Rückrunden-Start der 2. Bundesliga Langeweile eher unwahrscheinlich
Die Spielplangestalter der Deutschen Fußball Liga (DFL) haben fürwahr ein gutes Händchen bewiesen. Oder einfach nur ein bisschen Glück gehabt? Fakt ist, dass es für das Topspiel der 2. Bundesliga zwischen dem Hamburger SV und dem 1. FC Köln (Samstag ab 20.30 Uhr live in der Radioreportage und im Ticker auf sportschau.de) kaum einen besseren Zeitpunkt hätte geben können, um den Rückrundenstart ins Rampenlicht zu rücken.
Köln hat noch die Herbstmeisterschaft errungen, der HSV ist Dritter und hat vielleicht endlich einen Aufstiegscoach gefunden: Nach einer äußerst wechselhaften Hinrunde sind die Schwergewichte ganz plötzlich doch wieder die heißesten Anwärter auf den Aufstieg.
Beim ruhmreichen HSV hat das viel mit dem neuen Hoffnungstrainer Merlin Polzin zu tun. Dessen Beförderung zum Cheftrainer begründete Stefan Kuntz nach dem furiosen 5:0-Erfolg über die SpVgg Greuther Fürth, mit einer "deutlichen Entwicklung" des Teams. Die acht Punkte aus vier Spielen und vor allem der spielerische Fortschritt seien "eindeutige Argumente, den eingeschlagenen Weg fortzusetzen", so der Sportvorstand vor der Winterpause.
Ein "Hamburger Jung" trägt die Hoffnung des HSV
Der "Hamburger Jung" Polzin hat als Co-Trainer schon viele große Namen an der schon sechseinhalb Jahre währenden Aufstiegsmission scheitern sehen - nun gilt es für ihn, seinem Team endlich auch Konstanz beizubringen. Der 34-Jährige sagt: "Wir wollen in der Rückrunde angreifen und als Team zusammenstehen."
Angreifen wollen sie 2025 auch beim FC - dem mit Abstand formstärksten Team der Liga. Nach 19 von 21 möglichen Punkten aus den vergangenen sieben Ligaspielen kam die Weihnachtspause für die Kölner fast ein bisschen zu früh. Die Hoffnung auf die schnelle Rückkehr in Liga eins ist mehr als berechtigt. Viele halten die Rheinländer unter Trainer Gerhard Struber für das spielerisch beste Team im Unterhaus.
Das Aufstiegsrennen könnte spannender kaum sein
Einen erklärten Favoriten gibt es nicht: Zwischen Rang zwei und neun liegen nur mickrige drei Punkte. Immer mal wieder wechselte die Tabellenführung. Bis zum zehnten Spieltag war Fortuna Düsseldorf ganz oben, dann stand die SV Elversberg am 16. Spieltag plötzlich ganz vorn.
Zwischenzeitlich auch an der Spitze: Hannover 96, wo eigentlich ein Drei-Jahres-Plan in Arbeit ist, der im Sommer 2025 mit der Bundesliga-Rückkehr gekrönt werden soll. Sportchef Marcus Mann verkündete deshalb die Trennung von Trainer Stefan Leitl, für den mit André Breitenreiter ein alter Bekannter am Maschsee aufschlug. Reicht das, um die Roten wieder in die Beletage zu hieven?
Davor stehen mit dem Karlsruher SC (Zweiter), Elversberg (Vierter), 1. FC Magedeburg (Fünfter) und SC Paderborn (Sechster) noch Teams, die aufgrund ihrer Struktur und Vergangenheit nur gewinnen können. Niemand aus diesem Quartett ist zum Aufstieg verpflichtet. Im Gegenteil. Es spricht einiges dafür, dass es wieder einen Überraschungsaufsteiger gibt. Wie Holstein Kiel (2023/24), 1. FC Heidenheim (2022/23), Greuther Fürth (2020/21) oder Arminia Bielefeld (2019/20).
