Der "Chip im Ball"

Technische Hilfe für Schiedsrichter "Chip im Ball" kommt vorerst nicht in der Bundesliga zum Einsatz

Stand: 01.07.2024 07:58 Uhr

Eine äußerst knappe Abseitsstellung leitete Dänemarks Niederlage gegen Deutschland im Achtelfinale der EM 2024 ein. Nachgewiesen wurde sie auch mit dem "Chip im Ball" - eine Technik, die es in der Bundesliga vorerst nicht geben wird.

"Wir reden über einen Zentimeter", sagte Kasper Hjulmand über die Abseitsentscheidung beim Spiel in Dortmund. "Kann das wirklich die zweifelsfreie Wahrheit sein? Lässt sich der Zeitpunkt des Abspiels so genau bestimmen?" Diese Frage ist in etwa so alt wie der Video-Assistent - und die UEFA glaubt, sie nun mit "ja" beantworten zu können.

Der dänische Spieler Andersen stand beim vermeintlichen Führungstreffer minimal im Abseits

Der dänische Spieler Andersen stand beim vermeintlichen Führungstreffer minimal im Abseits

Ball wird nun 500 Mal pro Sekunde geortet

Bisher nutzte der Video-Assistent die üblichen TV-Kameras. Deren Bilder bestehen in den meisten Fällen aus 50 "Frames pro Sekunde", eine Sekunde hat also 50 Einzelbilder. Die Kritik lautete oft, dass bei dem Tempo des Spiels zwischen zwei Frames viel passieren kann und die suggerierte Genauigkeit beim Abseits gar nicht vorhanden ist.

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Der "Connected Ball" ("Verbundener Ball"), also umgangssprachlich ein "Chip im Ball", erhöht laut UEFA bei der EM 2024 jedoch die Genauigkeit der Entscheidungen. Der Ball gibt 500-mal pro Sekunde ein Signal, wo er sich befindet und ob er berührt wird. Hinzu kommt: Mit den zwölf Spezialkameras der "halb-automatischen Abseitserkennung" werden die Spieler an 29 verschiedenen Punkten ihres Körpers 50-mal pro Sekunde geortet. Die Technik ist deshalb nur "halb-automatisch", weil sie nur die Abseitsstellung automatisch erkennt, der Schiedsrichter aber immer noch die Strafbarkeit feststellen muss. Die Abseitserkennung kam bereits in der Champions League zum Einsatz, der "Chip im Ball" wird bei der EM erstmals von der UEFA genutzt.

Roberto Rosetti, Schiedsrichterchef der UEFA, hob in einem Zwischenfazit nach der Gruppenphase das neue Tempo bei den Entscheidungen des Video-Assistenten hervor. Im Vergleich zur Champions League seien die Abseitsentscheidungen im Schnitt nach 46 statt 58 Sekunden gefallen.

Der "Chip im Ball"

Der "Chip im Ball"

"Chip im Ball" in der Bundesliga? Vorerst nicht

In der Bundesliga wird der "Chip im Ball" vorerst nicht zum Einsatz kommen. Das hat mehrere Gründe:

  • Derbystar liefert die Bälle für die DFL. Und der Chip im Ball kommt von der Firma "Kinexon", die ihn im Auftrag von Adidas erstellt hat. "Kinexon" arbeitet zwar mit der DFL bei der Datenerhebung zusammen, das Patent auf den Ball hat laut Kinexon jedoch Adidas.
  • Kosten spielen eine große Rolle bei der Technik. Ein Beispiel: Die Torlinientechnik kam bei der WM 2014 erstmals bei einem großen Turnier zum Einsatz, erst zur Saison 2024/25 waren die Klubs der 2. Bundesliga dazu bereit, in diese Technik zu investieren.

Der "Chip im Ball" nach dem EM-Prinzip kann kurzfristig in keiner europäischen Liga kommen. Die Premier League (Nike), La Liga und die Serie A (beide Puma), die Bundesliga und die Eredvisie (beide Derbystar) sowie die Ligue 1 (Kipsta) haben alle Bälle von anderen Herstellern. In England und Italien entschloss man sich zur Einführung der Abseitserkennung, jedoch ohne den "Chip im Ball".

"Chip im Ball" klärt auch Ballkontakte

Der "Connected Ball" liefert auch - wie im Spiel in Dortmund gesehen - mit dem "Ball-EKG" den Beleg für eine Ballberührung. Das kann bei einem Handspiel wichtig werden, aber auch bei Abseits. Während eines EM-Spiels sind 20 dieser Bälle im Einsatz.

Das Handspiel von Joachim Andersen - nachgewiesen vom "Chip im Ball"

Das Handspiel von Joachim Andersen - nachgewiesen vom "Chip im Ball"

Streit über Abseits lieferte Vorschläge - doch es gab schon ein Entgegenkommen

Zur Lösung des Problems mit äußerst knappen Abseitsentscheidungen waren zuletzt andere Vorschläge unterbreitet worden. FIFA-Direktor Arsène Wenger schlug das "Tageslicht"-Abseits vor, bei dem der Stürmer sich vollständig vor dem Verteidiger befinden muss, damit "Tageslicht" zwischen ihnen ist. Ein Toleranzbereich war immer wieder in der Diskussion oder dass beim Überlappen der Linien von Verteidiger und Angreifer nicht auf Abseits entschieden werden soll.

Alle vorgeschlagenen Modelle vereint ein Problem: Am Ende muss eine Linie gezogen werden, anhand der entschieden wird, ob eine Abseitsstellung vorliegt oder nicht. Knappe Entscheidungen wird es so oder so geben. Ohnehin gab es historisch schon ein Entgegenkommen an die Angreifer: Seit 1990 ist gleiche Höhe kein Abseits mehr.

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