Sven Hannawald

Vor dem Skisprung-Saisonauftakt Sven Hannawald: "Konkurrenz im deutschen Team ist gewachsen"

Stand: 21.11.2023 15:27 Uhr

Am Wochenende geht es endlich los: Der Skisprung-Weltcup startet. Wer sind die Favoriten? Sportschau-Experte Sven Hannawald schaut auch auf die deutschen Athleten.

Das wird wie beim Geburtstag oder Weihnachten am kommenden Wochenende, weit im Norden nahe des finnischen Polarkreises. Diese Assoziation hat zumindest Sportschau-Skisprung-Experte Sven Hannawald, wenn er an den Weltcup-Auftakt der Skispringer und die Frage nach den Saisonfavoriten denkt. "Ich finde schön, dass keiner sagen kann, der wird es. Weil wir dann alle wie vor dem Geburtstag oder Weihnachten nicht wissen, was wir auspacken", freut sich Hannawald wenige Tage vor dem Saisonstart auf die Springen am Samstag (25.11.2023, 16.15 Uhr) und Sonntag (26.11.2023, 16.15 Uhr).

Wer sind die Favoriten der neuen Saison? Schwer zu sagen. Die Top 5 der vergangenen Saison Halvor Egner Granerud aus Norwegen, Stefan Kraft aus Österreich, Anze Lanisek aus Slowenien, Dawid Kubacki aus Polen oder Ryoyu Kobayashi aus Japan zählen sicher dazu.

Halvor Egner Granerud: Sturz und Konstanz

Granerud dürfte als konstantester Springer der vergangenen Jahre als der Top-Gejagte in die Saison gehen. Im vergangenen Winter gewann er nicht nur den Gesamt-Weltcup, sondern auch die Vierschanzentournee und wurde bei der Skiflug-WM Zweiter. Der Sommer begann aber holprig, der 27-Jährige stürzte im Juni bei einem Test mit neuen Anzügen. Granreud hatte Glück, kam nur mit Prellungen davon. Im Laufe des Sommers lief es dann besser. Beim Grand-Prix-Finale in Klingenthal wurde er Vierter, Ende Oktober gewann er die norwegischen Meisterschaften.

Nach seinem Sieg bei der Vierschanzentournee wird Halvor Egner Granerud durch das Stadion in Bischofshofen getragen

Granerud nach dem Sieg bei der Vierschanzentournee.

Stefan Kraft peilt 100. Weltcup-Podest an

Im Sommer-Grand-Prix ließen sich die Top-Athleten des Vorjahres nur ein- oder zweimal blicken. Kraft gewann immerhin die Qualifikation in Klingenthal. Der Österreicher, der in den vergangenen fünf Einzelwettkämpfen in Ruka immer aufs Podest sprang, peilt in dieser Saison eine besondere Marke an. Kraft stand bisher 98 Mal auf dem "Stockerl", könnte die 100 Podestplatzierungen knacken.

Andreas Wellinger "hat gelernt, sich zu fokussieren"

Und die Deutschen? Die besten Chancen auf vordere Plätze dürften Andreas Welllinger und Karl Geiger haben. Wellinger feierte in der vergangenen Saison zwei Weltcupsiege, wurde bei den deutschen Meisterschaften Anfang November Vierter (mit starken 140,5 Metern im zweiten Durchgang) und Meister im Team. "Er hat gelernt, sich zu fokussieren, in kleinen Schritten zu denken", lobt Hannnawald. "Er bleibt dran, er knüpft an das an, was er uns letzte Saison präsentiert hat. Und ist noch einen Schritt weitergegangen. Er macht kleine Schritte nach vorn", lobt der 49-Jährige.

Bester DSV-Adler beim Abschluss in Planica: Andreas Wellinger.

