
AC Mailand, Juve und Bergamo ausgeschieden Italienisches Desaster in der Königsklasse
Fast schon erwartet reißerisch klingen die italienische Gazetten, um die Rückschläge in den Playoffs der Champions League zu beschreiben. Wer hatte erwartet, dass der Europa-League-Triumphator Atalanta Bergamo und die früheren Titelträger AC Mailand und Juventus Turin vor dem Achtelfinale scheitern würden?
Vom "Euro-Desaster" ist die Rede. Am Dienstag verabschiedeten sich auf unrühmliche Art und Weise erst Atalanta Bergamo (1:3 gegen Club Brügge) und AC Mailand (1:1 gegen Feyenoord Rotterdam) aus der Königsklasse, dann blamierte sich am Mittwoch auch noch Juventus Turin (1:3 nach Verlängerung beim PSV Eindhoven).
Randal Kolo Muani mal wieder unglücklich
Das Aus der "alten Dame" setzt dem Versagen auf dieser Bühne noch die Krone auf. Dabei hatte es doch geheißen, Trainer Thiago Motta habe mit seiner Verjüngung den richtigen Kurs gewählt. Doch in Eindhoven war Juve von Anfang an auf dem Irrweg, auch der ehemalige Bundesligastürmer Randal Kolo Muani, auf Leihbasis aus Paris gekommen und bislang durchaus ein Faktor, agierte im Abschluss an diesem Abend unglücklich.
Als für ihn zur Verlängerung dann Dusan Vlahovic das Spielfeld betrat, kam auch noch Pech dazu: Der serbische Stürmerstar grätschte die Kugel in der umkämpften Phase an den Pfosten. Die "Bianconeri" hatten letztlich offensiv zu wenig zu bieten - und offenbarten ungeahnte defensive Schwächen. Als Timothy Weah zwischenzeitlich für den italienischen Rekordmeister ausglich (63.), brachte Ismael Saibari die Niederländer gleich wieder in Führung (74.).
Loblieder auf die Serie A verfrüht
Das finanziell deutlich schwächer ausgestattete Gegner aus Benelux zu Stolpersteinen für italienische Renommerklubs werden, stellt einen Schockmoment für die Serie A dar, die sich doch im vergangenen Jahr auf einem herausragenden Weg wähnte, weil ihre Vertreter in der UEFA-Fünfjahreswertung die meisten Punkte sammelten. Mehr als die deutsche Bundesliga, die spanische La Liga und die englische Premier League. Belohnt mit einem fünften Champions-League-Startplatz.
International wurden wieder viele Loblieder auf den italienischen Fußball angestimmt, weil Verband und Vereine vermeintlich aus Fehlern der Vergangenheit gelernt hatten - und eigene Tugenden wie taktische Disziplin mit internationalen Errungenschaften zur erfolgreichen Rezeptur mischten. Doch kaum ein Jahr später ist das Wehklagen gewaltig. Und die Wut suchte sich danach definitiv die falschen Ventile.
Felix Zwayer bekommt den Zorn zu spüren
Ausgerechnet der auch in Deutschland oft kritisierte Schiedsrichter Felix Zwayer bekam den italienischen Zorn am eigenen Leib zu spüren. Der Berliner stellt sich dem vor Wut schäumenden Rafael Toloi mutig in den Weg, doch der Atalanta-Kapitän rempelte den Referee einfach weg, um dann Gegenspieler Maxim De Cuyper im Stile eines Wrestlers zu Boden zu reißen.
Rot war die logische Konsequenz fürs unrühmliche Ende eines Ensembles, das im Vorjahr den Nimbus der Unbesiegbarkeit von Bayer Leverkusen mit einer imponierenden Vorstellung im Europa-League-Endspiel von Dublin beendete.
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Die Beherrschung verloren: Rafael Toloi sieht Rot von Schiedsrichter Felix Zwayer
"Der italienische Fußball hat einen schwarzen Dienstag erlebt", schrieb nun die Zeitung "Corriere della Sera" über einen Abend, der für reichlich Gesprächsstoff sorgte. Das galt vor allem für Tolois Ausraster kurz vor Spielende. Auslöser war ein unnötiger Rempler von Brügges De Cuyper. Der Bergamo-Profi verlor die Nerven, wollte erst den Ball auf seinen Gegenspieler werfen, verlor das Spielgerät jedoch kläglich, rutschte aus, rappelte sich auf, bekam den Ball wieder nicht zu fassen, ließ den herbeigeeilten Zwayer an sich abtropfen und erreichte dann doch noch De Cuyper.
Bergamo-Coach kritisiert eigenen Spieler
Und doch war der italienische Nationalspieler mit brasilianischen Wurzeln nicht der größter Verlierer, diese Rolle gehörte Ademola Lookman. Der frühere Leipziger, der im Mai vergangenen Jahres gegen die Werkself einen Dreierpack schnürte, verschoss beim Stand von 1:3 einen Elfmeter - und wurde nach Schlusspfiff von seinem Trainer öffentlich angezählt. "Ademola Lookman ist einer der schlechtesten Elfmeterschützen, die ich je gesehen habe", zürnte der Coach Gian Piero Gasperini wenig mitfühlend: "Er wollte schießen, weil er vorher schon ein Tor erzielt hatte. Er hat den Ball genommen, obwohl Retegui und De Ketelaere zur Verfügung standen. Ich mag nicht, was Lookman getan hat." Vergaß der in Ehren ergraute Fußballlehrer seine gute Kinderstube?
Lookman reagierte tief enttäuscht auf die Kritik. "Auf diese Weise herausgegriffen zu werden, tut weh und gibt mir das Gefühl, nicht respektiert zu werden", schrieb er am Mittwoch in den sozialen Netzwerken. Zeitgleich verabschiedete sich auch Milan - gegen "den Tabellenvierten aus Holland", wie "Corriere dello Sport" auf dem Titel anmerkte. Das Remis war nach dem 0:1 im Hinspiel zu wenig.
Die Schwalbe von Theo Hernandez
Auch hier war der Sündenbock schnell ausgemacht: Frankreichs Nationalspieler Theo Hernandez sah kurz nach der Pause Gelb-Rot (51.) für eine Schwalbe, danach kippte das Spiel. "Fußball ist ein Teamsport, doch es gibt Fälle, in denen ein Spieler allein eine Niederlage besiegeln kann", schrieb "Gazzetta dello Sport". Für "Tuttosport" war das Aus eine "Schande! Man kann nicht gegen ein derart schwaches Feyenoord ausscheiden." Offenbar ging es doch.
In der Serie A müssen die "Rossoneri" nun als Siebter um die erneute Qualifikation für die Königsklasse bangen. Immerhin: die vier Startplätze Italiens sind nicht in Gefahr - die Nation ist immer noch Zweite in dem UEFA-Ranking. Und ein Klub spielt auch noch in der Champions League mit: Inter Mailand hatte sich als einzige Mannschaft direkt fürs Achtelfinale qualifiziert.
Wie es der Zufall so will, trifft der Meister und aktuelle Tabellenzweite nun entweder auf Rotterdam oder Eindhoven. Man kann also Wiedergutmachung für die Konkurrenz aus dem eigenen Land betreiben. Doch die Chancen, dass erstmals seit 15 Jahren wieder ein italienischer Klub den Henkelpott empfängt, sind nach einer katastrophal verlaufenden Playoff-Runde auf dieser Bühne rapide gesunken.