![Polizeibeamte bei einem Spiel in Köln | Imago Polizeibeamte bei einem Spiel in Köln](https://images.sportschau.de/image/06792ef3-6598-45b4-9a6a-38ac837233c2/AAABlPSDUas/AAABkZLrr6A/original/fanhilfen-100.jpg)
Spannungsfeld von Fans mit Polizei und Justiz Bundestagswahl - Fanhilfen stellen Forderungen an die Politik
Der Dachverband der Fanhilfen hat zur Bundestagswahl Forderungen an die Politik gestellt - es geht um alte und neue Spannungsfelder zwischen Fans sowie Polizei und Justiz.
Bei einem Medientermin veröffentlichte der Dachverband, in dem 27 Fanhilfen aus Fanszenen von Klubs aus Deutschland organisiert sind, seine Forderungen an die Parteien aus Anlass der Bundestagswahl am 23. Februar. Fanhilfen unterstützen Fans bei Konfliktsituationen mit Polizei und Justiz.
Zeugnisverweigerungsrecht? "Gesetzeslücke, muss geschlossen werden"
Eine Forderung bezieht sich auf ein Zeugnisverweigerungsrecht in der sozialen Arbeit, das es bislang nicht gibt. Das führte dazu, dass Mitarbeitende des sozialpädagogischen Fanprojekts in Karlsruhe zu Geldstrafen verurteilt wurden. Sie sagten in einem Prozess gegen Fans des Karlsruher SC nicht aus, um die Vertraulichkeit ihrer Gespräche mit Fans sicherzustellen.
Während beispielsweise Juristen, Ärzte, Pfarrer oder Journalisten ein Zeugnisverweigerungsrecht haben, gibt es ein solches für soziale Arbeit nicht. Hintergrund: Nach dem Einsatz von Pyrotechnik wurden bei einem Heimspiel des Karlsruher SC durch die Rauchentwicklung elf Menschen verletzt, einer davon schwer. Mehrere Fans wurden anschließend verurteilt.
Für die Fanprojekte ist die Vertraulichkeit ihrer Gespräche aber entscheidend, um Zugang zu den Fans zu haben und zu behalten. "Das ist eine Gesetzeslücke, die dringend geschlossen werden muss", sagte Oliver Wiebe von der Fanhilfe Magdeburg. Wiebe ist ein Sprecher des Dachverbands. "Die Fanprojekte sind auf ein gutes Verhältnis mit ihrer Zielgruppe angewiesen. Wir brauchen hier eine Änderung der Strafprozessordnung."
Kennzeichnungspflicht für Bundespolizei gefordert
Der Dachverband fordert zudem eine Kennzeichnungspflicht für die Bundespolizei. Nur so sei eine individuelle Strafverfolgung von Beamten möglich, wenn diese widerrechtlich oder unverhältnismäßig Gewalt anwenden. "Es gibt keine Möglichkeiten für Fans, offensichtliches polizeiliches Fehlverhalten zur Anzeige zu bringen", kritisierte Linda Röttig vom Dachverband der Fanhilfen. Die Bundespolizei sichert beispielsweise Bahnhöfe, in deren Umfeld es zu Konflikten mit Fangruppen kommen kann.
Gegner einer Kennzeichnungspflicht kritisieren einen unberechtigten Generalverdacht gegen die Polizei. Befürworter sehen dagegen genau diesen ausgeräumt, weil mit der Kennzeichnung ein mögliches Fehlverhalten individuell untersucht werden kann. Die bisherige Regierung aus SPD, Grünen und FDP hatte sich in ihrem Koalitionsvertrag auf eine anonymisierte Kennzeichnung der Beamten der Bundespolizei verständigt, umgesetzt wurde das Vorhaben bislang nicht.
![Anonymisierte Kennzeichnung auf der Uniform eines Polizisten in Rheinland-Pfalz | dpa Anonymisierte Kennzeichnung auf der Uniform eines Polizisten in Rheinland-Pfalz](https://images.tagesschau.de/image/539e708f-f9a1-4f64-a66b-19a6066a6052/AAABhoCc3R4/AAABkZLlUbs/16x9-960/polizei-kennzeichnungspflicht-103.jpg)
Anonymisierte Kennzeichnung auf der Uniform eines Polizisten in Rheinland-Pfalz
Auf Länderebene gibt es unterschiedliche Regelungen. Während eine Kennzeichnungspflicht beispielsweise in Hessen, Thüringen, Rheinland-Pfalz oder Brandenburg gilt, gibt es eine solche Regelung in Ländern wie Bayern, Baden-Württemberg oder Sachsen nicht. Auch in Europa ist das Vorgehen unterschiedlich: Während beispielsweise Dänemark, Belgien, Spanien oder Griechenland eine Kennzeichnungspflicht haben, gibt es sie in den Niederlanden, Österreich oder Italien nicht.
Gleichzeitig soll nach dem Willen der Fanhilfen der Bundespolizeibeauftragte in seiner Rolle gestärkt werden, um eine Beschwerdestelle sicherzustellen. Ein "zahmer Tiger" sei das bislang, sagte Fanhilfen-Sprecher Wiebe. Auch hier sehen Gegner ein ungerechtfertigtes Misstrauen in die Arbeit der Bundespolizei, mit dieser Argumentation beschloss beispielsweise die CDU in einem Positionspapier für die Bundestagswahl die Abschaffung der Stelle als Ziel.
