Vom Maurer zum Juventus-Star Italien staunt über Federico Gatti
Juventus Turin kann sich am Freitagabend (15.12.2023, 20.45 Uhr) in der Serie A beim CFC Genua 1893 an die Tabellenspitze schieben, zumindest vorübergehend. Zu den Leistungsträgern im Team des italienischen Rekordmeisters gehört seit Wochen Federico Gatti. Anerkennung erhält der Abwehrmann nicht nur wegen seiner aktuell guten Leistungen - sondern auch wegen seines Lebens- und Karrierewegs.
Weltklimagipfel, Krieg in Gaza, Krieg in der Ukraine - und dann Federico Gatti. Der Medienhype in Italien um den Abwehrspieler von Juventus Turin ist amtlich, als sogar die RAI in ihrer meistgesehenen Nachrichtensendung kurz nach 20 Uhr Gatti interviewt und der 25-Jährige seine Aschenputtel-Geschichte erzählen darf. Die Geschichte, wie er es vom Aushilfsmaurer zum derzeit entscheidenden Spieler bei Italiens Rekordmeister gebracht hat.
In die Schlagzeilen und die Hauptnachrichtensendung hat sich Gatti vordergründig mit zwei Toren geschossen. Der Abwehrmann ist hauptverantwortlich dafür, dass Juventus in der italienischen Liga im Meisterschaftsrennen dranbleibt an Tabellenführer Inter Mailand. In den vergangenen beiden Spielen erzielte Gatti die Siegtreffer, sowohl beim 2:1 gegen Monza, als auch beim 1:0 über Meister Neapel. Das macht ihn zum Mann der Stunde in der Serie A.
Eine Lebensgeschichte wie ein Märchen
Zum landesweiten Gesprächsthema ist Gatti durch seine Lebensgeschichte geworden. Diese erzählte der Juve-Spieler, wie gewohnt freundlich und offen, auch in der italienischen Tagesschau: "In meinen ersten Jahren als Fußballer habe ich nebenbei noch als Maurer und Fensterbauer gearbeitet und manchmal morgens Kisten auf dem Markt geschleppt". Alles, damit seine Familie, der es damals nicht gut ging, finanziell über die Runden kommt. Den sportlichen Aufstieg des 1,90-Meter-Mannes empfindet nicht nur der "Corriere dello Sport" als "una favola", ein Märchen.
Gattis Karriere im Schnelldurchlauf: Mit 19, während Gleichaltrige in der Serie A sich die geputzten Schuhe in die Kabine tragen lassen, ist Gatti hobbymäßig in der sechsten Liga aktiv und grätscht über die harten Plätze im Turiner Umland. Als 20-Jähriger dann der Sprung in die vierte Liga zu Verbania. Dort gibt es erstmals ein bisschen Geld fürs Fußballspielen. Gattis Vater aber wird in der Zeit arbeitslos, der Sohn arbeitet neben dem Fußballtraining auf dem Bau, um seine Familie über Wasser zu halten.
Ungeachtet der Maloche zwischen Maurerkelle und Betonmischer klettert der zähe Defensivmann in der Fußballhierarchie. Im Jahresrhythmus geht es über Pro Patria in der dritten und Frosinone in der zweiten Liga am Ende zum italienischen Rekordmeister Juventus Turin. "Biss, Demut und Courage", schreibt die "Gazzetta dello Sport", hätten Gatti auf dem Weg nach oben begleitet.
Mit Willen an die Spitze
Was den Juve-Verteidiger auf dem Platz auszeichnet? Willenskraft, die aus allen Poren spritzt. Im Zweikampf verfügt der gebürtige Piemontese zudem über ein exzellentes Timing. In einen Gegenspieler kann sich Gatti verbeißen, als wäre die Raumdeckung nie erfunden worden.
Mit dieser Zweikampfstärke, urteilt die Repubblica ehrfurchtsvoll, erinnere Gatti an niemand Geringeren als Giorgio Chiellini, der nicht nur in Italien die Benchmark für konsequentes Wegverteidigen ist. Wer den derzeit gefeierten Gatti kritisch beobachtet, muss allerdings feststellen: Er ist kein Fall für Fußball-Ästheten, in einigen Szenen wirkt der Abwehrmann arg ungelenk. Auch das aber, meinen ältere Experten, erinnere an Chiellini in dessen Anfangsjahren.
Pannen-Eigentor von Gatti gegen Sassuolo
Gatti sagt über sich und seinen bemerkenswerten Aufstieg: "Ich bin, wo ich jetzt bin, weil ich nie aufgegeben habe". Seine Geschichte bewahrt ihn auch davor, bei erstem Seitenwind aus der Kurve getragen zu werden. Was dem Juve-Verteidiger Ende September passierte, hätte auch bei erfahrenen Spielern Selbstzweifel ausgelöst.
Im Spiel gegen Sassuolo unterlief Gatti das "Eigentor des Jahres" (Goal): Juves Keeper Szczesny steht weit neben seinem Tor und spielt zum entspannten Aufbau auf den an der Strafraumgrenze stehenden Gatti - und der kickt den Ball schnurstracks ins leere eigene Tor. Da ihm im Leben schon andere Probleme begegnet sind, konnte Gatti dies nichts anhaben. Bereits nach Spielschluss scherzte er: "Es war Szczesnys erster Assist und mein erster Treffer - leider ins eigene Tor".
Große Ziele mit Juventus und Italien
Seinen Stammplatz in der Juve-Abwehr hat Gatti trotz des Missgeschicks verteidigt. Mehr noch, es scheint ihn gestärkt zu haben. In der Zwischenzeit sind Gatti in der Serie A auch drei Treffer im jeweils richtigen Tor gelungen. Dank seiner Kopfballstärke und – wie im Strafraumgewühl in der Schlussminute gegen Monza – mit dem Fuß sowie dem puren Willen, das Spiel für seine Mannschaft zu entscheiden.
Qualitäten, für die sie ihn im Verein schätzen. In der Mannschaft, heißt es, sei er wegen seiner herzlichen Art von Anfang an beliebt gewesen.
Sein Last-Minute-Treffer gegen Monza ließ die Juve-Fans eskalieren: Federico Gatti
Juve-Trainer Massimiliano Allegri lobt, Gatti habe in seiner Zeit in Turin fußballerisch "Riesenschritte gemacht". Der Mann der Stunde sagt über sich selbst: "Wenn ich auf den Platz gehe, vergesse ich alles andere - so habe ich in der Promozione (Anm. d. Red.: Italiens sechste Liga) gespielt, so spiele ich auch jetzt". Seine Qualitäten haben Gatti nicht nur in die Juve-Stammformation, sondern auch in den Kreis der Nationalmannschaft gebracht. Die Ziele der 25-Jährigen für die nähere Zukunft: "Bei der Europameisterschaft in Deutschland dabei sein und mit Juventus was gewinnen".