Pyrotechnik im Stadion Strafen ohne Wirkung
Mehr als sieben Millionen Euro hat der DFB zuletzt an Strafzahlungen hauptsächlich wegen Bengalos und Co. verhängt. Doch in den Kurven brennt es weiter, weil Pyro für die Anhänger dazugehört. Eine Beilegung des Konflikts ist nicht in Sicht, während der norwegische Fußball jetzt neue Wege geht.
"Ich denke, die Behörden müssen akzeptieren, dass Pyro ein Teil der Fußballkultur ist, und es nicht verschwinden wird", sagt Anders Kjellevold im Gespräch mit der Sportschau. "Sie werden es nicht schaffen, dass durch ein Verbot zu entfernen. Das ist unmöglich. Deshalb muss man überlegen, was man tun kann, um die Sicherheit zu verbessern!"
Pyro erlaubt - unter strengen Auflagen
Kjellevold und die norwegische Fanvereinigung "Norsk Supporterallianse" setzen sich seit Jahren für eine Legalisierung von Pyrotechnik in den Stadien ein. Nun haben sie einen ersten Erfolg erzielt: Zusammen mit dem norwegischen Fußballverband hat man dem Justiz- und Kulturministerium ein Konzept präsentiert. "Und zum Glück haben wir eine positive Resonanz von den Politikern bekommen. Und das ist nun die Grundlage dafür, warum wir dieses Pilotprojekt haben, um zu sehen, wie es funktioniert", sagt Kjellevold.
Bis Ende der kommenden Saison ist in Norwegen nun das Abbrennen von Pyro in den Stadien der ersten und zweiten Liga erlaubt - unter strengen Auflagen. Die Fans müssen über 18 Jahre alt sein, eine Schulung vorab durchlaufen, und nüchtern beim Abbrennen sein. Dazu geht dies nur in markierten Stadionbereichen mit einem Abstand von einem Meter zwischen den Anhängern. Ziel der Maßnahme ist, unerlaubte Nutzung von Pyrotechnik einzudämmen. Am Ende der Saison 2025 soll sich dann über die Erfahrungen ausgetauscht werden.
DFB kassierte "Chemnitzer Weg" ein
Das norwegische Pilotprojekt hält Tommy Haeder, Leiter der Geschäftsstelle beim Regionalligisten Chemnitzer FC, für eine mehr als gute Idee. Beim CFC hat man vor ein paar Jahren schon einmal ein ähnliches Projekt auf den Weg gebracht, das laut Haerder auch richtig gut funktioniert habe.
Auch in Chemnitz durfte damals Pyro kontrolliert abgebrannt werden. Behörden und Entscheidungsträger seien im Vorfeld involviert gewesen. Aber dann habe der DFB den "Chemnitzer Weg" irgendwann einkassiert. "Weil es grundsätzlich laut DFB-Statuten verboten ist, Pyrotechnik im Stadion zu zünden und damit eine Legalisierung nicht möglich ist", wie Haeder sagt.
Beim DFB glaubt man nicht, dass eine eingeschränkte Erlaubnis für Pyro im Stadion das Problem tatsächlich lösen kann. "Für den DFB haben die zurückliegenden Erfahrungen mit behördlich genehmigten Abbrand von Pyrotechnik im Fußballkontext gezeigt, dass es einen hohen Abstimmungsbedarf zwischen Veranstalter, involvierten Behörden und Fans bedarf", schreibt der Verband auf Anfrage der Sportschau. Dieser Aufwand sei auch deshalb nötig, "um zu verhindern, dass Personengruppen, die demonstrativ jeglichen kontrollierten Abbrand von Pyrotechnik ablehnen, entsprechende Aktionen konterkarieren".
Pyro-Strafen auf Rekordniveau
Stattdessen setzt der DFB weiter auf Abschreckung durch Geldstrafen für die Klubs, deren Fans Pyro im Fanblock zünden: Seit der Saison 2018/2019 haben sich die verhängten Strafgelder mehr als verdoppelt. In der Spielzeit 2022/2023 wurden von der DFB-Sportgerichtsbarkeit in fast 300 Verfahren Geldstrafen in Höhe von 7.369.400 Euro ausgesprochen. In der letzten vollständigen Saison vor Corona 2018/19 waren es noch 3.241.775 Euro. Der Hauptteil der Strafen betraf dabei das Abrennen von Pyrotechnik.
DFB-Strafen nur eine Inszenierung?
Für die Soziologin Stephanie Moldenhauer, die zu Konflikten im Fußball forscht, bleibt die Frage, wie wirksam diese Strafen sind. Gerade vor dem Hintergrund, dass aktuell keine Abnahme von Bengalos in den deutschen Stadionkurven auszumachen sei. "Wenn das Ziel ist, dass nicht mehr gezündet wird, dann wirken die Strafen überhaupt nicht", gibt sie im Gespräch mit der Sportschau zu bedenken.
Gehe es dem DFB jedoch darum, Handlungsmacht zu demonstrieren, seien die Strafen dagegen schon wirksam. "Diese Inszenierung findet ja statt. Es wird demonstriert, wir haben die Sache im Griff", sagt Moldenhauer. Eine Regel sei aufgestellt worden, und wenn sie gebrochen werde, werde das entsprechend sanktioniert.
Neue Lösungen nicht in Sicht
Tommy Haeder vom Chemitzer FC ist ebenfalls der Meinung, dass Strafen nicht weiterhelfen. Selbst wenn das Geld anschließend in präventive Maßnahmen gesteckt würde, um den Einsatz von Pyro zu verhindern. "Weil die Verbotspolitik natürlich auch mit der hohen Bestrafung der Vereine eher Frust bei den Fans weckt", sagt Haeder. "Wir sollten da dringendst ein schnelles Umdenken herbeiführen!"
Der norwegische Ansatz sei für ihn einen Versuch wert, weil alles andere bisher nichts gebracht habe. Zudem seien die Strafzahlungen mittlerweile für manche Klubs existenzgefährdend. Allein die Regionalliga Nordost habe dafür vergangene Saison insgesamt rund 390.000 Euro zahlen müssen.
Auch der norwegische Fanvertreter Anders Kjellevold empfiehlt dem deutschen Fußball, die Verbote aufzubrechen. Denn "legale Pyro ist eine Maßnahme, um die Sicherheit zu verbessern". Der DFB schreibt auf Nachfrage, dass für eine Bewertung des norwegischen Modells aktuell detaillierte Informationen fehlten.