Andreas Wellinger

Karl Geiger "ist weiter der Arbeiter"

Geiger sprang in der vergangenen Saison in Einzel-Wettkämpfen viermal aufs Weltcup-Podest, wurde im Mixed-Team Weltmeister. Bei den Sommer-Springen in Klingenthal kam er beim Grand Prix auf Rang zwölf, bei den deutschen Meisterschaften wurde er Einzel-Fünfter und Team-Meister. Mit 141 Metern im Team-Wettbewerb landete der Oberstdorfer dabei die größte Weite des gesamten DM-Wochenendes. "Karl ist weiter der Arbeiter", weiß Hannnawald. "Es braucht für sich, für seine Körpergröße und die extremen Winkel, die er hat mit seinen langen Beinen, den einen oder anderen Sprung, um sein System einzugrooven", erklärt Hannawald: "Bei ihm geht es darum, weiter dranzubleiben."

Geiger: "Versucht, das System aufzubrechen"

Geiger ist später in den Sommer eingestiegen, "weil wir versucht haben, das System aufzubrechen", erklärt er am Sportschau-Mikrofon: "Wir sind auf die Fehlersuche gegangen und haben einige Sachen ausprobiert. Sowohl springerisch als auch in der Materialabstimmung. Es war wichtig, dass ich mir die Zeit gegeben habe, mich ohne Wettkampfdruck und sukzessive heranzutesten." Das scheint sich gelohnt zu haben. Kurz vor der Saison sagt er: "Mein Bauchgefühl ist ganz positiv gestimmt."

Hamann und Raimund - "Die riechen Lunte"

Lob vom Vierschanzentournee-Gewinner und Olympiasieger von 2002 bekommen der Auer Martin Hamann und Philipp Raimund aus Oberstdorf. Die beiden sprangen mit dem Meistertitel und DM-Bronze ins Weltcup-Team. "Das ist die junge Garde, die riecht gerade Lunte", erklärt Hamann: "Die sind forsch, die gehen auch mal über das Ziel hinaus. Speziell Hamann und Raimund sind die beiden, die frisches Feuer reinbringen und die Arrivierten reizen."

Eisenbichler verpasst Quali - "Nicht so negativ"

Einer der scheinbar Arrivierten ist dabei zum Saisonauftakt gar nicht dabei. Markus Eisenbichler kam bei den deutschen Meisterschaften als Zehnter überhaupt nicht zurecht und wurde erstmal aus dem Weltcup-Kader gestrichen. "Die deutschen Meisterschaften waren auf einer Schanze, wo er den schweren Sturz hatte. Er ist auch nicht mehr 20, sondern hat ein gewisses Alter. Da steckst Du bestimmte Sachen nicht mehr so leicht weg vom Kopf her", erklärt Hannawald das Eisenbichler-Aus. Der Siegsdorfer hatte laut Hannawald beim Training in Oberstdorf ein paar "Super-Sprünge gezeigt. Aber nicht auf so einem stabilem Niveau." Und das wäre dem Sechsfach-Weltmeister dann in Klingenthal zum Verhängnis geworden.

Jetzt erst einmal im zweitklassigen Continental-Cup zu starten, gäbe Eisenbichler "die Möglichkeit, aus der zweiten Reihe ruhiger in die Saison reinzuspringen. Ich finde es nicht so negativ", blickt Hannawald voraus.

Zografski, Deschwanden oder Nikaido?

Mit dabei sein beim Weltcup-Auftakt werden aber die Top drei des Sommer-Grand-Prix. Die Sprungserie gewann der Bulgare Vladimir Zografski vor dem Schweizer Gregor Deschwanden und dem erst 22-jährigen Ren Nikaido aus Japan. Können Zografski und Co. auch im Weltcup überzeugen? Das Trio dürfte eher nicht zu den Sieganwärtern zählen. Die Punkte für das Sommer-Grand-Prix-Podest sammelten sie, weil sie, anders als die meisten Top-Athleten, bei allen Stationen dabei waren. Gerade Zografski dürfte mit dem Gesamtsieg aber einiges an Selbstvertrauen in den Weltcup mitnehmen. Bisher sprang er hier dreimal in die Top 10 - vielleicht kommen im kommenden Winter noch ein paar weitere Platzierungen unter den besten Zehn hinzu.