Gewerkschaften im Fußball der Frauen Auf dem Weg in den Arbeitskampf?
Eigentlich gibt es sie ja, die VdV - die "Vereinigung der Vertragsfußballspieler" - noch dazu mit dem eigens gewählten Beinamen "Die Spielergewerkschaft". Doch Fußballerinnen haben dort bisher kein Stimmrecht. Eine Initiative um die Nationaltorhüterin Almuth Schult gründet nun eine eigene Interessenvertretung.
Die Spielerinnen der Primera División waren bereits streikerprobt, als sie nach eineinhalb Wochen im September endlich belohnt wurden. In einem ereignisreichen Sommer für den spanischen Fußball wurde der Jubel über den Weltmeistertitel überschattet vom Übergriff des Verbandspräsidenten Luis Rubiales auf die Spielerin Jenni Hermoso. Als Rubiales sich weigerte, trotz vielstimmiger Kritik sein Amt zu räumen, erstreikten die Nationalspielerinnen seinen Rücktritt. Kurz darauf stellte die Spielerinnengewerkschaft "Futpro" auch in der Liga den Spielbetrieb ein, dieses Mal ging es allerdings um bessere Arbeitsbedingungen.
Am Rande der Existenz
Die Liga ging schließlich auf die zentrale Forderung der Gewerkschaft ein und beschloss die schrittweise Einführung eines Mindestlohns von 23.500 Euro pro Jahr. Doch "Futpro" machte sogleich deutlich, dass diese Einigung nur der Anfang sein konnte. Denn wofür Spielerinnen allenthalben kämpfen, ist nicht neu: Es geht um Themen wie Mutterschutz, professionelle Trainingsbedingungen oder spezielle Krankenversicherungen für den Spitzensport. Die Liste ließe sich beliebig fortführen, sagt auch die deutsche Nationaltorhüterin Almuth Schult.
Deutschland hinkt hinterher
Im Gegensatz zur spanischen Liga fehlt in Deutschland eine adäquate Interessenvertretung der Spielerinnen. Schult ist das beste Beispiel für die schwierigen Bedingungen, unter denen hierzulande auf höchstem Niveau gespielt wird. In der Saison 2021/2022 war sie die einzige aktive Spielerin, die auch Mutter war. Damit war sie gleichermaßen die erste, die seit Martina Voss-Tecklenburg Anfang der 1990er Jahre nach einer Schwangerschaft auf das Spielfeld zurückkehrte. Der Grund dafür, dass Spielerinnen während ihrer Karriere selten schwanger werden, "liegt auch an der kurzen Laufzeit der Verträge", so Schult im Gespräch mit der Sportschau.
Die FIFA brachte 2021 zwar neue Regularien auf den Weg, die unter anderem ein Mutterschaftsgeld von 14 Wochen einführten. Doch in den meisten Fällen sind Spielerinnen nur kurzfristig an ihren Verein gebunden und gehen das Risiko ein, nach dem Mutterschutz ohne Vertrag und Perspektive dazustehen.
Spielerinnen ohne Stimmrecht
Für bessere Arbeitsbedingungen im Profifußball einzustehen, gehört eigentlich zur Kernkompetenz der "Vereinigung der Vertragsfußballspieler" VdV. Im Männerfußball sind Trainingsplätze und Kabinen in Top-Zustand, Mannschaftsärzte bei allen Spielen und auch eine den Anforderungen des Leistungssports angepasste Krankenversicherung selbstverständlich. Dass die VdV ihre Kompetenzen im Frauenfußball bisher nicht einsetzt, liegt auch daran, dass Frauen dort kein Stimmrecht genießen.
Gewerkschaft ohne Tarifverhandlungen
Die fehlende Stimmberechtigung von Frauenfußballerinnen begründet die VdV auf Anfrage auch mit dem mangelnden Professionalisierungsgrad der Frauen-Bundesligen. Sollte sie trotzdem Tarifverhandlungen aufnehmen, laufe die VdV Gefahr, "ihre Tariffähigkeit und somit den Gewerkschaftsstatus zu gefährden".
Allerdings gehören Tarifverhandlungen nicht zum Kerngeschäft der Gewerkschaft, denn in den 36 Jahren seit ihrer Gründung hat sie noch nie welche geführt. Und obwohl erklärtes Satzungsziel der VdV, werden sie durch die Lage der Arbeitsbeziehungen im Profifußball verhindert.
Wenig Aussicht auf Besserung
Laut Tarifvertragsgesetz sind Tarifverhandlungen nur zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbänden möglich, die auf freiwilliger Mitgliedschaft beruhen. Dies trifft aber weder auf den DFB, noch die DFL zu, denn die dortige Mitgliedschaft ist für Vereine verpflichtend. Einen separaten, "freiwilligen" Arbeitgeberverband zu gründen, wäre für beide möglich.
Professor Berndt Keller, der langjährig zu Arbeitsbeziehungen im und außerhalb des Sports geforscht hat, hält das allerdings für unwahrscheinlich: "Es ist wie beim Tango, es braucht zwei. Und es gibt keinen Arbeitgeber, der sich ohne Not einem Tarif unterwirft." Und auch die ungleiche Interessenlage der Spieler und ihrer Klubs, die sich jüngst noch in der DFL-Investorenfrage zeigte, lässt eine solche Lösung wenig aussichtsreich erscheinen.
Erfolglose Gespräche
Im Frauenfußball ist die Lage eine andere: Die finanziellen Unterschiede bei Klubs und Spielerinnen sind zwar offensichtlich, doch der Verbesserungsbedarf bei Kernthemen wie Vertragslaufzeiten, Trainingsbedingungen und medizinischer Versorgung ist allgegenwärtig.
Vertreterinnen des Frauenfußballs forderten nicht nur deshalb in Gesprächen mit der VdV ihre aktive Beteiligung in der Gewerkschaft ein - letztlich jedoch erfolglos. Seit einiger Zeit arbeitet eine Gruppe, zu der auch Almuth Schult gehört, am Aufbau einer eigenen Interessensvertretung für den Frauenfußball.
Arbeitskampf mit Hindernissen
In diesem Jahr soll ein Bündnis aus der Taufe gehoben werden, das für Besserung kämpfen soll. Doch der Weg erscheint steinig, nicht zuletzt aufgrund der hohen Auslastung der Spielerinnen. Viele arbeiten in mehreren Jobs, sodass kaum Zeit für Mittelakquise und Organisation bleibt. Das hat bereits dazu geführt, dass die Gründung von 2023 auf 2024 verschoben werden musste.
2024 wird entscheidend
Die Erfolge von Gewerkschaften in Spanien oder auch den USA sollten Rückenwind geben für die neue Interessensvertretung. Das neue Jahr wird zeigen, ob sich ausreichend Spielerinnen der Frauen-Bundesligen der Interessenvertretung anschließen, um bessere Arbeitsbedingungen zu erstreiten.
Zumindest Almuth Schult will nichts unversucht lassen: "Streiks sind bei uns vorerst kein Thema. Aber man hat in anderen Ländern gesehen, dass sie etwas bewirken können."