Aus Protest gegen den Präsidenten Boban verlässt die UEFA und stürzt Ceferin in die Krise
UEFA-Präsident Aleksander Ceferin möchte die Statuten seines Verbands ändern, um länger im Amt bleiben zu können. Zvonimir Boban hat deshalb seinen Rücktritt als Bereichsleiter Fußball der UEFA erklärt - eine Krise für die UEFA und Ceferin bahnt sich an.
Er habe "keine andere Wahl, als die UEFA zu verlassen", schrieb Boban in einer Stellungnahme. Hintergrund ist das Vorhaben von Ceferin, die Statuten der UEFA zu ändern. Ceferin wurde 2016 zum UEFA-Präsidenten gewählt. 2019 und 2023 stellte er sich erfolgreich zur Wiederwahl. Ceferin selbst hatte 2017 die Einführung einer Begrenzung auf drei Amtszeiten vorangetrieben. Nun will er die Statuten aber ändern und den Kongress am 8. Februar in Paris beschließen lassen, dass Amtszeiten von Funktionären in der UEFA nicht gezählt werden, wenn diese vor der Einführung der Begrenzung begann - was auf ihn selbst zutrifft. Die Änderung der Statuten könnte ihn bis 2031 im Amt halten.
"Obwohl ich meine tiefste Besorgnis und völlige Missbilligung zum Ausdruck gebracht habe, ist der UEFA-Präsident nicht der Ansicht, dass die vorgeschlagenen Änderungen rechtliche, geschweige denn moralische oder ethische Probleme mit sich bringen", teilte Boban mit. "Er verfolgt ungeachtet dessen seine persönlichen Ziele." Die UEFA sprach in einer Stellungnahme von einer Trennung "im gegenseitigen Einvernehmen".
UEFA-Präsident Aleksander Ceferin
Boban stand Ceferin sehr nahe - "er weiß alles über ihn"
Boban kam 2021 in die UEFA. Er stand Ceferin in den größten Krisen zur Seite, in einer Dokumentation von Apple TV zur Super-League-Gründung 2021 wird Boban als Beifahrer Ceferins gezeigt, als die Krise ausbrach. "Er weiß alles über Ceferin", heißt es aus Kreisen der UEFA, "sie standen sich sehr nahe." Der Kroate trat öffentlich in Interviews und Stellungnahmen sportpolitisch im Sinne Ceferins auf - beispielsweise bei der Super League, dem zwischenzeitlich von der FIFA geplanten Zwei-Jahres-Rhythmus der WM oder der Diskussion um die Fußballregeln. Sein Wort hatte als früherer Weltklassespieler Gewicht.
Das Amt "Bereichsleiter Fußball" war bei der UEFA nur für ihn eingeführt worden. Nun kehrt Boban der UEFA und Ceferin den Rücken. Zuvor arbeitete er von 2016 bis 2019 bei der FIFA, zuletzt als stellvertretender Generalsekretär. In den Verbänden gilt er als meinungsstark und trotzdem beliebt.
Eskalation bei einer Sitzung des Exekutivkomitees in Hamburg
In Europas Fußballverbänden wird Ceferins Führungsstil mittlerweile immer mehr mit Argwohn beobachtet. Lange herrschte Zufriedenheit, doch seit Monaten kritisieren einige Verbandschefs das Auftreten des UEFA-Präsidenten als zunehmend autoritär. Als Beispiel wird häufig das Vorgehen Ceferins bei der Wiederzulassung von russischen Jugendteams angeführt. Damals brachte Ceferin die Abstimmung sehr kurzfristig vor einer Sitzung des UEFA-Exekutivkomitees auf die Tagesordnung, zur Überraschung hochrangiger UEFA-Mitarbeiter und vieler Funktionäre im Exekutivkomitee, wie Teilnehmer der Sitzung der Sportschau erklärten. Später scheiterte die Wiederzulassung am Widerspruch zahlreicher Verbände, der DFB hatte zugestimmt.
