Fußballfans Sicherheitsgipfel - zentrale Einrichtung für Stadionverbote soll kommen
Bei einem Treffen der deutschen Innenpolitik mit DFB und DFL zur Sicherheit in Fußballstadien haben sich beide Seiten auf eine Maßnahme geeinigt: Eine zentrale Stelle für Stadionverbote soll kommen. Der Dachverband der Fanhilfen kritisiert das Vorhaben.
Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sagte bei einer Pressekonferenz, dass sich Innenministerinnen und Innenminister der Länder mit DFB und DFL am Freitag nach einer Gesprächsrunde am Münchner Flughafen auf die Einrichtung einer bundesweiten zentralen Kommission für die Verhängung von Stadionverboten verständigt hätten. Dies werde nun geprüft, teilte die DFL mit, bei der die Stelle zunächst angesiedelt werden soll. "DFB und DFL werden sich an der Ausarbeitung eines passenden Konzepts beteiligen."
Bislang werden Stadionverbote in der Regel meist von den Vereinen verhängt, denen die Fans zugeordnet werden. Nach Absprache unter den Klubs und mit dem DFB kann auch bei Vergehen im Rahmen von Auswärtsspielen des jeweiligen Klubs dieser für die Sanktion verantwortlich werden. Die zentrale Stadionverbotskommission solle "konsequent und nach einheitlichen Kritierien" vorgehen, sagte Herrmann - zunächst im Bereich der Bundesliga und 2. Bundesliga. Alle Vereine stünden dann in der Verantwortung, die Maßnahmen durchzusetzen. Sachsens Innenminister Armin Schuster (CDU) sagte, dass Vereine Probleme hätten, "härteste Maßnahmen gegen eigene Mitglieder durchzusetzen".
Bereits jetzt gibt es in den Durchführungsbestimmungen des DFB "Richtlinien zur einheitlichen Behandlung von Stadionverboten", die für alle Klubs gilt. Der Innenpolitik reicht das offenbar nicht.
Bayerns Innenminister Joachim Herrmann
Fanhilfen kritisieren den Vorschlag
Der Dachverband der Fanhilfen kritisierte den Vorschlag. "Die Bildung einer zentralen Kommission für die Bearbeitung von Stadionverboten bedeutet eine deutliche Verschärfung und mehr Repression gegen Fußballfans", teilte Linda Röttig, Vorstandsmitglied im Verband, auf Anfrage der Sportschau mit. "Stadionverbote werden schon heute großteils völlig willkürlich und ohne abgeschlossene Gerichtsverfahren ausgesprochen."
DFB und DFL seien "viel zu weit weg", um Vorfälle individuell beurteilen zu können. "Wenn dieses Vorgehen nun sogar noch verschärft wird, widerspricht dies massiv rechtsstaatlichen Grundsätzen." Fans würden sich dagegen zur Wehr setzen. Das Bündnis Unsere Kurve betonte: "Lokale Stadionverbotskommissionen haben sich über mehr als zehn Jahre bewährt."
Linda Röttig, Vorstandsmitglied im Dachverband der Fanhilfen
Thema Kollektivstrafen zunächst zurückgestellt
Das Thema Kollektivstrafen wie Geisterspiele oder Tribünenschließungen sei zunächst zurückgestellt worden, sagte Herrmann. Er hatte sich zuvor in mehreren Interviews für die Rückkehr zum kollektiven Ausschluss von Fans ausgesprochen, den das DFB-Sportgericht nur noch als letztes Mittel vorsieht und in der Praxis seit 2017 nicht mehr verhängt hat.
"Fußball ist insgesamt in Deutschland kein Gewaltproblem", sagte Herrmann. "Es sind auf der anderen Seite zu viele Vorfälle als dass wir das negieren können. Wir sind entscheidende Punkte vorangekommen."
DFL-Aufsichtsratschef Hans-Joachim Watzke, der auch DFB-Vizepräsident und Geschäftsführer von Borussia Dortmund ist, sagte, dass das Treffen "durchaus mal konfrontativ" gewesen sei, lobte aber den Gesprächsverlauf. DFB-Präsident Bernd Neuendorf stellte klar: "Wir sind der Auffassung, dass das Stadionerlebnis sicher ist." Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) war ursprünglich für das Treffen ebenfalls eingeplant, sagte ihre Teilnahme wegen Beratungen im Bundestag aber kurzfristig ab.
