sports - dessen Wunsch respektiert, die Entsenderechte wahrnehmen zu dürfen", schreibt ein Sprecher.
Mehr soziale Absicherung gefordert
Athleten Deutschland hat pünktlich zum Kabinettsentscheid mobil gemacht und sich für eine gemeinsame Erklärung die Unterstützung von 80 Athletenvertern aus 47 Verbänden eingeholt. Sie fordern neben der eigenständigen Vertretung in den Agentur-Gremien, dass Rechte für Kaderathletinnen und -athleten im Sportfördergesetz verankert werden.
Beispielsweise geht es um angemessene Absicherung wie Mutterschutz und Altersvorsorge und um faire Arbeitsbedingungen. Auch der DOSB fordert Nachbesserungen bei der sozialen Absicherung der Trainer und Athleten.
Krise der Ampelregierung als höchste Hürde
"Wir hoffen jetzt auf das parlamentarische Verfahren und dass sich die Abgeordneten der Fraktionen für unsere Anliegen einsetzen", sagte Klein - allerdings noch bevor die Ampelregierung in Berlin zerfiel.