Olympia 2024 in Paris Das IOC, die Ukraine und Russland: Eine Bilanz
IOC-Präsident Bach tritt 2025 ab. Ein prägendes Thema der vergangenen Jahre war der Ukrainekrieg und der Umgang mit Russland. Welche Erkenntnisse brachten die Spiele in Paris?
Dass IOC-Präsident Thomas Bach sein Amt im nächsten Jahr nach zwölf Jahren auf dem olympischen Thron niederlegt, war eigentlich Formsache. Bach war selbst einer derjenigen gewesen, die vor knapp 20 Jahren für die Einführung einer solchen Schranke nach zwei Amtszeiten plädiert hatten. Nach der IOC-Session im Oktober 2023 machte er jedoch Anstalten, noch ein paar Jahre dranzuhängen - zahlreiche Mitglieder regten eine dafür nötige Änderung der Charta an.
Vergebliche Neutralität
In seiner Rede zum Abschluss der IOC-Session am Samstag (10.08.) verkündete Bach nun, dass er getreu der Statuten 2025 abtreten würde. Es sei Zeit für frischen Wind und er nicht mehr der Richtige, um die Herausforderungen des Hier und Heute zu bewältigen - neben Digitalisierung und dem Klimawandel nannte er dabei explizit die heikle weltpolitische Lage. Bach hatte als Präsident des IOC immer dessen politische Neutralität betont. Spätestens der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine zeigte, dass eine solche Position mit der Realität nicht vereinbar ist.
Viele Jahre hatte es Kritik gegeben an seiner persönlichen Nähe und am nachgiebigen Umgang des IOC mit Russland. Trotz wiederholtem, staatlich unterstütztem Doping von Athleten waren immer große russische Kontingente zu Olympischen Spielen angereist. Für Paris 2024 hatte das IOC im Vorfeld 40 russische Athleten unter der Bedingung eingeladen, dass ein unabhängiges Prüfungskomitee sie bezüglich der Ausschlusskriterien Zugehörigkeit zum Militär oder der Unterstützung des Kriegs in der Ukraine entlastet. Am Ende kamen - auch weil einige russische Verbandspräsidenten ihren Athleten die Teilnahme untersagten - nur 15, die unter neutraler Flagge starteten.
Ukrainische Sportler mit besonderer Mission
Für die ukrainische Delegation, die kleinste, die das Land je bei Olympischen Spielen repräsentiert hat, war der Krieg auch in Paris allgegenwärtig. Für zwei Wochen sollte der Fokus der Athleten auf dem Sport liegen, mit zwölf Medaillen schien das ganz gut zu gelingen.
Drei davon waren in Gold, die letzte holte der Boxer Oleksandr Khyzhniak am Donnerstag, als er sich gegen den favorisierten Kasachen Nurbek Oralbay zum Olympiasieger krönte. Er betonte danach die besondere Mission seiner Delegation bei den Spielen von Paris: “Ich bin stolz darauf, mein Land in diesen Zeiten vertreten zu können. Natürlich freue ich mich sehr, dass es mir gelungen ist, Gold für alle zu gewinnen, für die gesamte Ukraine und für alle Ukrainer.”
In Paris wurde deutlich, dass die ukrainischen Sportler ihre Aufgabe vor allem darin sahen, die Moral in der vom Krieg gezeichneten Heimat zu stärken. So auch Olha Charlan, die aus Mykolajiw kommt, einem Ort weniger als 100 Kilometer entfernt von der russischen Front im Osten der Ukraine. Charlan ist zuhause bekannt und beliebt, wegen ihrer sportlichen Erfolge, aber auch darüber hinaus. Sie gewann in Paris Bronze im Säbelfechten, aber die eigentliche Krönung folgte im Mannschaftsfinale. Im Duell mit Südkorea gewann Charlan das entscheidende Gefecht, danach widmeten auch sie und ihre Kolleginnen die Goldmedaillen den Soldaten und Familien in ihrer Heimat.
Rückkehr in ein kaputtes Land
Nach der Abschlussfeier am heutigen Sonntag kehren viele der 140 Athleten und Athletinnen nun zurück in die bittere Realität des Krieges, der auch rund 500 ukrainischen Sportlern und Trainern bereits das Leben gekostet hat. Manchen als Soldaten, manchen als Opfer der regelmäßigen Raketenangriffe auf ukrainische Städte. Obwohl die Ukraine in der vergangenen Woche in Kursk erstmals eine Offensive auf russischem Boden unternommen hat, hält das Militär den russischen Angriffen im Osten nur mit Mühe stand.
Auch Zhan Beleniuk wird zurückkehren, dann wieder in seiner Funktion als Abgeordneter des Parlaments. Seit 2019 sitzt er dort als Politiker der Regierungspartei Sluha narodu, nach einer langen Ringerkarriere, die ihn für einige Jahre auch in die deutsche Bundesliga führte.
Nach den Spielen in Tokio 2021, bei denen er als einziger ukrainischer Athlet Gold gewann, war er eigentlich bereit, aufzuhören. Doch sein Trainer überzeugte ihn davon, noch einmal in Paris anzutreten, auch wenn die Vorbereitung inmitten der Agonie des Krieges nicht einfach war: “Immer, wenn die Raketen flogen, mussten wir wieder in den Luftschutzkeller. Man denkt ständig daran, wie man sich und seine Verwandten und Freunde in Sicherheit bringen kann.” Nach seinem letzten Ringkampf in Paris, der ihm eine Bronzemedaille bescherte, legte er seine Schuhe auf die Matte und erklärte seine sportliche Karriere für beendet.
Zhan Beleniuk beendete bei den Spielen in Paris seine Karriere. Er kehrt als Mitglied des ukrainischen Parlaments in seine Heimat zurück.
IOC und Russland im Clinch
Der Krieg in der Ukraine geht weiter. Das IOC hat in Paris versucht, seine nach Beginn des Kriegs erklärte Solidarität mit dem Land zu vereinbaren mit einer Teilnahmechance für Russen, die mit dem Krieg nichts zu tun haben. Die enge Verstrickung zwischen Sport und Staat lässt allerdings Zweifel daran, dass eine solche Trennung möglich ist. Das Verhältnis zwischen IOC und Russland war wohl noch nie so schlecht wie heute. Russische Politiker und Sportfunktionäre sprechen von einer Verschwörung gegen sie und stellen immer wieder die Legitimität des IOC in Frage. Wie sich die Ausrichter der Spiele in Zukunft in der Russland-Frage verhalten, wird vom weiteren Verlauf des Kriegs abhängen - und davon, wer Bach im nächsten Jahr an der Spitze ablöst.