Das Schicksal des FC Schalke 04
Heute spielt Bielefeld in der 3. Liga. Gerne hoch würde natürlich auch der FC Schalke 04, aber in Gelsenkirchen sind sie schon froh, dass es Trainer Kees van Wonderen in 100 Tagen geschafft hat, die "Königsblauen" zu stabilisieren. "Es hat zuletzt sportlich gut funktioniert, nicht nur, was die Ergebnisse betrifft, sondern auch die Auftritte", sagte der Niederländer im Trainingslager in Belek dem Fachmagazin "Kicker". Man könne auch erfolgreich sein, das zeige ihm die Erfahrung, "ohne dass die Gruppe reibungslos funktioniert". Eine These, bei der sich durchaus Widerspruch regen darf.
Spannend auch, ob Miroslav Klose, sicherlich der prominenteste Name auf der Trainerbank, beim 1. FC Nürnberg noch eine Weiterentwicklung hinbekommt, denn viele Ansätze in seinem jungen Ensemble sind hoffnungsvoll. Es fehlt die Konstanz - und vielleicht auch ein bisschen Qualität im Kader. Ein Manko, das die Nürnberger mit Hertha BSC teilen, wo der Ex-Nürnberger Cristian Fiel in der Bringschuld steht. Auch die Berliner würden ja lieber heute als morgen zurück an die Fleischtöpfe der Bundesliga.
Anerkennung von Eintracht Braunschweig
"Wir haben wirklich tolle Vereine mit langer Bundesliga-Zugehörigkeit und riesigen Stadien in dieser Liga. Es gibt viele, die mir sagen, dass sie diese Liga momentan attraktiver finden als die Bundesliga", gibt Nicole Kumpis, Präsidentin von Eintracht Braunschweig zu verstehen. Die einzige Frau auf solch einem Posten hält aber nichts davon, die Arbeit vermeintlicher kleiner Erstligisten zu diskreditieren. Man könne nicht kleinreden, was bestimmte Vereine geschafft haben, gemeint sind Heidenheim, Kiel oder St. Pauli. "Vermeintliche Underdogs haben es sehr gut gemacht, sich nach der Corona-Pandemie zukunftsfähig aufzustellen, die vor allem zuschauerstarke Vereine heftiger getroffen hat."
In dieser Hinsicht setzt die 2. Bundesliga immerhin internationale Maßstäbe. Die DFL-Geschäftsführer Steffel Merkel und Marc Lenz konnten ja vor allem deshalb im EM-Sommer einen Rekordzuspruch vermelden, weil so viel Publikum zu Zweitligaspielen strömt wie in keinem anderen Land der Welt. Die 2. Bundesliga ist so attraktiv wie selten.
Entsprechend groß auch die Sorge bei Abstiegskandidaten wie dem Vorletzten Braunschweig. Kumpis: "Wir waren ja schon häufiger in der 3. Liga und würden auch dort wieder Fuß fassen, jedoch nur unter erheblichen Einschränkungen. Und die Frage wäre, ob dieser Standort es zeitnah überhaupt wieder zurück in die 2. Bundesliga schaffen würde. Daher tun wir wirklich das Maximale für den Klassenerhalt."
Spielklasse | Zuschauerschnitt |
---|---|
Bundesliga | 38.677 |
2. Bundesliga | 30.150 |
Premier League | 40.375 |
Championship (England 2. Liga) | 21.855 |
Serie A (Italien) | 30.910 |
La Liga (Spanien) | 30.182 |
Spiele der 2. Bundesliga verfolgen im Schnitt ziemlich genauso viele Menschen wie Spiele der Serie A. Auch der Schnitt in Spaniens La Liga ist kaum höher. Anhänger von Erstligisten würden vermutlich gerne mal wieder nach Köln, Hamburg, Gelsenkirchen, Berlin oder Kaiserslautern reisen. Gleichwohl hat so mancher Verein seinen Absturz selbst verschuldet – und erweist sich nur als bedingt lernfähig: Der HSV unternimmt bereits seinen sieben Aufstiegsversuch seit dem Abstieg 2018.