Auch deutsche Schiedsrichter kassieren Krasser Fehler in England nach Trip in die Emirate
Die Videoassistenten, die den krassen Fehler beim Spiel zwischen Tottenham und Liverpool begingen, waren zwei Tage vorher in den Vereinigten Arabischen Emiraten im Einsatz gewesen. Solche Zusatzverdienste, die auch deutsche Schiedsrichter kassieren, werden in England nun geprüft.
Noch am Tag des Spiels zwischen Tottenham Hotspur und dem FC Liverpool gab die PGMOL, die Schiedsrichterorganisation im englischen Fußballverband, zu, dass den Videoassistenten ein "schwerwiegender menschlicher Fehler" unterlaufen war.
Jeder, der wollte, hatte das zuvor schon gesehen, auch wenn die Hilfslinien auf den Fernsehbildern und den schnell im Internet verbreiteten Clips fehlten. Luis Díaz stand bei dem Pass von Mohamed Salah nicht im Abseits. Das Tor zum 1:0 für Liverpool hätte am Samstag (30.09.2023) zählen müssen, stattdessen trafen kurz danach die "Spurs" zum 1:0, gewannen letzlich 2:1.
Wieso lief der Check nach dem Tor so kurz ab? Wieso wurden keine Linien gezeigt? Wie konnte es zum "schwerwiegenden menschlichen Fehler" kommen? Diese Fragen stellten sich, und weil der FC Liverpool auch keine Antwort fand, forderte er, dass der Funkverkehr zwischen dem Studio der Videoassistenten und dem Schiedsrichter veröffentlicht wird.
Das geschah am Dienstagabend (03.10.2023). Die Veröffentlichung ist peinlich für den Videoassistenten Darren England und dessen Helfer Daniel Cook. Das Duo war davon ausgegangen, dass Schiedsrichter Simon Hooper auf Tor entschieden hatte und ihn in seiner Meinung bestärkt. Doch Hooper hatte auf Abseits entschieden. Erst ein Techniker, sogenannter Operator, machte England und Cook auf den Fehler aufmerksam. Da war es aber schon zu spät, das Spiel war schon fortgesetzt worden, ein Eingriff des VAR somit nicht mehr möglich.
Ein menschlicher Fehler, der in jeder Liga passieren könnte, in Deutschland ist er aber weniger wahrscheinlich. "Bei uns in den Bundesligen ist es üblich, dass in der VAR-Arbeitsstation in Köln die Entscheidung des Schiedsrichters laut und für alle im Raum hörbar vor dem Check mitgeteilt wird", sagte Alex Feuerherdt, Mediensprecher der Schiedsrichter im Deutschen Fußball-Bund (DFB). Hätten England und Cook vor ihrem - ja völlig korrekt abgelaufenen - Check gewusst, dass auf dem Platz auf Abseits entschieden worden war, wären sie höchstwahrscheinlich um den Fehler herumgekommen.
"Konzentrationsschwäche" nach anstrengenden Tagen
In den Erläuterungen und Verbesserungsvorschlägen der englischen Schiedsrichterorganisation PGMOL, die an alle 20 Klubs der Premier League geschickt wurden, heißt es, dass "Konzentrationsschwäche und ein Verlust des Fokus" zu der Panne geführt hätten. Die Ursache dafür ist nicht zu belegen, aber zu belegen ist, dass England und Cook anstrengende Tage hinter sich hatten.
Am Donnerstag war England auch schon VAR, allerdings bei keinem Spiel in England, sondern in der höchsten Liga der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE). Schiedrichter der Partie zwischen Schardscha und Al Ain war Michael Oliver, ebenfalls Engländer und in der Premier League aktiv. An einer Linie assistierte ihm Daniel Cook. Das Spiel begann am Donnerstag um 20 Uhr Ortszeit, also 17 Uhr britischer Zeit. Gut 48 Stunden später waren England und Cook als VAR-Duo beim Topspiel der Premier league tätig. Ein Flug von Dubai, das nahe an Schardscha liegt, bis London dauert etwa 7,5 Stunden.
Englischer Verband prüft Einsätze am Golf
Der Einsatz des Duos am Persischen Golf sorgt noch aus anderem Grund für Diskussionen. Der englische Meister Manchester City ist faktisch im Besitz der Herrscherfamilie des arabischen Emirats Abu Dhabi. Das Geld, das englische Schiedsrichter zusätzlich in den VAE kassieren (über die Höhe gibt es nur Spekulationen), gefährdet daher in den Augen von Kritikern die Integrität des Wettbewerbs.
In ihrer Mitteilung kündigen PGMOL und der englische Verband an, prüfen zu wollen, ob englische Schiedsrichter auch künftig abseits von Spielen aus dem Bereich des Weltverbandes FIFA und der UEFA Spiele leiten dürfen.
Auch deutsche Schiedsrichter kassieren in Saudi-Arabien und den Emiraten
In den Emiraten ist es üblich, dass ausländische Schiedsrichter eingeladen werden, genau wie in Saudi-Arabien, dem faktischen Besitzer von Newcastle United. Auch deutsche Schiedsrichter kassierten in dieser Saison schon in den beiden Ländern. So leitete Bastian Dankert am Freitag (29.09.2023) das Spiel in Saudi-Arabien zwischen al-Fayha und al-Ittihad. Seine Assistenten an den Linien waren Jan Seidel und Lasse Koslowski, als VAR war Christian Dingert im Einsatz, ebenfalls ein Bundesligaschiedsrichter.
In den VAE pfiff Daniel Siebert, der auch bei der WM 2022 in Katar eingesetzt worden war, am Samstag (23.09.2023) das Spiel zwischen Al Ain und Ajman. Auch bei dieser Partie war Seidel Assistent, zusammen mit Rafael Foltyn. Als VAR arbeitete ihnen Benjamin Cortus zu.
Keiner der genannten Schiedsrichter kam in zeitlicher Nähe bei Profispielen in Deutschland zum Einsatz. Koslowski wirkte zwei Tage nach dem Spiel in den Emiraten als Assistent bei der Partie der Regionalliga Nordost zwischen Rot-Weiß Erfurt und Carl Zeiss Jena, die nicht in den Zuständigkeistbereich des DFB fällt.
"Wir achten darauf, wie auch nach Einsätzen im Europapokal und bei Länderspielen, dass Schiedrichter eine entsprechende Erholungpause haben. Wenn einer am Dienstag in der Champions League pfeift, kann er sicher auch am Samstag in der Bundesliga auf dem Platz stehen. Wenn er donnerstags in der Europa League pfeift, sieht das in der Regel schon anders aus", so DFB-Sprecher Feuerherdt.
Anders als in England schützt die 50+1-Regel davor, dass deutsche Schiedsrichter durchs Abkassieren in Saudi-Arabien und den Emiraten die Integrität des Wettbewerbs gefährden.