Mit Stars wie Ronaldo und Benzema Wie gut ist die saudische Pro League?
Saisonstart am Freitag (11.08.2023): Saudi-Arabien will mit viel Geld und namhaften Spielern zur Fußballmacht in Asien werden. Der Plan könnte aufgehen, denn im Vergleich zu China gibt es gute Startbedingungen.
Saudi-Arabiens Staatsfonds PIF investiert üppig in die heimische Saudi Pro League - und Cristiano Ronaldo ist mittendrin. Seine vermutlich letzten Jahre als Fußballprofi verbringt der 38-Jährige in Riad bei Al-Nassr, sein Vertrag dort über zweieinhalb Jahre beinhaltet angeblich 200 Millionen Euro Gehalt pro Jahr. Ronaldo nahm damit Abschied vom europäischen Spitzenfußball, aber offenbar nicht vom verbalen Fernduell mit seinem ewigen Widersacher Lionel Messi.
Die saudische Liga sei besser als die nordamerikanische Major League Soccer (MLS), sagte Ronaldo kürzlich vor Journalisten in Portugal. Diese Aussage ist mit Blick auf Messis Wechsel zum MLS-Klub Inter Miami zu verstehen - und natürlich auch vor dem Hintergrund, dass Ronaldo im Sinne seiner neuen Geldgeber spricht.
Ein Machtzentrum im asiatischen Fußball
Aber angesichts vieler weiterer prominenter Zugänge wie Karim Benzema, N'Golo Kanté und Roberto Firmino stellt sich tatsächlich die Frage: Wie gut ist die Saudi Pro League schon? Und wie gut kann sie noch werden?
Der Journalist James M. Dorsey, Experte für den Fußball in Nahost, will zwar keinen direkten Vergleich mit der MLS ziehen, bezeichnet Saudi-Arabien aber als "Machtzentrum" im asiatischen Fußball, "ohne Zweifel". Er verweist im Gespräch mit der Sportschau auf die Erfolge der Klubs und der Nationalmannschaft, die zuletzt bei der WM in Katar den späteren Weltmeister Argentinien bezwungen hat.
Al Hilal Rekordsieger der asiatischen Champions League
Al Hilal aus Riad ist in der asiatischen Champions League mit vier Titeln Rekordmeister, auch die neun Finalteilahmen sind ein Bestwert. Mit den zwei Erfolgen von Ittihad FC kommt Saudi-Arabien auf insgesamt sechs Champions-League-Titel - nur Japan (8) und Südkorea (12) haben mehr. Al-Hilal kam 2022 auch als erster asiatischer Klub ins Finale der Klub-WM, unterlag dort Real Madrid 3:5.
"Diese Erfolge sind eine gute Startbasis", sagt Dorsey, "das unterscheidet Saudi-Arabien von China." Auch die chinesische Regierung hatte zuletzt viel Geld in den Fußball gesteckt, internationale Stars mit Millionen in die heimische Liga gelockt. Doch die strikten Maßnahmen während der Corona-Pandemie und neue Schwerpunkte seitens der Politik haben die Entwicklung stark ausgebremst. Aktuell beträgt der Gesamt-Marktwert aller Spieler der Super League laut "transfermarkt.de" 150 Millionen Euro (Stand: 20.07.2023) - das ist nicht einmal ein Viertel des Wertes von 2020 (650 Millionen Euro).
MLS wertvoller und ausgeglichener
Die Marktwert-Daten beruhen oft nur auf Schätzungen und Spekulationen, können aber ein Anhaltspunkt für das sportliche Potenzial einer Liga sein. Im europäischen Vergleich liegt die englische Premier League mit 10,2 Milliarden Euro weit vorne, gefolgt von den Ligen in Spanien, Italien und Deutschland mit Gesamt-Marktwerten zwischen 4 und 5 Milliarden Euro.
Die amerikanische MLS kommt auf 1,24 Milliarden Euro und damit auf mehr als doppelt so viel Marktwert wie die Saudi Pro League mit knapp 550 Millionen Euro. Hinzu kommt, dass die Werte in der MLS dank der strengen finanziellen Regeln recht ausgeglichen sind: Der Topwert von Inter Miami (74 Millionen Euro) ist nur gut doppelt so hoch wie der Minuswert von St. Louis City SC (29,2 Mio. Euro).
