Fanproteste mit Tennisbällen aus der Saison 2023/2024
analyse

Fans fordern von DFL VAR auf Prüfstand - Pyro endlich legalisieren

Stand: 08.08.2024 13:59 Uhr

Zum Saisonstart hat die Fanvereinigung "Unsere Kurve" fünf Forderungen formuliert. Die Deutsche Fußball Liga (DFL) ist bei den Kernpunkten indes recht entspannt.

Als kürzlich die beiden Geschäftsführer der Deutschen Fußball-Liga (DFL), Marc Lenz und Steffen Merkel eine Standortbestimmung für den deutschen Profifußball im Sommer 2024 vornahmen, war viel von "positiver Stimmung" die Rede. Tatsächlich ist es ja so, dass die EM in Deutschland als weitgehend unbeschwertes Fußballfest die Vorfreude auf die kommende Bundesliga-Saison gesteigert hat. Und in 2. Bundesliga und 3. Liga rollt der Ball ja schon.

Die DFL erhofft sich ligaübergreifend von der EM einen "Abstrahleffekt". In der vergangenen Saison strömte zu den Spielen der Bundesliga und 2. Bundesliga bereits die Rekordzahl von 20,737 Millionen Besuchern - trotz der negativen Begleitumstände rund um die Proteste gegen den Investoreneinstieg. Diesen umstrittenen Prozess letztlich abzublasen, halten Lenz und Merkel zwar weiterhin für einen Fehler, aber die Liga-Macher haben die Macht der Kurven vielleicht unterschätzt.

Fanvereinigung hat fünf Forderungen

Deshalb wird genau hingehört, als kürzlich wieder fanpolitische Forderungen zum Saisonstart 2024/2025 aufkamen. Die Vereinigung "Unsere Kurve" nannte fünf Kernthemen: kein "Weiter so" mit dem VAR, legale Pyrotechnik ermöglichen, frühzeitige Terminierung der Spiele, sozialverträgliche Ticketpreise sowie Datenschutz einhalten.

Vorweg: Die DFL hat den Forderungskatalog zur Kenntnis genommen, wird ihn aber öffentlich nicht erwidern. Nach Sportschau-Informationen herrscht eine gewisse Gelassenheit. Denn zum einen könnten viele Punkte entkräftet werden, zum anderen gebe es keine Indizien zu erneut aufflammenden Protesten in breitem Stil.

Die Forderungen im Einzelnen:

1. Kein "Weiter so" mit dem VAR

"Der VAR sorgt für viel Wut, Ernüchterung und Unverständnis. Es ist dem Schiedsrichterwesen nicht gelungen, eine klare Eingriffsschwelle zu definieren, stattdessen rätseln wöchentlich Millionen von Fußballfans, warum der Kölner Keller hier stumm blieb und da eingriff", kritisiert die Fanvereinigung. Der zurückgehaltene Torjubel sei ein Ärgernis: "Für viele geht dabei der schönste, reinste und emotionalste Moment des Fußballs verloren. Der VAR in seiner jetzigen Form muss auf den Prüfstand!"

Jost Peter, Vorsitzender von "Unsere Kurve" sagt: "Hunderttausende Fans haben die EM friedlich gefeiert, Diese Euphorie strahlt zu Recht in die neue Saison. Da darf der Emotionskiller VAR die Stimmung nicht mehr trüben."

Für die Schiedsrichter ist der Deutsche Fußball-Bund (DFB) zuständig. Dem neuen Schiri-Chef Knut Kircher ist an einem guten Miteinander gelegen, er kündigte an, sich jede Kritik anzuhören. Der ehemalige Spitzenreferee hat vernommen, dass der in der DFL-Kommission sitzende Markus Krösche (Eintracht Frankfurt) entschieden für weniger VAR-Eingriffe plädiert.

FIFA-Referee Sascha Stegemann räumte bei einer DFB-Veranstaltung am vergangenen Dienstag (06.08.2024) in Kirchers Beisein ein: "Wir sind die Letzten, die sagen, wir kochen unser eigenes Süppchen." Durch den Videobeweis sei der Fußball "ein Stück weit klinischer geworden". Nicht mal die Unparteiischen finden das immer gut, war herauszuhören. Doch eines ist auch klar: Ärger über den VAR wird es weiter geben.

2. Legale Pyrotechnik ermöglichen

"Unsere Kurve" erinnert daran, dass es bereits in der Saison 2011/12 eine Fankampagne zur Legalisierung von Pyrotechnik gab. Dabei sei zu differenzieren: "Sämtliche Leuchtspurgeschosse sind in Menschenmengen unkontrollierbar und daher abzulehnen, Böller sind per se kein Stimmungsmittel, sondern gemeingefährlich – aber Bengalos, Leuchtfackeln, die nicht die Hand verlassen, sind bei verantwortungsbewusstem, geregelten Umgang ein wunderbarer Ausdruck der großartigen Fankultur hierzulande."

