FIFA WM 2022 Kroatien - Kampfkraft und die "Krake von Zadar"
Kroatien trifft im Viertelfinale der WM 2022 auf Brasilien. Gegen Japan bewiesen Luka Modric und Co. einmal mehr Widerstandsfähigkeit und Coolness. Verlängerungen und Elfmeterschießen liegen den Südosteuropäern.
Natürlich stand Dominik Livakovic nach dem Viertelfinaleinzug Kroatiens bei der WM 2022 in Katar im Mittelpunkt. Der in seinem Heimatland nach dem Krimi gegen Japan (1:1, 3:1 i. E.) als "Krake von Zadar" titulierte Keeper hatte im Elfmeterschießen drei von vier gegnerischen Versuchen pariert und so seiner Mannschaft den Weg unter die besten Acht des Turniers geebnet.
Livakovic schrieb mit seiner Performance WM-Geschichte und reihte sich in eine illustre Runde ein. Der Profi von Dinamo Zagreb war nach Portugals Ricardo 2006 gegen England und seinem kroatischen Landsman Danijel Subasic 2018 gegen Dänemark überhaupt erst der dritte Torhüter, der drei Elfmeter in einem einzigen WM-Elfmeterschießen parierte.
Livakovic: "Das beste Match meines Lebens"
Am Tag nach dem Viertelfinaleinzug war Livakovic ein gefragter Gesprächspartner. "Natürlich war dies das beste Match meines Lebens und einer der schönsten Momente in meiner Karriere", sagte der 27-Jährige am Dienstag (06.12.2022) selbst zu seiner Leistung.
Erfolgsgeheimnis: "Instinkt und Analyse"
Abends vorher, direkt nach dem Japan-Spiel, hatte er seine Großtaten noch nicht so hoch hängen wollen. "Es ist mehr der Instinkt und eine Analyse der Schützen", hatte der 27-Jährige zu seinem Erfolgsgeheimnis gesagt, um dann lapidar hinzuzufügen: "Das ist alles. Ein Elfmeterschießen ist immer eine unsichere Sache und riskant."
In der kroatischen Presse wurde Livakovic jedenfalls gebührend gefeiert. Dabei hatte diese den Keeper von Dinamo Zagreb bislang gar nicht als Elferkiller auf der Rechnung gehabt. "Uns war gar nicht bewusst, dass es sich um einen weiteren Elfmeterspezialisten handelte", schrieb die Tageszeitung "Slobodna Dalmacija".
Livakovic überzeugte schon im Training
Dass Livakovic zu Kroatiens Geheimwaffe werden könnte, hätte sich aber durchaus erahnen lassen, hatte er doch vorher schon 14 von 54 Elfmetern in seiner Laufbahn entschärft - eine mehr als ordentliche Quote. Auch im Training vor dem Japan-Spiel, so berichtete Verteidiger Dejan Lovren, habe der Schlussmann "fast alle Elfmeter" gehalten und die Feldspieler zur Verzweiflung gebracht.
"Die Tradition von vor vier Jahren fortgesetzt"
Es ist Livakovics erste WM als kroatischer Stammkeeper. Wie man auf der Weltbühne glänzt, konnte er sich bereits 2018 in Russland anschauen. Damals war er als Ersatztorwart dabei, als sein Kollege Subasic auftrumpfte. Nun lief er selbst zur Hochform auf.
"Wir haben die Tradition von vor vier Jahren fortgesetzt", sagte er. Damals war Kroatien sowohl im Achtel- als auch im Viertelfinale nach Elfmeterschießen weitergekommen.
In der Runde der letzten 16 gegen Dänemark glänzte Subasic im "Shootout" und parierte gegen Christian Eriksen, Lasse Schöne und Nicolai Jörgensen. Am Ende gewann Kroatien mit 4:3 (1:1, 3:2 i. E.).
