Polizisten kontrollieren während der EUO 2024 einen Fahrzeug aus Belgien, das gerade nach Deutschland eingereist ist.

Durch die EURO 2024 Massiver Anstieg der Datei "Gewalttäter Sport"

Stand: 23.08.2024 13:14 Uhr

Die Polizei hat knapp 700 ausländische Fußballfans während der EM in der Datei "Gewalttäter Sport" gespeichert. Das hat eine Kleine Anfrage der Linken an die Bundesregierung ergeben. Schon im Vorfeld der EURO 2024 hatte es an dieser Praxis Kritik gegeben.

Mit rund 5.650 Einträgen vor der Heim-Europameisterschaft ist die umstrittene Datei "Gewalttäter Sport" (DGS) auf einem ihrer niedrigsten Stände überhaupt gewesen. Jetzt ist die Datensammlung erheblich angestiegen, weil darin fast 700 Fans aus dem Ausland im Zuge der Europameisterschaft in Deutschland gespeichert worden sind.

In einer Antwort auf eine Kleine Anfrage (Drucksache 20/12576) der Linken listet die Bundesregierung nach Nationen gegliedert die Neuspeicherungen auf. Wörtlich heißt es darin: "Im Zusammenhang mit der UEFA EURO 2024 wurden der Zentralen Informationsstelle Sporteinsätze als National Football Information Point insgesamt 693 Datensätze aus

• Kroatien (565)
• Belgien (25)
• Albanien (3)
• Österreich (54) und dem
• Vereinigten Königreich Großbritannien (46)

übermittelt und temporär in der DGS gespeichert."

Kritik am Vorgehen der Sicherheitsbehörden

Die Sportschau hatte im Vorfeld der EURO 2024 exklusiv berichtet, dass diese Datenspeicherungen von Anhängern anderer Nationen von den Sicherheitsbehörden geplant seien. Schon damals kritisiert der sportpolitische Sprecher der Linken, André Hahn, dieses Vorgehen als "äußerst befremdlich und inakzeptabel".

Im Gespräch mit der Sportschau erneuert Hahn nun nach Veröffentlichung der Zahlen durch die Bundesregierung seine Kritik an dieser Datenspeicherung: "Da nur aus fünf Staaten Personendaten in die Datei Gewalttäter Sport eingespeist wurden, davon ca. 80 Prozent aus Kroatien, denke ich nicht, dass diese Maßnahme die von den deutschen Behörden erwartete Wirkung gezeigt hat."

Denn auch die Behörden anderer Nationen hatten etwaige Gewalttäter schon in ihren Ländern mit Sanktionen im Vorfeld der EURO 2024 belegt. So mussten allein in England mehr als 1.500 Fans ihren Pass für die Zeit der EM abgeben. Sie konnten damit erst gar nicht in die EU bzw. nach Deutschland einreisen und fielen deshalb für eine Speicherung in der DGS von vornherein weg.

Die deutschen Sicherheitsbehörden wollten mit der temporären Speicherung ausländischer Anhänger in der DGS laut eigener Aussage Ausschreitungen bei der EM verhindern.

Speicherung langfristig?

Darüber hinaus stellt die Bundesregierung in der Kleinen Anfrage klar, dass die Löschung dieser Daten drei Monate nach Ende der Veranstaltung erfolge, d. h. am 14. Oktober 2024. Allerdings mit der Einschränkung, sofern keine weitergehenden (neuen) Erkenntnisse eine fortdauernde Speicherung rechtfertigen würden.

Diese Einschränkung lässt André Hahn (Die Linke) befürchten, dass die Erkenntnis in den Behörden wachse, dass diese Daten nicht gelöscht werden sollten, sondern eine gute Grundlage für künftige grenzüberschreitende Sicherheitsmaßnahmen wären. Er geht zudem davon aus, dass die rund 700 Anhänger über die Speicherung nicht informiert worden seien. Das ist auch hierzulande im Umgang mit der Datei übliche Praxis und stößt seit Jahren auf Kritik. Gerade aus den organisierten Fanszenen.

DGS ohne Nutzen bei Grenzkontrollen?

In der Antwort auf die Kleine Anfrage nimmt die Bundesregierung außerdem konkret Stellung zu den durchgeführten Grenzkontrollen während der EURO 2024. Bei über 1,6 Millionen Kontrollen wurden 78 Personen identifiziert, die in der Datei Gewalttäter Sport aufgeführt sind. Ob sich diese alleine aus den im Vorfeld der EURO 2024 übermittelten ca. 700 ausländischen Fans zusammensetzen, geht daraus nicht hervor.

Für den Dachverband der Fanhilfen, die ehrenamtlich Anhänger bei Konflikten mit der Polizei im Fußballkontext unterstützen, steht die hohe Anzahl der kontrollierten Personen mit den identifizierten, mutmaßlichen "Gewalttätern Sport" in keinerlei Verhältnis. Die Maßnahme sei kaum zu begründen, wenn es nur alle 20.000 Kontrollen einen Treffer gebe.

"Die mit den Grenzkontrollen einhergehende massive Einschränkung der Reise- und Bewegungsfreiheit für alle Menschen ist wie von uns vorhergesagt nicht zu rechtfertigen. Die Angst vor Fans wurde ganz bewusst als Vorwand genutzt, um Grundrechtseinschränkungen durchzusetzen", schreiben die Fanhilfen auf Anfrage der Sportschau.

Fanhilfen erneuern Forderung nach Abschaffung der DGS

Immerhin konnten die Grenzkontrollen fast 1.200 mit Haftbefehl gesuchte Personen identifizieren, die allerdings keine Verbindung mit der Datei "Gewalttäter Sport" besitzen und davon unabhängig zu betrachten sind. Die Fanhilfen erneuerten vor diesem Hintergrund noch einmal ihre Forderung, die Datei "Gewalttäter Sport" grundsätzlich abzuschaffen.

Denn die Ampel-Regierung hatte sich zudem in ihrer Koalitionsvereinbarung vorgenommen, die Datei "Gewalttäter Sport" mit Blick auf Rechtsstaatlichkeit, Löschfristen, Transparenz und Datenschutz zu reformieren. Diese Reform ist zwar bislang ausgeblieben, führte in der Praxis aber dazu, dass die zuständigen Behörden die Kriterien für die Speicherung änderten. Deshalb sind die DGS-Einträge vor der EURO 2024 auch so niedrig gewesen.