FIFA WM 2022 WM-Debütant Dani Olmo - Spaniens Raumdeuter
Wenn die DFB-Elf gegen Spanien das WM-Aus verhindern will, muss sie vor allen Dingen auf einen Spieler achten: Dani Olmo. Als falsche Neun dirigiert der Leipziger Spaniens Angriffe.
Es war ein kurzer Moment, der Dani Olmo fast die WM 2022 gekostet hätte. Anfang September spielte RB Leipzig gegen Eintracht Frankfurt. In der elften Minute ging Olmo nach einem Zweikampf mit schmerzverzerrtem Gesicht zu Boden. Das Innenband im Knie des Spaniers riss - aber nicht vollständig.
"Ich hatte auf jeden Fall Sorgen, die WM zu verpassen", sagte Olmo auf der Pressekonferenz vor dem Gruppenspiel gegen Deutschland: "Aber nach ein paar Tagen war klar, dass ich mich schnell wieder erholen würde. Ich fühle mich sehr gut. Ich bin bereit für alles."
Dreh- und Angelpunkt der spanischen Offensive
Was das bedeutet, konnte man bereits beim 7:0-Sieg der Spanier gegen Costa Rica sehen. Olmo spielte beeindruckend, war Dreh- und Angelpunkt der spanischen Offensive - und wird so der ohnehin schon anfälligen deutschen Verteidigung vor dem entscheidenden Gruppenspiel den ein oder anderen Albtraum bereiten.
Dani Olmo - die Renaissance der falschen Neun
Denn Olmo schafft es wie nur wenige auf der Position zu spielen, die gerne falsche Neun genannt wird. Also als zentraler Stürmer, der sich fallen lässt, die Zwischenräume bearbeitet und meist mit viel kreativer Freiheit ausgestattet ist.
Seit Pep Guardiola als Barcelona-Coach diese Rolle an Lionel Messi gegeben und in der Fußballwelt bekannt gemacht hat, haben sich schon zahllose Trainer und begabte, flinke Offensiv-Kräfte an ihr versucht und sind mehrheitlich gescheitert. Nur eingeschränkt erfolgreich glückte das beispielsweise dem deutschen Bundestrainer Hansi Flick und Kai Havertz auf der "Neun" im Spiel gegen Japan.
Dani Olmo - ein Vorbild fürs deutsche Spiel?
Anschauungsmaterial, wie die "falsche Neun" doch gelingen kann, finden die beiden, wenn sie sich noch einmal Olmos Spiel gegen Costa Rica anschauen: Wie er den Raum zwischen zentraler Abwehr und Mittelfeld bespielte und sich so der Bewachung der physisch überlegenen Innenverteidiger entzog.
Wie er immer wieder abtauchte, um plötzlich wieder genau dort aufzutauchen, wo es gefährlich wurde.
Wie er sich im Spielaufbau fallen ließ, um mit Sergio Busquets, Gavi und Pedri eine Überzahl im Mittelfeld herzustellen und sich dann rechtzeitig nach vorne orientierte, um den entscheidenden Pass zu geben oder selbst abzuschließen.
Das 1:0 als Blaupause für den verkappten Sürmer
Genau das zeigte er bei seinem Tor zum 1:0 gegen Costa Rica, das den Weg für Spaniens überzeugenden 7:0-Sieg ebnete: Während Spaniens Außenstürmer und Costa Ricas Innenverteidiger in den Strafraum sprinteten, bewegte sich Olmo in die andere Richtung. Zwei Schritte zurück, um als Anspielstation zu fungieren, ein Pass zu Gavi und dann der Sprint dorthin, wo die Innenverteidiger schon waren.
Das Tempo, das Olmo hatte, als der Chip-Ball von Gavi zu ihm kam, konnten die Abwehrspieler gar nicht mehr aufnehmen. Mit einer technisch starken Ballannahme und einem guten Abschluss überwand er Keeper Keylor Navas und zeigte kondensiert das ganze Repertoire, das man als falsche Neun aufbieten muss.
Vielseitiger Spieler auf allen Positionen
Es ist kein Zufall, dass Olmo in dieser Rolle aufgeht. Der Leipzig-Spieler kann in der Offensive alles spielen. Bei Leipzig und in der Nationalmannschaft kam er schon im zentralen Mittelfeld, im offensiven Mittelfeld, als Linksaußen, Rechtsaußen und Mittelstürmer zum Einsatz und hat damit genau die Qualifikationen, die eine falsche Neun braucht.
Von "La Masia" über Zagreb nach Leipzig
Dabei kommt ihm zugute, dass er die FC-Barcelona-Schule bestens kennt. Olmo wurde in Terrassa geboren, dem Ort, aus dem auch Xavi Hernández kommt. Keine 20 Minuten von der katalanischen Hauptstadt Barcelona entfernt wuchs er auf. Mit neun Jahren wechselte er in die berühmte Fußballschule "La Masia". Dort galt er als Musterschüler unter den vielen Talenten.
Doch anstatt wie viele andere Teenager am Traum vom Durchbruch beim FC Barcelona festzuhalten, ging Olmo einen ungewöhnlichen Weg. Mit 16 Jahren wechselte er zu Dinamo Zagreb und spielte dort im selben Alter sein erstes Profispiel, reifte in seiner Entwicklung und wechselte mit 22 Jahren zu RB Leipzig, wo er zum Nationalspieler und auch dort schließlich zum Leistungsträger wurde.
Deutschland und Spanien - zwei Mannschaften mit ähnlicher Mentalität
Vor dem Spiel gegen seine berufliche Heimat war Olmo ein begehrter Gesprächspartner, um die Unterschiede und Gemeinsamkeiten der beiden Kontrahenten zu erklären: "Wir spielen mit dem Ball. Wir tun weh, wenn wir den Ball haben. Wir wollen den Ball. Das ist unsere Mentalität. Das ist auch die Mentalität von Deutschland und deswegen wird das eine harte Partie", sagte der Wahl-Leipziger und fügte an: "Du kannst Deutschland nie abschreiben. Besonders jetzt, wenn sie gewinnen müssen."
Mit seinem Leipziger Teamkollegen und kommenden Gegner Lukas Klostermann habe er nur kurz Kontakt gehabt, erzählte Olmo: "Nichts Großes. Ich habe ihm viel Glück gewünscht, er mir auch und wir haben uns gewünscht, dass es eine schöne Partie wird." Falls es eine solche wird, wird Olmo sicherlich einen gewaltigen Anteil daran haben.