Riesige Datensammlung Braucht der DFB die vielen Kinderfotos wirklich?
Der DFB sammelt für seine Spielerpässe Hunderttausende Porträtfotos von Kindern, auch von den kleinsten. Ist das wirklich nötig?
Die neuen Spielformen im Kinderfußball bringen ein Thema mit Konfliktpotenzial auf den Tisch des Deutschen Fußball-Bundes (DFB). Es geht um die Spielerpässe, zu denen seit Jahr und Tag auch ein Foto gehört. Sie sorgen unter anderem dafür, dass Schiedsrichter die Spieler identifizieren können. So sollen Vereine auffliegen, die zum Beispiel ältere Spieler in jüngeren Jahrgängen einsetzen.
Dieses Vorgehen war stets unumstritten, sorgte schließlich auch für einen fairen Wettbewerb. Früher bestanden die Pässe aus Papier und Fotoabzug. Seit der vergangenen Saison hat das Papier jedoch ausgedient, die Pässe gibt es ausschließlich digital. Dafür müssen die Vereine Fotos und Daten der Kinder in das Verwaltungsportal DFBnet hochladen.
Geldstrafe für fehlende Fotos
Der DFB häuft dadurch eine enorme Sammlung digitaler Kinder-Porträts an - ein sensibles Thema, findet ein Bambinitrainer aus Nordrhein-Westfalen. Für Altersklassen, in denen es um Tabellen, Auf- und Abstiege geht, hält er die Sammlung für gerechtfertigt. Aber im neuen Kinderfußball?
Bei den Kleinfeld-Turnieren gehe es lockerer zu, es herrsche eher ein Miteinander als Konkurrenzdenken. "Da regeln wir Trainer das unkompliziert untereinander, helfen uns auch schon mal mit Spielern aus." Spielerpass-Kontrollen fänden nicht statt. Trotzdem verlange der Landesverband, dass der Verein auch für die Vier- bis Sechsjährigen Fotos hochlädt - sonst drohe eine Strafe von 5 bis 10 Euro pro Fall.
"Ist ein Bild einmal hochgeladen, entzieht es sich jeglicher Kontrolle"
Viele Eltern sind sehr zurückhaltend, wenn es um Fotos der eigenen Kinder im Internet geht, aus guten Gründen. "Ist ein Bild einmal hochgeladen, entzieht es sich jeglicher Kontrolle", sagt Julia von Weiler der Sportschau. Mit der Organisation Innocence in Danger setzt sie sich für den Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexualisierter Gewalt insbesondere im digitalen Raum ein. Beispiele für den Missbrauch von Kinderfotos gibt es viele.
Die im DFBnet hochgeladenen Kinderfotos sind zwar nur öffentlich auffindbar, wenn die Eltern ausdrücklich zugestimmt haben - dann erscheinen sie auch in Spielberichten auf fussball.de. Aber auch ohne Zustimmung hat ein gewisser Personenkreis Zugriff auf die Daten: für den Spielbetrieb zuständige Funktionäre, Schiedsrichter und auch die Trainer der gegnerischen Mannschaften, damit sie im Zweifel die Pässe kontrollieren können.
Führungszeugnis ein Mindeststandard
All diese Personen müssen, da sie im Jugendfußball tätig sind, ein polizeiliches Führungszeugnis vorlegen. "Dieses Führungszeugnis ist ein Mindeststandard und sagt nur aus, dass jemand nicht vorbestraft ist - also nur noch nicht erwischt worden ist", sagt von Weiler.
Nun handelt es sich bei den Fotos im DFBnet um harmlose Porträtbilder, allerdings verraten alle Daten zusammen viel über das Kind: Aussehen, Geburtstag, Verein, Spielorte. "Man kann da gar nicht absurd genug denken, wie Täter da vorgehen", sagt von Weiler.
Verband kanzelt Bedenken ab
Unabhängig von der tatsächlichen Gefahr gibt es die Datenschutz-Grundsätze Datenvermeidung und Datensparsamkeit. Personenbezogene Daten sollen demnach nur gesammelt werden, wenn dies unbedingt nötig ist.
Aus Sicht des besagten Bambinitrainers aus NRW ist dies im neuen Kinderfußball nicht der Fall, also wandte er sich per Mail an seinen Verband. Er verwies darauf, dass die verlangten Informationen "sehr sensible personenbezogene Daten beinhalten, die gerade bei Kleinkindern besonders geschützt sind". Auf Verständnis stieß er nicht. Nach kurzem Mailwechsel erhielt er letztlich die Antwort, dass man seine Mannschaft ja aus dem Spielbetrieb herausnehmen könne.
Kein Verband plant Änderungen
Das Thema betrifft deutschlandweit Hunderttausende Kinder und deren Eltern. Die Sportschau hat deshalb bei allen Landesverbänden nachgefragt, wie sie es in der Praxis handhaben.
Den Antworten zufolge variiert die Höhe der möglichen Strafen bei fehlenden Fotos, aber die Pflicht dazu gilt bundesweit und mit nur wenigen Ausnahmen in jeder Altersklasse. Oft wird dies mit rechtlichen Aspekten und dem Versicherungsschutz begründet. Keiner der Verbände plant aktuell, die Datensammlung angesichts der neuen Spielformen zu reduzieren.
Teilnehmerliste als Alternative?
Dabei scheint es durchaus Alternativen zu geben. Im Fußballverband Rheinland gilt die Pflicht für Spielerpässe und -fotos zum Beispiel erst ab der F-Jugend. Bei Spielfesten der G-Junioren, also der Bambinis, reichen Teilnehmerlisten mit den Geburtsdaten, "um auch aus versicherungstechnischen Gründen nachverfolgen zu können, wer mitgespielt hat", schreibt der Verband.
Gut möglich also, dass sich demnächst doch noch etwas bewegt, wenn sich die Verbände intensiver mit den Bedenken von Eltern und möglichen Verstößen gegen Datenschutz-Grundsätze beschäftigen.