Südafrikas WM-Heldin Thembi Kgatlana weint vor Glück und Schmerz
Mit ihrem Tor zum 3:2-Erfolg gegen Italien in der Nachspielzeit hat Thembi Kgatlana Südafrika erstmals in die K.o.-Runde einer Fußball-WM geschossen. Nach dem Spiel am Mittwoch (02.08.2023) ließ sie ihren Gefühlen freien Lauf - und berichtete anschließend von persönlichen Schicksalsschlägen.
In den Minuten nach dem Schlusspfiff spielten sich auf dem Rasen des Wellington Regional Stadiums herzzerreißende Szenen ab. Während die Italienerinnen enttäuscht und traurig im Nieselregen auf dem nassen Boden saßen und nach dem WM-Aus um Fassung rangen, sangen, hüpften und jubelten die Spielerinnen der "Banyana Banyana" über den Platz und die Fans tanzten auf der Tribüne. Sie ließen ihrer Freude über den sensationellen und historischen Erfolg für Südafrika freien Lauf. Mit dem Last-Minute-Sieg hatten sie in ihrer Vorrundengruppe Italien noch von Rang zwei verdrängt und den großen Traum vom WM-Achtelfinale wahr gemacht.
"Ohne dich sind wir nichts!"
Doch die Kameras der internationalen TV-Bildregie schwenkten von den Jubelszenen auf dem Spielfeld und den Rängen immer wieder in die Nähe der Mittellinie. Dort kniete und weinte Matchwinnerin Thembi Kgatlana mit gesenktem Kopf, sie schien mit dem Jubel um die herum rein gar nichts zu tun zu haben. Mitspielerinnen und Betreuer hockten sich hin, nahmen die 27-Jährige in den Arm, strichen über ihren Rücken und Kopf, und einer von ihnen flüsterte: "Ohne dich sind wir nichts!"
"Das ist ein so emotionaler Moment für mich"
Erst Minuten später stand die Schützin des 3:2-Siegtreffers, den sie auf Flanke von Hildah Magaia in der zweiten von insgesamt 16 Nachspielminuten erzielt hatte, vom Rasen auf. Und langsam mischte sich auch in ihr Gesicht ein vorsichtiges Lächeln. Im Fernsehinterview ließ Kgatlana dann einen Blick in ihre aufgewühlte Gefühlswelt zu: "Das ist ein so emotionaler Moment für mich."
In den letzten drei Wochen habe ich drei Familienmitglieder verloren. Ich hätte nach Hause fliegen können, aber ich habe entschieden, bei meinem Team zu bleiben. Das ist es, was es für mich bedeutet.
Zehn Monate Pause nach Achillessehnenriss
Die 27-jährige frühere Angreiferin von Atletico Madrid, die im April in die "30 unter 30"-Liste der "Forbes Afrika" aufgenommen wurde, hatte zuvor bereits eine lange persönliche Leidenszeit hinter sich. Im vergangenen Jahr riss ihr beim Afrika-Cup die Achillessehne, erst vor der Weltmeisterschaft kehrte sie nach zehn Monaten Pause endlich wieder für ihren Club Racing Louisville in den USA auf den Platz zurück.
"Ich bin zurück nach meiner schweren Verletzung, ich spiele für mein Land und für jedes Mädchen, das hier sein wollte, um für Südafrika Geschichte zu schreiben", sagte Kgatlana, die bereits beim 2:2 gegen Argentinien ein Tor erzielt hatte.
Stolz und Freude über den sportlichen Erfolg
Gegen Italien trug sie bei ihrer zweiten WM-Teilnahme in Vertretung für die verletzte Spielführerin Refiloe Jane die Kapitänsbinde, ging mit vollem Einsatz voran und traf dann kurz vor Schluss zum umjubelten Siegtreffer. "Wir haben gespielt, um Geschichte für Südafrika zu schreiben. Jede von uns verdient es, es war ein Teamerfolg. Alle sind glücklich - und ich bin es auch."
Mit der südafrikanischen Landesfahne um die Hüfte gewickelt stand die Stürmerin Minuten später in der Fankurve, machte Fotos, schrieb Autogramme und reckte beide Daumen in die Höhe. Der Stolz in ihrem Gesicht über den sensationallen sportlichen Erfolg war unübersehbar.
"Wir haben als Außenseiter nichts zu verlieren"
Am Sonntag (06.08.2023, 4 Uhr MESZ, im Livestream bei sportschau.de) wird Kgatlana wieder alles geben für die "Banyana Banyana", wenn es in Sydney im Achtelfinale gegen den haushohen Favoriten aus den Niederlanden geht. Dann gilt, was Afrikas "Fußballerin des Jahres 2019" bereits nach dem Spiel gegen Italien sagte: "Wir haben nichts zu verlieren. Die anderen haben mehr Druck, wir sind der Außenseiter." Diese Rolle scheint Kgatlana und ihrem Team zu liegen.