ZIS-Bericht: Mehr Pyrotechnik im Vergleich zur Zeit vor Corona
Einen Hinweis auf die Sicherheitslage in Deutschlands Stadien gibt der Jahresbericht der Zentralen Informationsstelle Sporteinsätze (ZIS) der Polizei. Die aktuelle Version bezieht sich auf die Saison 2022/23, die sich wegen der zwischenzeitlichen Coronamaßnahmen am besten mit der Saison 2018/19 vergleichen lässt.
Die Zahl der eingeleiteten Strafverfahren im Rahmen der Spiele in der Bundesliga, der 2. Bundesliga und 3. Liga erhöhte sich, auch die Zahl der verletzten Personen stieg von 1.127 auf 1.176. Im Verhältnis zu den Besucherzahlen erhöhte sich der Anteil der verletzten Menschen von 0,0051 Prozent auf 0,0052 Prozent. "Das sind 1.176 verletzte Personen zu viel", schrieb der DFB im April. "Daraus abzuleiten, dass der Stadionbesuch nicht sicher ist, geht aber an der Realität vorbei."
18/19 | 22/23 | +/- | |
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Besucher | 22,0 Mio. | 22,8 Mio. | +3,86 % |
Verfahren | 5.271 | 5.498 | +4,31 % |
Verletzte | 1.127 | 1.176 | +4,35 % |
Verletzte Pyro | 152 | 92 | -39,47 % |
Polizeidirektor Oliver Strudthoff, der die ZIS leitet, teilte zu dem Bericht mit: "Ob die gestiegenen Zahlen auch künftig Bestand haben werden, bleibt abzuwarten." Gleichzeitig forderte er angesichts der gestiegenen Zahl an Strafverfahren eine konsequentere Anwendung von Stadionverboten, was bislang ausgeblieben sei. Auf diese Forderung ging die Runde nun ein.
Die unerlaubte Verwendung von Pyrotechnik hat laut DFB 2022/23 "signifikant zugenommen", auch die ZIS meldet in diesem Bereich einen deutlichen Anstieg und verweist auf die Gefahren von Feuerwerk in den Kurven. Die Zahl der Verletzungen infolge der Verwendung von Pyrotechnik in den drei Ligen ist dem ZIS-Bericht zufolge gesunken.
Pyrotechnik auf der Südtribüne in Dortmund
"Unsere Kurve" fordert: Prävention stärken
Jost Peter, 1. Vorsitzender beim Fanbündnis Unsere Kurve, sprach im Bayerischen Rundfunk über die Ergebnisse des Treffens. Peter kritisierte die Fragestellung nach Strafen und forderte stattdessen zur Prävention eine "massive Stärkung" der sozialpädagogischen Fanprojekte.
Diese Fanprojekte hätten in der 90er Jahren dafür gesorgt "dass die Hooliganbewegung kein Bein mehr auf den Boden bekam", sagte Peter. "Dafür muss vom Staat, von den Vereinen und den Verbänden wieder mehr Geld zur Verfügung gestellt werden." Das sei eine erfolgreiche Strategie, das Vorgehen mit Bestrafungen sei gescheitert, dies habe "nichts geändert".
Fans sollen künftig einbezogen werden
Nach der Gesprächsrunde in München wurde verkündet, dass die generelle Zusammenarbeit zwischen Verbänden und Politik verstetigt werden soll, auch unter Einbeziehung von Fangruppen.
Der Dachverband der Fanhilfen hatte vorab kritisiert, dass Fanvertreter nicht zu den Gesprächen eingeladen sind. "Wieder einmal wird über und nicht mit den Fans gesprochen", hieß es in einem Brief des Verbands an Bundesinnenministerin Faeser. Fans würden "als Sicherheitsrisiko gesehen und eine Gefahrenlage im Rahmen von Fußballspielen beschrieben, die nicht der Realität entspricht". Die aufgestellten Forderungen von Bayerns Innenminister Herrmann seien Populismus, hieß es in einer vorherigen Stellungnahme.