Alpine Ski-WM Für Tonga bei der WM - der Ski-Traum des Kasete Skeen
Der Tongaer Kasete-Naufahu Skeen hat sich erst mit 36 Jahren für eine Profikarriere entschieden. An der Ski-WM in Courchevel nimmt er trotzdem teil - und erhofft sich dadurch ein Zeichen für sein Land.
Mit einem langen Schwung bewältigt der Mann im rot-weiß-schwarzen Rennanzug den letzten Buckel ganz oben auf den Bergen Courchevels und macht sich auf Richtung Zielstadion. Auf den ersten Blick mag sein Skitrikot zumindest noch ein wenig an Österreich erinnern – es ist auch vom gleichen Hersteller. Die Handschuhe aber, die er trägt, stammen wiederum vom Deutschen Skiverband – samt DSV-Aufschrift.
Kasete-Naufahu Skeen fährt jedoch weder für das Alpenland noch für die Bundesrepublik Skirennen, sondern für Tonga, einem Inselstaat im Pazifik. Als einziger Teilnehmer seines Landes tritt der 40-Jährige bei der Ski-WM in Courchevel/Méribel an. Mit einem breiten Grinsen stoppt er im Zielraum ab: "Es ist eine große Ehre, Tonga, auf internationaler Bühne zu vertreten", sagt er in der Trainingspause. Er will damit auch Jüngere in Tonga inspirieren, den Skisport für sich zu entdecken. Eigentlich ist ja Rugby Nationalsport, das 100.000-Einwohner-Land ist in der Sportart regelmäßig bei Weltmeisterschaften vertreten. "In Tonga ist der ganze Schnee geschmolzen, wir haben nur noch Wasser. Wir haben einige Berge, aber die sind unter dem Ozean", sagt Skeen mit einem Lachen.
Vom "Holiday Skier" zum Ski-Profi
Er selbst kam über seine schwedische Freundin zum Skifahren, war erst "Holiday Skier", wie er sagt. Im Alter von 36 Jahren packte er das Thema dann richtig an, entschied sich für die Profikarriere. Samt sportlichem Leiter aus Deutschland, Steve Grundmann: "Es ist nie zu spät, das Skifahren zu lernen", sagt der: "Er war ja schon ein guter Freizeitskifahrer. Das heißt, die Grundlagen waren da. Dann geht es darum, die Renntechnik zu lernen. Und das hat er ziemlich gut gemacht. Die Disziplin und vor allem die Freude, der Spaß und der pure Wille sind da. Und das ist eigentlich das, was zählt."
Nicht nur Deutschlands historischer Gold-Gewinner Alexander Schmid und all die anderen Topfahrer, auch der Tongaer Skeen ist ein Teil dieser 47. Ski-Weltmeisterschaften in Frankreich. Anders als der Ausnahmekönner Schmid musste er sich am Donnerstag (16.02.2023) aber erst noch für den WM-Riesenslalom am Freitag (ab 10 Uhr im Sportschau-Livestream) qualifizieren, was allerdings nicht klappte: Skeen, als Viertletzter gestartet, kam nach zwei Läufen mit mehr als einer Minute Rückstand auf den Sieger Benjamin Szollos (Israel) als 72. ins Ziel.
2019 mit Handbruch dabei, 2021 kurz nach einer Verletzung
Um ihn herum: Skirennfahrer aus Haiti, den Kapverden, Armenien, Ghana oder Libanon. "Es ist wirklich schön zu sehen, dass nicht nur traditionelle Alpinnationen an der WM teilnehmen", sagt Skeen: "Ich würde den Sport gerne außerhalb von Nordamerika und Europa weiterwachsen sehen. Dass das passiert, dafür braucht es Menschen, die teilnehmen." Ob seine Freunde auf Tonga was mitbekommen haben? Da hofft er auf die Medien aus Australien und Neuseeland.
Viel mehr als das reine Ergebnis zählt es für ihn, wieder dabei zu sein, Spaß zu haben. Zum dritten Mal fuhr er bei einer WM mit: 2019 mit einem Handbruch, 2021 kurz nach einer Verletzung. Nun war er erstmals richtig fit.
Deutschlands Weltmeister Schmid: "Macht WM-Flair aus"
Der Allgäuer Weltmeister Schmid honoriert die Anstrengungen der Underdogs: "Ich finde es eine coole Sache, dass sie mit am Start stehen. Und es macht halt auch den Flair einer WM aus", sagt er. Vor zwei Jahren in Cortina hatte er Kontakt mit Jamaikanern. "Das ist schon interessant, sie fragen dich, welche Linie man fährt oder wie man am besten den Schwung ansetzt." Hilfe vom Weltklassefahrer schadet auf der Piste nie.
Schließlich müssen die Fahrer kleinerer Nationen abseits umso mehr auch Planer ihrer Karrieren sein. Skeen hat 2017 seinen Job gekündigt, ein Crowdfunding gestartet und dabei 15.000 Euro eingenommen. Zudem bekam er erste Sponsoren. "Jetzt kommt das Geld vor allem aus unseren eigenen Taschen", sagt er allerdings. Sponsoren finden Teilnehmer der drittklassigen FIS-Rennen eben nicht so locker. Und die laufenden Kosten sind für Tongaer auch größer als in anderen Skinationen. Skeen kann nicht dreißig Paar Schuhe oder zehn Hotelzimmer auf einmal ordern und sich Mengenrabatt sichern, sondern muss immer jeweils eines kaufen oder mieten. Ganz leicht ist das nicht, Skeen arbeitet nebenher als Englischlehrer in Schweden.
Tongas Wintersporthelden Bruno Banani, Pita Taufatofua, Kasete Skeen
Grundmann erzählt davon, dass er bei Olympia 2014 in Sotschi den tongaischen Rodler Bruno Banani kennenlernte und so auf den Verband aufmerksam wurde. Vier Jahre später lief der Langläufer Pita Taufatofua bei der Eröffnungsfeier mit nacktem Oberkörper und eingeölter Brust ein – ein Bild, das um die Welt ging.
Skeen wartet dagegen noch auf seinen Olympia-Moment: 2022 verhinderte eine Corona-Infektion seine Teilnahme in Peking. In drei Jahren aber soll es dann so weit sein, was auch im Land gut ankommen würde: Denn Grundmann, für den das Engagement in Tonga eine Herzensangelegenheit ist, erzählt auch davon, dass es der Traum des früheren, mittlerweile verstorbenen Königs war, ein eigenes Ski-Team zu haben: "Das haben wir realisieren können."