"Elitäre Struktur" Neue Klub-Organisation mit Angriff auf die ECA
Die ECA ist bislang die alleinige Interessenvertretung von Profifußballklubs in Europa - und gilt als Lobby-Organsiation der großen Vereine. Die Union of European Clubs (UEC) will das ändern - und greift die ECA offen an.
Die UEC schickte am Mittwoch (20.09.2023) einen Brief an rund 400 europäische Klubs sowie an die UEFA und die europäischen Ligen. Darin wirft sie der European Club Association (ECA) vor, ein geschlossener Zirkel der großen und mächtigen Klubs zu sein, der alleine den entscheidenden Einfluss auf den europäischen Klubfußball für sich beanspruche - ohne Berücksichtigung der Interessen von kleineren und mittleren Klubs.
"Es sollte nicht in der Hand der Eliteklubs liegen, darüber zu entscheiden, wie viel Einfluss sie anderen gewähren", heißt es in dem Schreiben, das der Sportschau vorliegt. Die UEC kündigte darin an, ein Gegengewicht zur ECA bilden zu wollen und rief die kleineren Klubs auf, sich zu vereinen: "Einzeln sind die Klubs machtlos und können keinen Einfluss auf die Regeln ausüben, denen sie unterliegen. Gemeinsam, vereint durch die UEC, besitzen sie eine große kollektive Macht, die sie für ein gerechtes, nachhaltiges System einsetzen können. Das ist der einzige Weg, das von der Elite etablierte System zu verändern."
Die Macht der ECA in entscheidenden Fragen ist groß
Die ECA hat seit ihrer offiziellen Gründung 2008 ihre Macht immer weiter ausgebaut. Die Verteilung der Startplätze in der Champions League, der Europa League und der Conference League bedarf genauso ihrer Zustimmung wie Änderungen am Modus und vor allem an der Verteilung der Einnahmen. Dabei wurde den großen Klubs aus Europa in den vergangenen 15 Jahren immer mehr Sicherheit bei der Qualifikation für die Wettbewerbe und bei den Einnahmen gewährt - zum Nachteil der anderen.
"Alles, was den großen Klubs in den vergangenen Jahren gegeben wurde, baut auf einem Thema auf: Super League", sagt William Martucci, Direktor der UEC, im Gespräch mit der Sportschau: "Die größten Klubs haben stets mit der Super League gedroht. Alle anderen Beteiligten wie Ligen, kleinere Klubs und auch die UEFA haben sich angesichts der Drohungen stets den Wünschen nach Veränderungen gebeugt." Die UEC rechnete vor, dass die Änderungen am Europapokal 2018 eine Steigerung der Einnahmen für die Top-Ten-Klubs um fast 50 Prozent zur Folge gehabt habe.
Eine Vereinigung der Elite? Widerspruch von der ECA
Die ECA hat naturgemäß kein Interesse an einer konkurrierenden Organisation. Der ECA-Vorsitzende Nasser Al-Khelaifi von Paris Saint-Germain wählte abwertende Worte: "Ich habe nur wenig von ihnen gehört. Ist das eine neue Art von A22 (die Agentur zur Durchsetzung der Super League, Anmerkung der Redaktion)?"
Der ECA-Vorsitzende Nasser Al-Khelaifi
ECA-Geschäftsführer Charlie Marshall nannte die Sichtweise, dass die ECA als Vertreterin einer Elite den Fußball töte, "Nonsens". In einem Gastbeitrag für die britische Zeitung "Guardian" schrieb er, dass sich einige ziemlich große Klubs nun als "klein" verkaufen würden, um sich als Opfer einer "sogenannten Elite" darstellen zu können. ECA-Vorstandsmitglied Fernando Carro von Bayer Leverkusen sagte im Rahmen der ECA-Generalversammlung im September in Berlin der Sportschau: "Die ECA versucht, eine Einigkeit bei den Klubs zu erzielen. Von daher finde ich es nicht sinnvoll. Ich sehe zurzeit keine Zukunft für die UEC."
Auf Anfrage der Sportschau teilte die ECA mit: "Wir sind die einzige von UEFA und FIFA anerkannte Klubvertretung." Die ECA verwies auf ihre Statuten, nach denen bei der ECA kein Klub Mitglied sein kann, wenn er auch woanders Mitglied ist. Sie bekräftigte, stets "die Stabilität und Ausgewogenheit" des gesamten Fußballsystems im Blick zu haben.
