Champions League in Asien Hype um Ronaldo und ein sehr politisches Spiel
Cristiano Ronaldo löst im Iran einen Hype aus. Den Fans bleibt der Zutritt zu seinem Spiel in der asiatischen Champions League allerdings verwehrt. Das ist nur eine der Facetten eines sehr politischen Spiels.
Ein Jahr ist es nun her, dass Jina Mahsa Amini zu Tode kam. Die genauen Umstände sind weiterhin offen, wie so vieles offen bleibt bei Fragen über den Iran, dessen brutales Regime keine freie Berichterstattung zulässt, das soziale Netzwerke im Internet blockiert, das strengstens über die angeblich gottgegebenen Gesetze wacht.
Amini verstieß vermutlich dagegen, indem sie ihr Kopftuch nicht vorschriftsgemäß trug. Die Kurdin wurde nach Augenzeugenberichten gewaltsam abgeführt und misshandelt, fiel ins Koma und starb am 16. September 2022, wenige Tage vor ihrem 22. Geburtstag. Die iranischen Behörden verbreiten widersprüchliche Meldungen über die Todesursache.
Ihr Tod löste die größte Protestwelle aus, die es seit Bestehen der Islamischen Republik 1979 gibt. "Zan, Zendegi, Azadi" (Persisch), "Jin, Jîyan, Azadi" (Kurdisch), "Woman, Life, Freedom (Englisch), "Frau, Leben, Freiheit", ist der bekannte Ruf der Freiheitskämpferinnen und -kämpfer. Vereinzelt ist er auch heute noch im Iran zu hören. Aber die Proteste sind weniger und leiser geworden. Das Regime verschärfte zu Aminis erstem Todestag nochmals die Vorkehrungen, um das Volk gewaltsam ruhigzustellen.
Ronaldo kommt, Videos von begeisterten Massen fluten das Internet
Statt Clips von Protesten fluten in diesen Tagen Videos das Internet, die dem Regime sogar gefallen dürften. Begeisterte Massen begrüßen Cristiano Ronaldo, einen der zwei Weltstars des Fußballsports, den sie auch im Iran so lieben. Es kommt zu chaotischen Szenen.
Der Portugiese Ronaldo ist mit seinem saudi-arabischen Klub al-Nassr in die iranische Hauptstadt Teheran gekommen, um dort am Dienstag (19.09.2023) mit einer Partie beim FC Persepolis in die Champions League des asiatischen Kontinentalverbandes zu starten. Allein der Austragungsort ist schon eine Erwähnung wert, denn in den Jahren zuvor wurden Spiele zwischen iranischen und saudi-arabischen Mannschaften auf neutralem Platz ausgetragen.
Grund waren die angespannten Beziehungen zwischen den beiden Staaten, die ohnehin als Erzfeinde bezeichnet werden.
Entspannung zwischen Saudi-Arabien und Iran
In Saudi-Arabien herrscht die islamische Glaubensgruppe der Sunniten, im Iran herrschen die Schiiten. Nachdem in Saudi-Arabien 2016 ein schiitischer Geistlicher hingerichtet worden war, gab es Proteste vor der saudischen Botschaft in Teheran, die zu einer Eskalation führten. Diplomatische Kontakte gab es seitdem nur in Hinterzimmern.
Unter Vermittlung Chinas kam es aber im Frühjahr 2023 zu einer Entspannung zwischen den Staaten, die beispielsweise im Jemen und in Syrien in sogenannte Stellvertreterkriege verwickelt sind.
Im Nahen Osten bewegte sich in der jüngeren Vergangenheit einiges. Auch das Verhältnis zwischen Saudi-Arabien und Katar, dem Gastgeber der Fußball-WM 2022, galt jahrelang als sehr angespannt, besserte sich aber inzwischen.
Der Fußball ist in Saudi-Arabien Teil der geopolitischen Neuordnung. Mit sehr viel Geld holte das Regime aus Riad viele prominente Fußballer in sein Land oder auch nur auf die Payroll. Lionel Messi ist Botschafter für die saudi-arabische Tourismusbranche, einen Wirtschaftszweig, der aufgrund des absehbaren Endes fossiler Brennstoffe immer mehr an Bedeutung gewinnt.
Spiel ohne Fans
Ronaldo, der inzwischen 38 Jahre alte andere Weltstar, spielt seit Anfang des Jahres beim FC al-Nassr, einem von vier Klubs, die über den saudi-arabischen Staatsfonds quasi dem Regime gehören. Wegen Ronaldo kamen Tausende Iraner an das Hotel und wegen der in diesem Fall gütigen Sicherheitskräfte auch in das Hotel, in das al-Nassr in Teheran abstieg.
Ins Stadion Azadi (Freiheit), das offziellen Angaben zufolge gut 78.000 Fans fasst, aber bei manchen Spielen schon angeblich mehr als 90.000 Zuschauern Platz bot, wird niemand kommen. Der asiatische Verband belegte Persepolis mit einem "Geisterspiel". Grund war ein Vorfall aus einem Gruppenspiel der Champions League in der Saison 2021/22 gegen den indischen Klub FC Goa. Die Social-Media-Abteilung von Persepolis postete einen Beitrag, der auf eine persische Invasion in Indien Mitte des 18. Jahrhunderts verwies. Nun seien "junge iranische Fußballer an der Reihe, erneut Indien zu erobern", schrieb Persepolis und löschte den Beitrag schnell, nachdem es heftige Proteste gegeben hatte.
Der FC Goa forderte Sanktionen, die AFC verhängte eine Strafe, die erst jetzt wirksam wird, weil Persepolis in der vergangenen Saison nicht vertreten war. So bleibt knapp 90.000 Männern der Eintritt bei Ronaldos Gastspiel verwehrt. Frauen hätten ohnehin mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit nicht kommen dürfen. Das ist nur bei sehr wenigen Spielen erlaubt, auch wenn der Weltverband FIFA ab und an mal droht, den iranischen Verband wegen der Diskriminierung zu bestrafen.
Als bei der WM in Katar iranische Aktivistinnen und Aktivisten für Freiheit und Frauenrechte protestieren, griffen auch Sicherheitskräfte gewaltsam ein. Die FIFA schaute weg. Ihr Präsident Gianni Infantino hatte schon bei seiner bizarren Eröffnungspressekonferenz in Doha gesagt, dass sich vielleicht etwas im Iran ändere, wenn die FIFA dort mal ein Turnier austrage: "Dann wird es vielleicht besser."
Dass durch den Fußball eine Verbesserung der gesellschaftlichen Verhältnisse eintritt, ist vielfach widerlegt. Nach der Abreise Ronaldos wird das iranische Regime weiter brutal durchgreifen.