Es brauche pragmatische Lösungen. "In diesem Zuge sind auch die Verbandsstrafen für Vergehen mit Pyrotechnik gegen die Vereine zu überdenken." Die teils drakonischen Strafen haben das Problem tatsächlich nicht gelöst.

Die DFL verfolgt keine konkreten Pläne zur Erlaubnis von Pyrotechnik. Dies sei in erster Linie ein behördliches Thema. "Gibt es ein Konzept zur Liberalisierung von Pyrotechnik in der DFL? Nein. Schauen wir uns links und rechts an, was möglicherweise in diese Richtung in anderen Ländern umgesetzt wird? Ja", sagte Lenz.

Die DFL-Spitze befinde sich jederzeit in Gesprächen mit der Politik, um zu schauen, welche Möglichkeiten es als Alternativen gebe. Norwegen ist ein gutes Beispiel. Es könne sein, dass die Regulierungen samt saftiger Strafen so bleiben, weil Pyro "unter den Prämissen höchstgefährlich ist und deshalb verboten gehört".

3. Frühzeitige Terminierung der Spiele

Die Bundesliga ermöglicht im internationalen Topligen-Vergleich noch den längsten Planungsvorlauf. "Dennoch gibt es erhebliches Verbesserungspotenzial. Sowohl in den ersten beiden Ligen, aber insbesondere auch in der 3. Liga. Dasselbe Problem trifft auch die Regionalligen und den Spitzenfußball der Frauen", sagt Peter. Es sei zwingend erforderlich, "den Fans Planbarkeit bis zur Saisonhalbzeit zu ermöglichen".

An dieser Stelle verweist die DFL darauf, dass vor allem die Sicherheitsbehörden gar nicht so lange im Vorlauf planen können. Die Polizei könne nicht im Sommer abschätzen, was im Winter Hochrisikospiele seien. Auch Wünsche des Fernsehens sind bei der Ansetzung zu berücksichtigen. Alles in allem zeichnet sich nicht ab, dass die Ansetzungen der gesamten Hinrunde vor dem ersten Spieltag erfolgen.

4. Sozialverträgliche Ticketpreise und Preisobergrenze im Gästeblock

Der Besuch im Stadion sollte für alle zugänglich sein - und doch wurde er in den vergangenen Jahren teurer und teuer. Das behauptet die Fanvereinigung: "Wir appellieren an alle Vereine, ihrer sozialen Verantwortung gerecht zu werden, indem sie grundsätzlich – sowohl für Heim- als auch für Gästefans - ein Kontingent an ermäßigten Karten zur Verfügung stellen."

Zudem seien die Preise teilweise in so unverschämtem Maße hochgegangen, "dass es Zeit wird, auf Verbandsebene einzugreifen". Gefordert wird eine Preisobergrenze für Gästetickets. Die DFL verweist hier auf eine Erhebung der Ticketpreise: So betrug der durchschnittliche Preis einer Eintrittskarte für ein Bundesligaspiel in der vergangenen Saison 28,30 Euro (2022/23: 27,23 Euro).

Ein Sitzplatz kostete dabei 34,22 Euro (2022:23: 31,58) und ein Stehplatz 11,55 Euro (2022/23: 11,49 Euro). Sitzplätze haben sich also um rund acht Prozent, Stehplätze um weniger als ein Prozent verteuert. Zum Vergleich: Die Verbraucherpreise in Deutschland haben sich im Jahresdurchschnitt 2023 um 5,9 Prozent gegenüber 2022 erhöht.

5. Datenschutz einhalten und Kontrollwahn stoppen

Laut "Unsere Kurve" wurde bei der EM eine rote Linie überschritten und angeblich durch eine App Handydaten "live und verdachtsunabhängig" an die Polizei übermittelt. An diesem Punkt widersprechen UEFA und DFL.

Thomas Kessen, Sprecher von "Unsere Kurve" verlangt beim Datenschutz trotzdem höchste Sensibilität: "Corona-Altlasten müssen endlich überwunden werden, denn ohne Fans kein Fußball. Da ist es nur folgerichtig, wenn das Verantwortungsbewusstsein der Fans im Umgang mit Pyrotechnik auch endlich wieder zur Option im Umgang mit den eigenen Daten wird." Grundsätzlich dürfe die Nutzung digitaler Eintrittskarten zu keiner Personalisierung führen.

Thomas Kessen, Fansprecher "Unsere Kurve"

Thomas Kessen, Fansprecher "Unsere Kurve"