WM-Elfmeterschießen immer gewonnen
In der Runde der besten Acht setzten sich die Südosteuropäer anschließend gegen Gastgeber Russland durch. Subasic parierte gegen Fedor Smolov, Mario Fernandes schoss für die Russen am Tor vorbei - nach einem 2:2 und einem 4:3 im Elfmeterschießen standen die Kroaten im Halbfinale.
Die Reise war damit noch nicht beendet. In der Runde der besten Vier gegen England ging es für Modric, Subasic und Co. erneut in die Verlängerung. Die Kroaten rannten und kämpften bis zur letzten Spielminute um ihr Leben. Letztlich waren sie der Spielverderber für den favorisierten Gegner und setzten sich mit 2:1 durch. Erst im Finale stoppte Frankreich durch das 4:2 die Kroaten, die bei den drei Krimis vorher auch einiges an Kraft gelassen hatten.
Kroatien mit langem Atem
2022 scheint es genau so weiterzugehen. Das Duell gegen Japan war für Kroatien das vierte in Serie in der K.o.-Runde einer WM, in dem man in die Verlängerung musste, sich aber final durchsetzte.
Auch deshalb, weil die Mischung stimmt. Der Kader kennt sich weitgehend und spielt bereits seit langem zusammen. Routiniers wie der 37-jährige Modric, Ivan Perisic (33), der gegen Japan den 1:1-Ausgleich in der regulären Spielzeit erzielt hatte, Dejan Lovren (33), Marcelo Brozovic (30), Andrej Kramaric (31), Mateo Kovacic (28) oder Marco Pasalic (27) sind international erfahren und haben schon viele Schlachten geschlagen.
Eine Mischung aus jung und alt
Sie führen die jüngeren Spieler wie etwa Josko Gvardiol von RB Leipzig (20 Jahre alt), Borna Sosa vom VfB Stuttgart (24), Lovro Majer (24) oder Nikola Vlasic (25) an. Eine gesunde Mischung, die Kroatien stark macht und die sie in Katar in die Runde der besten Acht geführt hat.
Zum dritten Mal stehen sie in der K.o.-Runde des Turniers. 1998 wurden sie am Ende Dritter, vor vier Jahren in Russland Zweiter. Und diesmal?
Zunächst wartet im Viertelfinale mit Brasilien der Rekordweltmeister (09.12.2022, 16 Uhr, live im Audiostream bei sportschau.de). Kroatien geht zwar als Außenseiter, aber mit breiter Brust in das Duell mit einem absoluten Titelfavoriten.
"Gebt uns auch diese schrecklichen Brasilianer"
Livakovic, dessen Leistung Kapitän Modric nach der Partie gegen Japan ein "Wunder" genannt hatte, wird dann wieder im Mittelpunkt stehen. Nach seinem Auftritt gegen Japan gilt er als Hoffnungsträger eines ganzen Volkes. "Gebt uns auch diese schrecklichen Brasilianer, es gibt keine Angst, wenn jemand aus Zadar in unserem Tor steht", schrieb die Boulevardzeitung "24 sata" mit Blick auf das Duell.
Für Nationaltrainer Zlatko Dalic ist die Selecao zwar "das stärkste Team bei der Weltmeisterschaft 2022". Vielleicht, so der Coach, wäre es besser, "wenn es das Finale wäre". Dennoch hätten er und seine Mannschaft "keine Angst. Wir werden nicht aufgeben".
Dalic warnt Brasilien
Dalic warnte die Brasilianer auch schon einmal: "Unterschätzt uns niemals. Wir sind eine kleine Nation, arbeiten hart und kämpfen für unsere Ziele."
"Nicht aufgeben", "hart arbeiten" und "für die Ziele kämpfen" - die perfekte Umschreibung für Kroatiens Fußball bei Weltmeisterschaften. Und genau das werden sie auch gegen die Selecao wieder tun. Sei es über 90 Minuten, über 120 Minuten oder darüber hinaus. Kroatien hat ja Erfahrung darin.