Der Konflikt eskalierte in Hamburg, als sich das UEFA-Exekutivkomitee im Vorfeld der Auslosung der Gruppen für die EM 2024 in Deutschland traf. Dort wurden die geplanten Statutenänderungen besprochen. Der Engländer David Gill, Schatzmeister der UEFA und Mitglied des Exekutivkomitees, ergriff nach Informationen der Sportschau bei der Sitzung das Wort und kritisierte das Vorgehen als undemokratisch. Dabei könnte Gill selbst von der Regelung profitieren und länger im Amt bleiben. England steht an der Spitze einer kleinen Gruppe von Verbänden, die sich gegen das Vorgehen Ceferins stellt.
UEFA-Schatzmeister David Gill aus England
DFB: "Waren an der Entscheidungsfindung beteiligt und werden zustimmen"
Die für den Kongress in Paris geplanten Statutenänderungen wurden am Mittwoch (24.01.2024) an die 55 Nationalverbände der UEFA geschickt. Das 44 Seiten lange Dokument liegt der Sportschau vor. Die Änderungen sehen vor, dass alle Amtszeiten, die vor dem 1. Juli 2017 begonnen wurden, nicht bei der Amtszeitbegrenzung mitgezählt werden. Bislang gilt das nur für Amtszeiten, die vor dem 1. Juli 2017 auch zu Ende gebracht wurden. Ceferin wurde 2016 beim Kongress in Athen ins Amt gewählt, mit großer Unterstützung aus Skandinavien und Osteuropa, vor allem aber schob Russland damals die Bewerbung Ceferins an.
Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) teilte auf Anfrage der Sportschau mit, dass die Statutenänderung ein Vorschlag einer UEFA-Kommission für Rechtsfragen sei. Grund sei, dass die bisherige Formulierung gegen Schweizer Recht verstoße, dem die in der Schweiz ansässige UEFA unterliegt. Auch die UEFA bezog sich im Dezember auf diese Einschätzung ihrer Kommission. Die Kommission leitet das dänische Exko-Mitglied Jesper Möller, auch DFB-Vizepräsident Ralph-Uwe Schaffert ist Mitglied der Kommission. "Der DFB ist an der bisherigen Entscheidungsfindung in allen Instanzen beteiligt gewesen und wird der vorgeschlagenen Statutenänderung zustimmen. Auch auf Grundlage der guten Zusammenarbeit mit UEFA-Präsident Aleksander Ceferin", so der DFB.
DFB-Vizepräsident Ralph-Uwe Schaffert
Wenn der UEFA-Kongress, die Versammlung der 55 Nationalverbände inklusive des DFB, den Änderungen der Statuten zustimmen sollte, könnte Ceferin das Präsidentenamt bis 2031 ausüben. Ceferin hat noch nicht gesagt, ob er von dieser Möglichkeit Gebrauch machen würde. Die Position bringt ihm aktuell 2,7 Millionen Schweizer Franken im Jahr plus Pensionsansprüche ein.
Ceferin im Gleichschritt mit Gianni Infantino
Bei einer Wahl bis 2031 wäre Ceferin 15 Jahre im Amt - und so im Gleichschritt mit Gianni Infantino. Der gemeinsame sportpolitische Untergang des damaligen FIFA-Präsidenten Sepp Blatter und des damaligen UEFA-Präsidenten Michel Platini ermöglichte Infantino und Ceferin 2016 die Wahlen in ihre heutigen Positionen. Wie die UEFA unter Ceferin führte auch die FIFA eine Amtszeitbeschränkung ein. Die Statuten der FIFA ließen in ihrer Formulierung jedoch eine Lücke offen, die Infantino nutzte. Während der WM in Katar ließ er sich vom FIFA-Rat bestätigen, dass er 2027 für die Amtszeit bis 2031 noch einmal antreten darf.
FIFA-Präsident Gianni Infantino (l.) mit UEFA-Präsident Aleksander Ceferin
"Diese Regeln sollten die UEFA schützen", schrieb Boban. Sie sei lange Teil des "alten Systems" der Fußballverbände gewesen. "Die Reformen waren ein großes Verdienst des Fußballs und des UEFA-Präsidenten. Seine Abkehr von diesen Werten ist unverständlich", so Boban. "Ich versuche nicht, eine Art Held zu sein. Zumal ich hier mit meinen Gedanken nicht allein bin."