FIFA WM 2022 Hugo Lloris - Frankreichs Spider-Man im WM-Tor
Hugo Lloris wird mit einem Einsatz im WM-Achtelfinale gegen Polen zu Frankreichs Rekordspieler. Dennoch halten den Torhüter, der mit Spider-Man verglichen wird, nicht alle für Weltklasse.
Im modernen Fußball, in dem jedes noch so unwichtige Detail in einer Statistik auftaucht, gibt es unüberschaubar viele Ranglisten, die von unüberschaubar vielen Spielern angeführt werden. Viele Rekorde sind genauso schnell vergessen, wie sie aufgestellt wurden. Manche aber bleiben aufgrund ihrer Bedeutung im Gedächtnis. Dieser ist so einer.
Rekordspieler - Lloris kann mit Thuram gleichziehen
Wenn Hugo Lloris, Kapitän der französischen Nationalelf, im Achtelfinale gegen Polen (04.12.2022, 16.00 Uhr) im Tor steht, und davon ist auszugehen, dann hat er gemeinsam mit Lilian Thuram die meisten Länderspiele für Frankreich gemacht, nämlich 142. "Rekordspieler" wird er dann genannt, ein Titel, den in Deutschland Lothar Matthäus (150) inne hat und bei dessen Erwähnung immer etwas Erhabenes mitschwingt.
Didier Deschamps, Frankreichs Nationaltrainer, hat das auf der Pressekonferenz vor dem Spiel so erklärt: "Manche Rekorde sind wichtiger als andere. Und dieser ist schon ein sehr wichtiger. Denn er ist Zeugnis einer langen und professionellen Karriere." Er ist auch Zeugnis davon, über Jahre hinweg auf hohem Niveau gespielt zu haben, anders würde in der "Grande Nation" niemand Rekordspieler werden. Nur als Einordnung: Lloris hat, was diese Statistik angeht, Granden wie Zinédine Zidane (108), Marcel Desailly (116) und Thierry Henry (123) deutlich hinter sich gelassen.
Lloris wird oft mit Spider-Man verglichen
Deschamps übrigens hat 103 Länderspiele gemacht, 54 als Kapitän. Auch in dieser Statistik hat ihn Lloris überholt: Der mittlerweile 35-jährige Torhüter ist seit mehr als einem Jahrzehnt Spielführer, gegen Polen wird er "Les Bleus" zum 119. Mal aufs Feld führen. Auch das ist Rekord.
Lloris wird nicht selten mit Spider-Man verglichen, weil seine Flugeinlagen besonders geschmeidig sind und er mit seinen langen und flinken Armen auch Schüsse aus kurzer Entfernung reaktionsschnell abwehrt. "Offiziell" verpasst hat ihm diesen Namen einmal der frühere Tottenham-Torwartcoach Christophe Lollichon.
Bei OGC Nizza, dem Verein aus seiner Geburtsstadt, wurde er als 19-Jähriger Stammkeeper. Mit Olympique Lyon gewann er den französischer Pokal. Bei Tottenham Hotspur, wo er seit 2012 spielt, hat er sich nach anfänglichen Schwierigkeiten als Nummer eins etabliert und stand 2019 im Champions-League-Finale gegen Liverpool (0:2).
Ist Hugo Lloris ein Weltklasse-Torhüter?
Zu seiner Geschichte gehört aber auch, dass ihn nicht alle für einen Weltklasse-Torhüter halten. Rio Ferdinand beispielsweise, ehemaliger englischer Nationalverteidiger, hat ihm dieses Prädikat einst abgesprochen. Kritiker werfen Lloris vor, trotz seiner 1,88 Meter den Strafraum nicht zu beherrschen und zu viele Fehler zu machen - wie etwa im WM-Finale 2018, als er vor dem zweiten Tor der Kroaten den Ball vertändelte.
Dass er ansonsten ein tadelloses Turnier gespielt, sein Team im Halbfinale gegen Belgien mehrfach vor Gegentreffern bewahrt hatte und damit maßgeblich für den Titel war, gerät hin und wieder bei seiner Bewertung in Vergessenheit.
Hugo Lloris - ein nüchterner Typ
Womöglich liegt das auch daran, dass Lloris kein Spieler ist, der mit seinen Erfolgen prahlt. Er gilt als nüchtern und kontrolliert, will am liebsten in Ruhe gelassen werden. Besonders angenehm dürfte ihm es deshalb auch nicht gewesen sein, als er vor der WM in Katar gefragt wurde, ob er die "One Love"-Binde tragen wird. Er hatte das abgelehnt, weil er dem Gastgeber "Respekt" erweisen wolle.
"Wenn wir ausländische Besucher in Frankreich willkommen heißen, möchten wir oft, dass sie unsere Regeln und unsere Kultur respektieren. Das werde ich auch tun, wenn ich nach Katar fahre", sagte er sachlich.
Katar ist seine vierte WM, dazu war er bei drei Europameisterschaften. Die Krönung war der WM-Titel 2018. Seinen bevorstehenden Rekord hat er erstmal lachend abgetan. "Das ist nichts", sagte er auf der Pressekonferenz: "Ich fühle mich sehr geehrt und sehr stolz. Über den Rekord freue ich mich nach einem hoffentlich erfolgreichen Turnier."