Italien ausgeschieden Südafrika schreibt beim Krimi in Wellington WM-Geschichte
Aufregender geht es nicht: Südafrikas Fußball-Nationalmannschaft hat in der Nachspielzeit den ersten Einzug ins Achtelfinale bei einer WM perfekt gemacht. Italien wurde spät geschockt - und muss sich einen neuen Coach suchen.
"Banyana Banyana" flippt im neuseeländischen Winter aus: Mit einem 3:2-Sieg gegen Italien kämpfte sich Südafrika am Mittwoch (02.08.2023) erstmals auf der Weltbühne in die K.o.-Runde. Zur Heldin wurde Top-Stürmerin Thembi Kgatlana, die in der Nachspielzeit einer dramatischen Partie das entscheidende Tor erzielte und Italien ins Tal der Tränen stürzte. Ihre Trainerin Desiree Ellis war nach dem Schlusspfiff völlig aus dem Häuschen: "Ich muss den Hut ziehen vor meinen Spielerinnen, sie waren einfach unglaublich. Wir haben vorher gesagt, dass wir nicht aufgeben. Und sie haben für diesen historischen Erfolg wie Kriegerinnen gekämpft."
Im Achtelfinale am Sonntag (06.08.2023, 4 Uhr MESZ, im Livestream bei sportschau.de) trifft Südafrika auf die Niederlande.
Italien hätte ein Punkt zum Weiterkommen gereicht
Dabei lief zunächst alles rund für die "Azzurre", die früh durch einen Elfmeter von Arianna Caruso in Führung gegangen waren (11.). Ein Eigentor von Benedetta Orsi brachte Südafrika vor der Pause zurück ins Spiel (32.). Nach dem Wechsel drängten die Afrikanerinnen auf das 2:1, Hildah Magaia traf (67.). Doch wie gewonnen so zerronnen, weil Caruso nach einer Ecke auf 2:2 stellte (74.). Der Punkt hätte Italien gereicht, weil Argentinien im Parallelspiel gegen Schweden verlor. Den Schlusspunkt aber setzte Kgatlana, die zum vielumjubelten 3:2 einschob (90.+2).
Italiens Trainerin Milena Bertolini kündigte nach dem WM-Aus ihren Abschied an. Sie wird demnach ihren Ende August auslaufenden Vertrag nicht verlängern. "Abgesehen von der Niederlage hoffe ich, dass ich im Frauenfußball in Italien ein Erbe hinterlasse", sagte die 57-Jährige, die "Le Azzurre" seit 2017 betreut hatte.
Erst Elfmeter, dann krummes Eigentor
Etwas trostlos war beim Duell Italien gegen Südafrika nur der Blick auf die Ränge: Ins 36.000 Zuschauer fassende Areal von Wellington kamen lediglich 14.900 Fans. Mit dem Aus von Neuseeland hat auch die Fußballbegeisterung der Gastgeber deutlich nachgelassen.
Ärgerlich, denn das Spiel bot nicht nur aufgrund der Konstellation Zündstoff, sondern war auch durchaus unterhaltsam. Italien war direkt auf Betriebstemperatur und drängte die Südafrikanerinnen in die eigene Hälfte. Bei der frühen Führung half Karabo Dhlamini kräftig mit. Ihr Foul an der Strafraumkante gegen Chiara Beccari gehörte in die Kategorie "dämlich". Caruso war es herzlich egal. Die Italienerin ließ sich die Chance nicht nehmen und schoss zentimetergenau flach ins linke Eck: 1:0.
Der Rückstand war ein Weckruf für "Banyana Banyana". Mit einem Pfostenknaller aus dem Hinterhalt ließ Robyn Moodaly Italien erstmals erstarren (20.). Bei frischen sieben Grad und einer steifen Brise liefen die Afrikanerinnen so langsam heiß und wurden beschenkt. WM-Debütantin Orsi überraschte Torfrau Francesca Durante mit einem Rückpass, der zum 1:1-Ausgleich ins eigene Tor kullerte. Es war das sechste Eigentor bei der WM in Down Under.
Italiens Benedetta Orsi traf erst ins eigene Tor und konnte dann die Vorlage zum 1:2 nicht verhindern.
Pfostenpech für Italien
Italien hatte fast die direkte Antwort parat: Chiara Beccari köpfte bei der aufs Gegentor folgenden Ecke an den Pfosten. Es blieb die letzte gute Chance für die Mannschaft von Trainerin Milena Bertolini in der ersten Halbzeit, weil sich die Südafrikanerinnen defensiv stabilisierten und sich auch vom einsetzenden Schneeregen im neuseeländischen Winter nicht beeindrucken ließen.
Südafrika dreht das Spiel
An der Situation in der Gruppe G hatte sich zur Pause also nichts geändert: Südafrika brauchte mindestens ein Tor, um weiter im Turnier zu bleiben. Alle Hoffnungen ruhten dabei auf Kgatlana. Die gefährliche Angreiferin wurde gesucht und mit langen Bällen gefüttert. Zum "Verspeisen" kam Kgatlana zunächst nicht, weil die italienische Defensive sauber abräumte und keine gezielten Abschlüsse zuließ: So zappelte in der 54. Minute nur das Außennetz.
Dafür glänzte Kgatlana als Vorbereiterin beim 2:1 von Magaia. Mit einem Antritt hängte die 27-Jährige ihre überforderte Bewacherin und Eigentor-Schützin Orsi ab, steckte herrlich auf Magaia durch, die aus acht Metern cool mit links verwandelte. Südafrika hatte das Spiel gedreht und nahm Kurs auf das Achtelfinale. Italien wirkte angeknockt. Einzig und allein Durante hielt ihre Mannschaft im Spiel. Die italienische Torhüterin tauchte nach dem Kopfball von Kgatlana ab und fischte den Aufsetzer aus dem Eck, der sonst zum vorentscheidenden 3:1 ins Tor geflogen wäre (71.).
Kgatlana wird zur Heldin
Unmittelbar nach dieser Topchance der Südafrikanerinnen köpfte Caruso Italien nach einer Ecke zurück ins Turnier. Ehe sie tatsächlich über das 2:2 jubeln konnte, vergingen aber viele Sekunden: Der Videoschiedsrichter hatte sich eingeschaltet, am Ende aber doch keine Regelwidrigkeit feststellen können.
In einer verrückten Schlussphase hatten beide Teams Topchancen, der große Auftritt blieb aber der besten Spielerin auf dem Rasen vorbehalten: Kgatlana traf in der Nachspielzeit zum 3:2. Nach mehr als 16 Minuten Zugabe war endlich Schluss und der historische erste Achtelfinaleinzug für "Banyana Banyana" perfekt.