Investitionen auch in die Basis
In der saudischen Liga trennen dagegen die Top-Klubs Al-Hilal (140 Mio. Euro) und Al-Nassr (121 Mio. Euro) Welten vom Schlusslicht Al Riyad SC (1,8 Mio. Euro). Die letzten 8 der 18 Klubs liegen allesamt unter 10 Millionen Euro. Auch in der Bundesliga ist die Diskrepanz übrigens enorm: Der FC Bayern kommt auf fast eine Milliarde Euro, die Aufsteiger 1. FC Heidenheim und Darmstadt 98 auf weniger als 30 Millionen Euro.
Wie nachhaltig die Investitionen für die saudische Liga sind, hängt für Dorsey davon ab, dass die Verantwortlichen ihre Ankündigung in die Tat umsetzen, auch die Fußball-Basis finanziell zu fördern. Jedenfalls ist die Ausgangslage auch dank vergleichsweise hohem lokalen Zuschauerinteresse gut, die Pro League mittelfristig zur besten und wichtigsten in Asien zu machen.
Henderson der nächste?
Denn die Goldgräberstimmung dürfte noch andauern, nachdem der staatliche Investmentfonds PIF im Juni die Mehrheitsanteile an den Klubs Al-Ahli, Al-Hilal, Al-Nassr und Al-Ittihad übernommen hat. Weitere Top-Transfers folgten, beispielsweise der von Liverpools Kapitän Jordan Henderson zu Al Ettifaq. Neuer Trainer dort: Steven Gerrard, Liverpool-Legende und ehemaliger Teamkollege von Henderson.
Dass so viele Topspieler plötzlich nach Saudi-Arabien wollen, ist angesichts der kolportierten Summen kein Wunder. So soll Henderson laut "The Athletic" bei Al Ettifaq 808.000 Euro verdienen - pro Woche. Geld ist im schwerreichen Ölstaat Saudi-Arabien ausreichend vorhanden.
Hemmschwelle gefallen
Und die Hemmschwelle, ins autokratische Saudi-Arabien zu wechseln, scheint gefallen zu sein - sollte sie überhaupt je existiert haben. "Es sind vor allem Journalisten und Aktivisten, die Kritik an der Menschenrechtslage äußern", sagt Dorsey. "Sportler sind auch schon in den vergangenen Jahren nach Saudi-Arabien gewechselt. Und als der Staatsfonds Newcastle United übernommen hat, waren die kritischen Fans deutlich in der Minderheit."
Mit den enormen Investitionen will Kronprinz Mohammed bin Salman Saudi-Arabiens Wirtschaft weniger abhängig vom Geschäft mit dem Öl machen. Außerdem will er die Gesellschaft modernisieren, indem er die strikten islamischen Regeln weiter lockert. Frauen dürfen heute Auto fahren und Fußballstadien besuchen, es gibt Kinos, Technopartys - und internationale Sportereignisse, bei denen die Welt zu Gast ist.
Mehr Freiheiten für die junge Bevölkerung
"Kultur, Unterhaltung, Sport und Tourismus sind für Saudi-Arabien von zentraler Bedeutung für das Nation-Branding", sagte Eman Alhussein der "TAZ". Sie erforscht am Arab Gulf States Institute in Washington den Wandel in Saudi-Arabien. "Diese Bereiche bringen Verbesserungen auf gesellschaftlicher Ebene, steigern die Lebensqualität und zeigen dem Ausland eine neue Seite des Königreichs."
Die Mehrheit der 36 Millionen Einwohner ist jünger als 30 Jahre, entsprechend lebenshungrig und zu großen Teilen fußballverrückt. Die Lockerungen und Investitionen gelten auch als Mittel, möglichen Unruhen vorzubeugen. "Bislang scheint die Öffentlichkeit mit der neuen Richtung zufrieden zu sein", sagt Alhussein.
81 Hinrichtungen an einem Tag
Gleichzeitig verschärft der mächtige Kronprinz bin Salman die Unterdrückung von Oppositionellen und Andersdenkenden, jede Form von Kritik am Königshaus ist gefährlich. "In einem Land ohne freie Zivilgesellschaft sind Reformen der Regierung ein politisches Mittel, jede Kritik innerhalb und außerhalb zum Schweigen zu bringen", sagte Julia Legner von der Menschenrechtsorganisation ALQST der Deutschen Welle. Die Zahl der Hinrichtungen ist unter bin Salman deutlich gestiegen, im März 2022 vollstreckte Saudi-Arabien 81 Todesurteile an einem Tag.
Der internationale Aufschrei war anschließend groß, aber kurz. Die Nachrichtenlage hat sich seither geändert. Wer aktuell nach Saudi-Arabien googelt, bekommt vor allem Fußball-Transfergerüchte angezeigt.