Alexander Blessin, Trainer von St. Pauli

Bestimmung des Ballkontakts St. Pauli - Zweifel an Abseitsentscheidung in Dortmund

Stand: 19.10.2024 01:05 Uhr

Der FC St. Pauli erzielte in Dortmund die vermeintliche Führung, das Tor wurde wegen einer Abseitsstellung nicht anerkannt. Es wurden Zweifel an der Grundlage für die Entscheidung erhoben - der DFB widersprach.

Als das Bild des Video-Assistenten zur Entscheidung über die Frage eingeblendet wurde, ob sich Morgan Guilavogui bei seinem vermeintlichen 1:0 für den FC St. Pauli in Dortmund im Abseits befand, kamen Zweifel auf. "Der Ball ist nicht am Fuß", sagte St. Paulis Trainer Alexander Blessin bei "DAZN", als das nicht gegebene Tor eingespielt wurde. "Der Ball ist einen Meter weiter weg." Im Fernsehbild sah es so aus, als habe der Ball den Fuß schon verlassen, als die Abseitslinie eingeblendet wurde und die Entscheidung deshalb möglicherweise falsch war.

Schiedsrichter Matthias Jöllenbeck sagte: "Auf dem Feld konnten wir das nicht auflösen, weil es sehr eng war. Insofern wurde das Tor vom Videoschiedsrichter in Köln geprüft. Da kann man den Abspielzeitpunkt genau festlegen. Und darauf müssen wir uns dann verlassen."

Was Blessin und Jöllenbeck meinten, ist die Bestimmung des Moments, in dem der Ball bei der Frage nach einer möglichen Abseitsposition gespielt wird. Lag also ein technischer Fehler des Video-Assistenten vor?

Schiedsrichter Matthias Jöllenbeck

Schiedsrichter Matthias Jöllenbeck

DFB: "Ball hat den Fuß verlassen? Dem war nicht so!"

Eine Sekunde besteht beim Video-Assistenten aus 50 Einzelbildern, sogenannten Frames. Alex Feuerherdt, Sprecher der DFB Schiri GmbH, erklärt im Gespräch mit der Sportschau den Ablauf. "Zur Bestimmung des Moments der Ballabgabe wählt der Video-Assistent aus mehreren direkt aufeinanderfolgenden Frames denjenigen aus, der als erster den Ballkontakt gesichert zeigt. Dazu wählt er aus den synchronisierten Kameraeinstellungen diejenige aus, die den Ballkontakt am besten verdeutlicht", sagt Feuerherdt. "Um anschließend die kalibrierten Abseitslinien anzulegen, kann der VAR, falls nötig, in eine andere, aber synchrone Kameraeinstellung wechseln, die wiederum die mögliche Abseitsstellung am besten zeigt." Diese Einstellung war in Dortmund die Perspektive von der Tribüne - und die löste bei Blessin Verwunderung aus.

Der VAR habe drei Frames überprüft, sagt Feuerherdt. "Im ersten ließ sich noch kein Ballkontakt feststellen. Im zweiten war der Kontakt deutlich zu erkennen, nicht zuletzt durch die Bewegung und Verformung des Balles. Im dritten Frame hatte der Ball den Fuß bereits verlassen." Aber warum sah es im entscheidenden Bild mit den Abseitslinien so aus, als ob der Ball den Fuß verlassen hat? "Durch die sichtbare Verformung des Balles im maßgeblichen zweiten Frame kann je nach Kameraeinstellung der Eindruck entstehen, dass der Ball den Fuß bereits vollständig verlassen hat", sagte Feuerherdt. "Dem war aber nicht so."

Alex Feuerherdt, Mediensprecher der DFB Schiri GmbH

Alex Feuerherdt, Mediensprecher der DFB Schiri GmbH

Diskussion um Genauigkeit von Frames vor allem in England

Frames können unter Umständen für eine gewisse Ungenauigkeit sorgen, vor allem in England wurde seit Einführung des VAR oft diskutiert, ob die Technik in Sachen Abseits mehr Genauigkeit vorgibt als sie wirklich liefert. Die Kritik: Das Spiel läuft in einem so hohen Tempo ab, dass zwischen zwei Frames etwas Entscheidendes passieren kann, was der Technik entgeht. Etwas Abhilfe könnte bei dieser Diskussion möglicherweise die halbautomatische Abseitserkennung schaffen.

Das Prinzip, dass auch von der UEFA bei der EM 2024 und während der Champions League sowie von der FIFA bei der WM 2022 genutzt wurde, basiert auf einem Chip im Ball. Der Ball wird dadurch 500 Mal pro Sekunde geortet. Die DFL testete den Chip im Ball beim Supercup 2024 Leverkusen. Eine Einführung dieser oder einer ähnlichen Technik durch die DFL, die eine solche Maßnahme mit den Klubs beschließen und finanzieren müsste, steht zwar nicht unmittelbar bevor, wird nach Informationen der Sportschau aber zumindest diskutiert, möglicherweise für die Saison 2025/26.

Abseits: Der dänische Spieler Andersen beim EM-Spiel gegen Deutschland

Abseits: Der dänische Spieler Andersen beim EM-Spiel gegen Deutschland

Abseitserkennung vielerorts schon eingeführt, in Deutschland noch nicht

Denn mit dem Prinzip "Abseitslinien per Handarbeit" ist die Bundesliga bald allein unter Europas Topligen. Spanien hat die Abseitserkennung zur Saison 2024/25 eingeführt, in Italien wird sie schon seit der Saison 2023/24 genutzt. England hat die Einführung für den Verlauf der aktuellen Saison beschlossen, die Umsetzung steht aber noch aus und wurde auf 2025 verschoben.

Das Grundprinzip der Abseitserkennung: Die Technik ermittelt den Moment des Ballkontakts und die Position der Spieler anhand von bis zu 29 Punkten auf deren Skelett. Beides sendet sie an den Videoassistenten. Dem Schiedsrichter-Team bleibt weiter die Entscheidung vorbehalten, ob die Abseitsposition auch strafbar ist - beispielsweise bei der Frage nach einer passiven oder aktiven Abseitsstellung. Die Vorteile: Es soll genauer sein und Zeit sparen.