Kein deutscher Tournee-Sieg Bundestrainer Horngacher "sehr zufrieden"
Vor dem dritten Springen der Vierschanzentournee hat Bundestrainer Stefan Horngacher eine überraschend positive Zwischenbilanz gezogen. Seine Springer sind da vorsichtiger.
"Beste Aussichten" prangt in großen weißen Lettern auf einem Banner hinter den deutschen Skispringern. Karl Geiger und Andreas Wellinger scherzen, Bundestrainer Stefan Horngacher plaudert vor dem Beginn der Presskonferenz noch über die benachbarte Bob-Bahn – die Stimmung ist locker, wirkt beinahe entspannt. "Ich bin sehr zufrieden", bilanziert Horngacher dann die ersten beiden Springen der Vierschanzentournee aus Sicht des deutschen Teams.
Dabei sind die Aussichten gar nicht mal so gut, wie das Banner im Hintergrund verspricht. Zwar sind mit Geiger und Wellinger auf den Rängen fünf und sechs gleich zwei DSV-Adler in den Top Ten der Gesamtwertung – mit dem Sieg aber werden beide nichts mehr zu tun haben. "Es war von Anfang an klar, dass wir hier nicht unbedingt um den Sieg mitspringen", sagt Horngacher. Nicht unbedingt. Und doch, zeichnet der Bundestrainer ein positives Bild, schwärmt von seinen Springern, auch jenen, bei denen es gerade nicht so läuft.
Impulskontrolle im deutschen Team
Mit Constantin Schmid – aktuell auf Platz 23 – sei er "sehr zufrieden". Schmid selbst wirkte in den vergangenen Tagen nur selten "sehr zufrieden", haderte mit fehlender Konstanz, schwierigen Verhältnissen und warf in Garmisch-Partenkirchen gar die Tasche mit seinen Skischuhen wütend in eine Ecke. Mehr Impulskontrolle dagegen beim sonst so emotionalen Markus Eisenbichler, der sich vor dieser Saison eben jene Impulskontrolle selbst verordnet hatte und jetzt zwischen stoischer Gelassenheit und Zweckoptimismus mäandert.
"Er ist eigentlich nicht weit weg", sagt Horngacher über den Siegsdorfer, der weder in Oberstdorf noch in Garmisch-Partenkirchen den Sprung in den zweiten Durchgang schaffte: "Er braucht einfach Zeit und Ruhe. Und dann kann es bei ihm wahnsinnig schnell gehen." Für Eisenbichler sei das Ziel jetzt ohnehin die Nordische Ski-WM in Planica Ende Februar. In der Tournee-Gesamtwertung ist er aktuell 37.
Demut und Hoffnung
Ganz vorne – also, da wo das deutsche Team aktuell nicht ist, sei die Luft ohnehin sehr dünn, betont Horngacher. "Aber für alle, nicht nur für uns. Und im erweiterten Jägerkreis sind wir dabei und das ist sehr, sehr positiv", sagt der Bundestrainer. Mit Geiger und Wellinger gäbe es immerhin gleich zwei DSV-Adler, "die die andern jagen dürfen". Das klingt beinahe demütig, als habe das deutsche Team nicht das Selbstverständnis bei der Tournee wirklich angreifen zu können.
Auch Karl Geiger wählt seine Worte mit Bedacht und hofft, dass "mal einer rausrutscht". Ein Sprung, mit dem er Granerud, dem Zweitplatzierten Dawid Kubacki oder seinem polnischen Landsmann Piotr Żyła auf Rang drei gefährlich werden kann: "Dass man denen mal eine vor den Latz geben und sagen kann: 'Ihr müsst auch mit uns noch rechnen.'" Wirklich überzeugt davon, dass das tatsächlich klappt, wirkt aber auch Geiger nicht.
Leichtigkeit erarbeiten?
Die Leichtigkeit, das Selbstverständnis, all das, was im Skispringen so wichtig ist, fehlt vielen im deutschen Team aktuell. Das weiß auch Andreas Wellinger, der aber glaubt: "Mit der nötigen Geduld werden wir uns auch die Leichtigkeit erarbeiten." Eine Formulierung, die beinahe widersprüchlich klingt – in Wellingers Fall zuletzt aber aufgegangen ist. Nach schwerer Verletzung und dem harten Weg zurück hat er sich mit viel Geduld zurückgekämpft, hat sich die Leichtigkeit und eine gewisse Coolness wieder erarbeitet. Auch deshalb fällt Wellinger aus der eher durchwachsenen deutschen Halbzeitbilanz bei der Vierschanzentournee heraus – im besten Sinne.
Genau wie Philipp Raimund. Der Youngster im Team – unbeeindruckt, genießt in seinen ersten Weltcup-Springen die Atmosphäre, schreibt Autogramme und spielt mit der Kamera. Auch mit "Hille", wie ihn die Teamkollegen nennen, ist der Bundestrainer "sehr, sehr zufrieden". Mit Blick auf den 22-Jährigen ist das allerdings weit weniger überraschend als beim gesamten Team. "Man kann nicht von einer negativen Bilanz sprechen, sondern von einer positiven", sagt Horngacher bestimmt. Vielleicht gibt es dann ja doch noch "beste Aussichten".