FIFA WM 2022 Spaniens Trainer Enrique - der Vater, der wieder lachen kann
Luis Enrique weiß, wie schwer das Leben sein kann. Trotzdem - oder gerade deshalb - verbreitet er viel Lebensfreude. Spaniens Nationalspieler sehen in ihm eine Vaterfigur und folgen seinem Plan bedingungslos.
Am 27. November wäre Xana 13 Jahre alt geworden. Es war der Tag, an dem Spanien gegen Deutschland spielte. Luis Enrique, 52, hatte vor der Partie ein Video bei Instagram hochgeladen. "Meine Liebe, dorthin, wo du bist, viele Küsse und dass du einen großartigen Tag hast." Nach dem 1:1 sagte er: "Es war ein spezieller Tag für mich, für meine Familie. Kein Zweifel. Sie ist jeden Tag präsent für uns."
Enriques jüngste Tochter 2019 verstorben
Xana ist Enriques jüngste Tochter. Sie verstarb 2019 nach einem fünfmonatigem Kampf an einem Knochentumor. Am Tag ihres Todes schrieb er bei Twitter: "Wir werden dich sehr vermissen, aber wir werden uns jeden Tag unseres Lebens an dich erinnern, in der Hoffnung, dass wir uns in der Zukunft wiedersehen werden. Du wirst der Leitstern unserer Familie sein."
Enrique war vor der Diagnose Spaniens Nationaltrainer gewesen, trat dann zurück. Drei Monate nach ihrem Tod kehrte er auf die Trainerbank der "Selección" zurück. "Der Fußball ist meine Passion, mein Leben", sagte er.
Die spanischen Spieler sind von Luis Enrique begeistert
Enriques Leidenschaft zeigt sich auch in seinem Perfektionismus, der ihn immer wieder auf neue Ideen bringt. In der Vorbereitung auf die WM in Katar hatte er seinen Spielern vor einem Training Funkempfänger am Rücken befestigt. Von einem Gerüst aus gab er ihnen mit einem Walkie-Talkie Anweisungen, wie sie sich zu bewegen hatten. Von oben konnte er die Laufwege überblicken und durch die Funkverbindung musste er nicht schreien.
Dani Olmo, der Spaniens Angriffe dirigert, hat kürzlich gesagt: "Ich habe viele gute Trainer gehabt, wie Nagelsmann, von dem ich viel gelernt habe. Aber Luis Enrique ist nochmal ein anderes Niveau." Er sei nahbar, erkläre alles auf den Millimeter genau bis zur Perfektion, die Spieler hätten nie Zweifel, wie sie zu spielen hätten. Flügelspieler Ferran Torres sagte: "Er ist wie unser Vater."
Für Lob ist Enrique aber nicht besonders empfänglich. "Lob schwächt", sagte er nach dem 7:0 gegen Costa Rica. Er fühle sich wohler, wenn es Probleme zu diskutieren gebe.
Enrique war ein Weltklasse-Spieler
"Lucho", wie er in Spanien genannt wird, ist in der Hafenstadt Gijón geboren. Dort begann er mit dem Fußballspielen. Er war ein offensivstarker Mittelfeldspieler, der bekannt dafür war, in die Spitze zu stoßen. 1991 wechselte er zu Real Madrid und gewann in seinen fünf Jahren bei den "Königlichen" die Meisterschaft und den Pokal.
Dann verstieß er gegen ein Gebot und wechselte zum Erzrivalen FC Barcelona. Trotz dieses Sakrilegs entwickelte er sich zum Liebling der Fans und holte zwei Meistertitel, zwei Mal den spanischen Pokal und 1997 den Europapokal der Pokalsieger. Für die Nationalelf machte er 62 Spiele - ein Titel war ihm nicht vergönnt.
Als Trainer ist er stur, aber nie planlos
Er ist immer noch so drahtig wie damals - und immer noch so ehrgeizig. Bei Barcelonas zweiter Mannschaft begann er als Trainer. Nach Stationen bei AS Rom und Celta Vigo übernahm er die Erste des FC Barcelona. In seiner ersten Saison wurde die Mannschaft Meister, Pokal- und Champions-League-Sieger. Enrique scheute sich nicht, selbst Lionel Messi auf die Bank zu setzen.
Er kann stur sein, eigenbrötlerisch. Die spanische Sportzeitung "Marca" hat ihn vor der WM halb als Teufel, halb als Engel abgebildet. Was ihm allerdings niemand vorwerfen kann, ist Planlosigkeit. Enrique will mit den jungen, hochtalentierten spanischen Spielern wie Gavi, Pedri, Torres und Olmo eine Ära prägen.
Spaniens Mannschaft - ein Chor ohne Startenöre
Er hat eine ballsichere und spielstarke Mannschaft geschaffen, die wie ein guter Chor funktioniert: Jeder kennt seine Rolle, bringt seine Stärken ein, und aus der gemeinsamen Arbeit entsteht ein vielstimmiges Kunstwerk. Enriques Chor kommt ohne Startenöre wie Mbappé, Messi oder Neymar aus.
"Wir haben vielleicht keinen Spieler, der 30 Tore macht. Aber wir haben viele Spieler, die Tore schießen können. Wir kommen im Verbund zum Tor", sagt Enrique.
Der "Mister" kann auch sehr lustig sein
Nach der Niederlage gegen Japan, die das Weiterkommen als Zweiter bedeutete, sagte er, dass er niemals eine Niederlage feiere. "Ich bin nicht glücklich. Wir haben uns qualifiziert, aber ich hätte es bevorzugt, die Gruppe als Erster zu beenden." Das 1:2 solle eine Warnung sein. Den "Kollapsmodus" dürfe sich sein Team nicht mehr erlauben.
Der "Mister", wie ihn seine Spieler nennen, kann aber auch sehr lustig sein. In Livestreams bei Twitch tauscht er sich mit Fans aus. Neulich sagte er: "Wenn wir die WM gewinnen, dann werde ich alle Fragen beantworten, die ihr mir stellt, und die meisten werden sexuellen Inhalts sein. Ich beantworte sie alle."
Und wie er reagieren würde, wenn Ferran Torres, der Freund seiner älteren Tochter Sira Martinez, ein Tor mit einem Schnuller-Jubel feiern würde? "Dann würde ich ihn auf der Stelle auswechseln, auf die Tribüne setzen und er würde den Rasen nicht mehr betreten."
Spaniens Ziel ist das WM-Finale
Bei der EM 2021, seinem ersten großen Turnier als Nationaltrainer, kam Spanien bis ins Halbfinale. Gegen Italien verlor die Mannschaft im Elfmeterschießen, obwohl sie zuvor klar besser gewesen war.
Marokko gegen Spanien live in der Sportschau
Diesmal soll es weiter gehen. Vor dem WM-Achtelfinale gegen Marokko (06.12., 16.00 Uhr, live bei sportschau.de) sang er auf Instagram, wo er 173.000 Follower hat, für seine Fans einen Song des spanischen Reggaeton-Sängers Quevedo. Er heißt: "Quedate" - "Bleib". "Mal sehen, ob wir bis zum Finale bleiben", sagte Enrique: "Das ist unser Ziel."