ECA geht mit weichen und harten Maßnahmen gegen die UEC vor
Die ECA ließ Taten folgen. Die von der ECA abgesegneten Veränderungen in der Geldverteilung ab 2024 zugunsten der kleineren Klubs gilt als politischer Schritt: Die Erfüllung einer Forderung der UEC könnte diese weniger relevant machen. Zuletzt öffnete sie sich für Hunderte weitere Klubs Europas, die nun "Netzwerk-Mitglieder" sein können.
Die UEC kritisiert die vermeintliche Öffnung der ECA für neue Klubs als "Feigenblatt". Die Macht bleibe, wo sie sei: Denn die Hälfte der Sitze im mächtigen ECA-Vorstand gehe an Klubs der sechs nationalen Top-Verbände, die andere Hälfte an Klubs der restlichen 49 Verbände. Nur 137 von 732 europäischen Erstligisten hätten bei der ECA ein Stimmrecht, kritisiert die UEC. Die UEC versprach, nach dem Vorsatz "ein Klub - eine Stimme" vorzugehen.
Vier Bundesliga-Klubs bei UEC-Veranstaltung in Brüssel anwesend
Ende April war die UEC in Brüssel offiziell ausgerufen worden. Zahlreiche Klubs aus Europa bekundeten mit ihrer Anwesenheit Interesse. Aus der Bundesliga waren Vertreter von Borussia Mönchengladbach, dem VfB Stuttgart, Werder Bremen und dem VfL Bochum anwesend. Die Sportschau befragte alle vier Klubs zu ihrem Verhältnis zur UEC.
Der VfB Stuttgart antwortete, dass der Fußball im Wandel sei, deshalb müsse sich der VfB positionieren und Verantwortung übernehmen. "Dafür gilt es auf nationaler und internationaler Ebene mit allen relevanten Stakeholdern einen aktiven Dialog zu führen - unabhängig davon, ob es sich dabei um etablierte Stakeholder handelt oder Interessensgruppen, die sich erst jüngst organisiert und gebildet haben", teilte der VfB mit.
Der VfL Bochum betonte, sich bislang weder für noch gegen eine Mitgliedschaft in der UEC entschieden zu haben. Es dürfe keinen Alleingang eines Klubs geben, und die Haltung der Verbände wie der UEFA sei zu beachten, so der VfL. "Aus Sicht des VfL Bochum muss über neue Ansätze sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene nachgedacht werden", teilte der VfL mit und nannte die Ansätze der UEC "in jedem Falle spannend". Beide Klubs vermieden also ein klares Ja oder Nein. Borussia Mönchengladbach und Werder Bremen kommentierten das Thema nicht.
Das Ruhrstadion in Bochum - der VfL und andere Bundesligaklubs interssieren sich für die UEC.
UEC spricht von 121 Mitgliedern - doch kaum ein Klub sagt es
Doch welche Klubs wollen dann Teil des Gegengewichts sein? Die UEC - die von einer Anschubfinanzierung der spanischen Liga um Präsident Javier Tebas profitierte - spricht in ihrem Brief von 121 Mitgliedern. Doch kaum ein Klub teilt das öffentlich mit. Zu groß ist die Sorge vor sportpolitischen Nachteilen in der Zukunft, solange die UEFA nicht öffentlich ihre Anerkennung für die UEC ausspricht.
Das wiederum ist für die UEFA schwierig, wenn sie sich nicht sicher sein kann, dass viele Klubs dabei sind - es ist ein "Henne-Ei-Problem" für die UEC. Die UEFA beantwortete eine Anfrage der Sportschau zur Anerkennung der UEC nicht.
Öffentlich verkündet haben ihre Mitgliedschaft bislang CA Osasuna (Spanien), Royal Union Saint-Gilloise (Belgien), RFS aus Riga (Lettland), Maccabi Netanja (Israel), Lokomotive Zagreb (Kroatien) und Bohemians FC aus Dublin (Irland). Vertreter dieser sechs Klubs bilden den vorläufigen Vorstand der UEC.
Das Stadion von Royal Union Saint-Gilloise, Vorstandsmitglied der UEC
Unterstützung noch ohne eine öffentliche Mitgliedschaft kam zudem beispielsweise von Crystal Palace aus England oder Schachtar Donezk aus der Ukraine. "Die ECA unterstützt immer nur die großen Klubs und das ist das größte Problem. Aber ohne die kleinen Klubs gibt es keinen Fußball", sagte Schachtars Geschäftsführer Serhii Palkin bei einer Podiumsdiskussion.