Europas Ligen Die gespaltene Opposition gegen die großen Klubs
Der europäische Ligenverband European Leagues galt als das Gegengewicht zur mächtigen Klub-Vereinigung ECA, wenn es beispielsweise um die Geldverteilung in der Champions League ging. Nun aber ist die spanische Liga aus dem Verband ausgetreten und unterstützt eine andere Organisation - die Opposition ist gespalten.
"Die European Leagues treffen nie Entscheidungen", kritisierte Javier Tebas, Präsident von Spaniens La Liga. "Das ist der Grund, warum die spanische Liga die European Leagues verlassen hat. Nach Amsterdam reisen, um eine Tasse Kaffee zu trinken? Es tut mir leid, da bleibe ich lieber in Madrid. Man gewinnt Kämpfe nur, wenn man kämpft."
Tebas, der in der Welt der Fußballfunktionäre selten diplomatische Worte wählt, sagte diese Sätze am 11. Oktober in Brüssel. Damals fand eine Veranstaltung der Union of European Clubs (UEC) statt, die künftig im Namen kleinerer Klubs ein Gegengewicht zur mächtigen Klub-Vereinigung (ECA) bilden will. Doch das war auch stets die Rolle der European Leagues. Nun zeigt sich, wie gespalten diese Opposition ist.
Javier Tebas, Präsident von Spaniens La Liga
"Das ist weder gut für La Liga noch für die European Leagues"
Die European Leagues, in denen sowohl die Deutsche Fußball Liga (DFL) mit der Bundesliga und der 2. Bundesliga als auch der Deutsche Fußballbund (DFB) mit der 3. Liga vertreten sind, trafen sich am Freitag (26.10.2023) in Lettlands Hauptstadt Riga zu ihrer Generalversammlung. Dabei wurde deutlich: Der Abgang der spanischen Liga hat Spuren hinterlassen, La Liga ist derzeit hinter der englischen Premier League die sportlich und finanziell zweitwichtigste nationale Liga Europas.
"Die Mitgliedschaft bei uns ist freiwillig", sagte Jacco Swart, Geschäftsführer der European Leagues, nach der Generalversammlung. "Tebas hat die Entscheidung getroffen, weil sich der Verband offensichtlich nicht so entwickelt hat, wie er es wollte. Viele unserer Mitglieder haben gesagt, dass das weder für La Liga noch für die European Leagues als Verband gut ist. Ich konzentriere mich nun auf unsere Mitglieder." Genau dabei gibt es nun viel zu tun, denn der Rückzug der spanischen Liga wirkt in viele Bereiche.
Jacco Swart, Geschäftsführer der European Leagues
Sitz der Ligen im UEFA-Exekutivkomitee bleibt vorerst leer
Die European Leagues haben Anspruch auf einen Platz im UEFA-Exekutivkomitee, dem mächtigsten Gremium im europäischen Fußball. Neben zahlreichen Vertreterinnen und Vertretern der Nationalverbände sitzen dort außerdem zwei Vertreter der ECA. Der Sitz der Ligen ist nun aber leer - denn es war Tebas, der zuletzt für die European Leagues im Exekutivkomitee saß. Tebas hat den Platz geräumt, auf der Seite der UEFA wird er schon seit Wochen nicht mehr gelistet.
Die Suche nach einem Nachfolger zeigt auch eine Spaltung innerhalb der European Leagues. Viele Ligen, darunter die Premier League, die Ligue 1 und die DFL agierten nach Informationen der Sportschau nicht nach den Wünschen von Tebas. Rund ein halbes Dutzend anderer Ligen steht wiederum auf der Seite des Spaniers, darunter Italien und Portugal. Die Nachfolge ist also eine politische Richtungsentscheidung.
Auf einen neuen Vertreter für das Exekutivkomitee einigte sich der Vorstand der European Leagues, dem mit Marc Lenz auch einer der beiden DFL-Geschäftsführer angehört, bislang nicht. Auch ein Präsident für die European Leagues, den es in der Struktur des Verbands zuletzt nicht gab und der möglicherweise die Vertretung in der UEFA übernehmen könnte, wurde nicht bestimmt. Die DFL wollte auf Anfrage der Sportschau keine Einschätzung zur Situation bei den European Leagues abgeben.
Marc Lenz, neben Steffen Merkel einer der beiden DFL-Geschäftsführer
Paradox: Ligenverband erreichte Ziele - und steckt nun in der Krise
Für die European Leagues entsteht eine paradoxe Situation. Auf der einen Seite hat sie zuletzt Erfolge verzeichnet. Die ECA, ohne die als mächtigste Interessenvertretung in der UEFA praktisch keine wesentliche Änderung durchgesetzt werden kann, stimmte einer neuen Geldverteilung im Europapokal zu. Dabei wird ab 2024 in etwa doppelt so viel Geld wie bisher an die Klubs in den Ligen gezahlt als bisher, mit diesem Geld soll die Lücke zwischen Groß und Klein in den nationalen Ligen verringert werden. Eine jahrelang vorgetragene Forderung der European Leagues wurde damit erfüllt. Gleichzeitig steckt der Ligenverband nun vor der schwierigen Aufgabe, seine Mitglieder wieder vereinen zu müssen.
Die neue Klub-Vereinigung UEC, die Tebas nach Informationen der Sportschau mit einer Anschubfinanzierung unterstützte, beanspruchte den Erfolg bei der Geldverteilung ebenfalls für sich. Konkurrieren die beiden Organisationen also? "Unsere Idee ist aus den European Leagues geboren, praktisch alle Ligen haben uns unterstützt", sagte Denis Gudasic, Geschäftsführer von Lokomotive Zagreb und Vorstandsmitglied der UEC, in Brüssel. Es bestehe ein gutes Verhältnis zu den European Leagues, betonte er. "Es ist unglücklich, dass es jetzt diese Störungen gibt." Auch er war bei der Versammlung der Ligen in Riga anwesend.
Viele Herausforderungen für die nationalen Ligen und kleineren Klubs
Für die nationalen Ligen und die kleineren Klubs gibt es derzeit ähnliche Herausforderungen:
- Neue Wettbewerbe wie die Klub-WM der FIFA mit 32 Teams ziehen Termine und große Summen TV-Geld an sich, beides könnte den nationalen Ligen und kleineren Klubs künftig fehlen.
- Die Ausweitung der Champions League und der beiden anderen Europapokal-Wettbewerbe bindet ebenfalls TV-Geld und Termine.
- Die beiden Wettbewerbe befördern viel Geld zu den Spitzenklubs der nationalen Ligen, und verstärken so die Ungleichheit zwischen den Klubs. In mehreren nationalen Ligen sorgt das Geld aus dem Europapokal seit Jahren für Serienmeister.
Bei der Veranstaltung der UEC in Brüssel wurde ein Vergleich zum Klimawandel gezogen. Wenn jetzt nicht gegen diese Probleme vorgegangen werde, sei der Schaden irgendwann nicht mehr zu beheben. Auch die European Leagues und das World Leagues Forum als weltweiter Ligenverband kritisieren diese Probleme bei der UEFA und bei der FIFA seit Jahren immer wieder und fordern mehr Einbindung in die Entscheidungen. Die Ziele der UEC, die Ziele von Javier Tebas und die Ziele der European Leagues sind also eigentlich ähnlich. Strittig bleibt offensichtlich der Weg dahin.