![Oliver Wiebe vom Dachverband der Fanhilfen | MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK Oliver Wiebe](https://images.sportschau.de/image/562a691d-aa39-43b3-80ea-e7ca4607b17b/AAABlPSUa1g/AAABkZLlUbs/16x9-960/mdr-oliver-wiebe-100.jpg)
Oliver Wiebe vom Dachverband der Fanhilfen
Alter Streitpunkt Datei Gewalttäter Sport immer noch da
Erneut fordern die Fanhilfen eine ersatzlose Streichung der sogenannten Datei Gewalttäter Sport. Die Polizei sieht darin ein nützliches Instrument, um "zielgerichtet polizeiliche Maßnahmen zu treffen und dabei zwischen Störern und Nichtstörern zu unterscheiden". Seit ihrer Einführung 1994 ist die Datei jedoch Gegenstand von Diskussionen, da es keine rechtmäßige Verurteilung braucht, um darin erfasst zu werden. Ein Anfangsverdacht reicht für eine Eintragung aus, informiert werden müssen die erfassten Personen nicht. "Die Datei ist stigmatisierend, intransparent und willkürlich", sagte Fanhilfensprecherin Röttig.
![Linda Röttig, Vorstandsmitglied im Dachverband der Fanhilfen | Dachverband der Fanhilfen Linda Röttig, Vorstandsmitglied im Dachverband der Fanhilfen](https://images.sportschau.de/image/b96a5629-650e-4e25-b54a-c253de4f2f5b/AAABkp_1cLs/AAABkZLlUbs/16x9-960/roettig-100.jpg)
Linda Röttig, Vorstandsmitglied im Dachverband der Fanhilfen
Die Ampelregierung hatte eine Reform in Aussicht gestellt, aber nicht umgesetzt. Im Oktober urteilte das Bundesverfassungsgericht, dass Teile des Bundeskriminalamts-Gesetzes verfassungswidrig sind, darunter die Speicherpraxis. Durch das Urteil kommt ohnehin Bewegung in das Thema, das Bundesverfassungsgericht setzte eine Frist bis 31. Juli 2025.
Weitere Forderungen sehen eine Verhinderung der sogenannten "Chatkontrolle" auf EU-Ebene und einer erweiterten Überwachung von Telekommunikation in Deutschland vor. Hierbei kritisieren die Fanhilfen einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Privatsphäre. Auch der 2017 neu eingeführte Paragraf im Strafrecht, der härtere Strafen bei tätlichen Angriffen auf Vollstreckungsbeamte vorsieht als im allgemeinen Strafrecht. Eine Strafverfolgung sei mit diesen Regelungen bereits möglich.
Verweis auf Zahlen der Polizei: "Stadionbesuch ist sicher"
Ein gesondertes Problem mit Fangewalt bestehe nicht, hieß es vom Dachverband der Fanhilfen. "Hunderttausende Stadionbesucher zeigen Woche für Woche eindeutig, dass niemand Angst davor haben muss, ein Fußballstadion zu betreten." Das würden auch die Zahlen der Polizei belegen. Dem aktuellsten Jahresbericht der Zentralen Informationsstelle Sporteinsätze (ZIS) zufolge liegt die Gefahr, im Rahmen eines Stadionsbesuchs verletzt zu werden, im Promillebereich, sagte Wiede.
![Polizisten vor einer Zuschauertribüne in St. Pauli | Imago/Jan Hübner/Blatterspiel Polizisten vor einer Zuschauertribüne in St. Pauli](https://images.sportschau.de/image/3ff160e4-5211-4196-aa95-7fb35a411b38/AAABi8NEjXg/AAABkZLlUbs/16x9-960/polizei-st-pauli-100.jpg)
Polizisten vor einer Zuschauertribüne in St. Pauli
Der Jahresbericht 2023/24 weist laut ZIS jedoch negative Trends auf - mit steigenden Zahlen von verletzten Personen und eingeleiteten Strafverfahren. "Die Sicherheitslage hat sich im Vergleich zur Vorsaison nicht entspannt, sondern verschlechtert", wird Polizeidirektor Oliver Strudthoff, Leiter der ZIS, in einer Mitteilung zitiert. Die Zahlen der Verletzten (13,8 Prozent) und der eingeleiteten Strafverfahren (12,4 Prozent) stiegen im Vergleich zu 2022/23 stärker als die Zahl der Fans in den Stadien (6,6 Prozent).
18/19 | 22/23 | 23/24 | |
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Besucher | 22,0 Mio. | 22,8 Mio. | 24,3 Mio. |
Verfahren | 5.271 | 5.498 | 6.179 |
Verletzte | 1.127 | 1.176 | 1.338 |
Verletzte Pyro | 152 | 92 | 114 |
*In den Saisons 2019/20 bis 2021/22 kam es zu Einschränkungen durch die Corona-Pandemie, dort ist eine Vergleichbarkeit nicht möglich.
Im Vorjahr stellte der DFB in der Diskussion um die Sicherheit in den Stadien mit Verweis auf die Zahlen 2022/23 fest, dass jeder Verletzte "einer zuviel" sei. "Daraus abzuleiten, dass der Stadionbesuch nicht sicher ist, geht aber an der Realität vorbei." Zuletzt verständigten sich DFB und DFL und die deutsche Innenpolitik bei einem sogenannten Sicherheitsgipfel auf die Einrichtung einer zentralen Stadionverbotskommission. Eine Umsetzung steht noch aus.