Gino Caviezel wird mit dem Helikopter abtransportiert

Ski Alpin Trotz vieler Stürze - der Airbag kommt nicht überall gut an

Stand: 30.12.2024 09:13 Uhr

Die schweren Stürze von Cyprien Sarrazin und Gino Caviezel sorgen für Diskussionen um die Sicherheit der Athleten. Doch es geht nicht nur um die Piste, sondern auch um mögliche Hilfen in der Ausrüstung. Seit dieser Saison gilt eine Airbagpflicht in den Speed-Disziplinen, doch diese kann leicht umgangen werden.

Auch der Super-G am Sonntag in Bormio kam nicht ohne Helikopter-Einsatz aus. Startläufer Gino Caviezel war am San-Pietro-Sprung gestürzt und verletzte sich schwer am Knie. Die Bergung dauerte knapp 20 Minuten. Der Schweizer ist damit der dritte Verunglückte an diesem Wochenende auf der Stelvio.

Schon am Freitag war der Franzose Cyprien Sarrazin im Training schwer gestürzt und aus großer Höhe auf den Kopf gefallen. Der Abfahrtsspezialist trug eine Hirnblutung davon und liegt weiterhin auf der Intensivstation. Im selben Training zog sich Pietro Zazzi auf seiner Heimpiste einen Schien- und Wadenbeinbruch zu.

FIS-Renndirektor Waldner weist Kritik zurück

Danach hatte sich unter den Athleten Widerstand ob der Streckenführung und -beschaffenheit geregt. Zumal die Piste in zwei Jahren Austragungsort von Abfahrt und Super G bei den Olympischen Spielen 2026 in Cortina d'Ampezzo ist. FIS-Renndirektor Markus Waldner wies die Kritik zurück. Sie sei "nicht ganz gerechtfertigt", sagte er. Er kenne "niemanden, der eine 3,5 Kilometer lange Strecke gleichmäßig präparieren kann".

Die Stelvio ist berüchtigt, zeigt sie doch regelmäßig den Athleten die Zähne. Im vergangenen Jahr riss sich der Österreicher Marco Schwarz dort das Kreuzband. Schwere Verletzungen können auf den schwersten Pisten des Weltcup-Programms vorkommen.

Dennoch fällt auf, die Zahl der Unglücke im Weltcup nimmt zu. In dieser Saison sind zwölf Fahrer der Top 30 derzeit außer Gefecht gesetzt. Der Norweger Aleksander Aamodt Kilde stürzte im vergangenen Winter in Wengen so schwer, dass an eine Rückkehr in den Weltcup vorerst nicht zu denken ist.

Auch in diesem Winter viele Ausfälle

Doch warum verletzten sich so viele Athleten im Weltcup so schwer? Die Gründe liegen zum einen in der immer höher werdenden Belastung. Die Athleten reizten das Material und die Bedingungen aus, gibt Waldner die Kritik an die Athleten zurück: "Es gibt keinen Spielraum mehr. Wenn man ans Limit geht, passieren solche Dinge."

Zum anderen will der Weltverband immer mehr Rennen sehen, um diese besser vermarkten zu können. Im vergangenen Winter fanden so in Wengen, ebenfalls eine der anspruchvollsten Pisten im Programm, zwei Abfahrten und ein Super-G statt. Ausgerechnet im letzten der drei Rennen verletzte sich Kilde schwer.

Airbag-Pflicht leicht zu umgehen

Auch vor dem Hintergrund dieser Ereignisse führte die FIS eine Pflicht zum Tragen eines Airbags in Abfahrt und Super-G ein. Dieser löst bei ruckartigen Bewegungen aus und soll bei Stürzen schwere Verletzungen verhindern. Den Airbag gibt es schon seit langem.

Die Pflicht ist aber leicht zu umgehen. Die Athleten können durch Angabe von medizinischen, technischen oder phsyiologischen Gründen eine Ausnahmegenehmigung erwirken. 38 Fahrer in der aktuellen Saison haben diese bekommen, so auch der Deutsche Simon Jocher: "Aktuell fahre ich mit Airbag, ich gebe aber zu, dass ich die Ausnahmegenehmigung habe", erklärt der Bayer im ZDF. Für den Österreicher Stefan Babinsky ist das kein "großes Thema, weil ich seit Jahren mit dem Airbag unterwegs bin".

Andre Siems, Sportschau, 28.12.2024 14:17 Uhr

Angst vor Fehlauslösungen des Airbags

Doch nicht alle sehen das so entspannt. Babinskys Landsmann Vincent Kriechmayr fährt ohne Airbag. Er befürchtet mögliche Fehlauslösungen. Auch Jocher hat eine solche Fehlzündung schon erlebt mit einem Vorgängermodell: "Natürlich ist man irritiert, man ist ja eingeschränkt, wenn der aufgeblasen ist."

Der Österreicher Kriechmayr suchte mit seiner Sorge den Kontakt zum Weltverband und wollte wissen, ob er bei einer möglichen Fehlauslösungen des Airbags im Rennen dann eine zweite Chance erhalte. Die FIS teilte ihm daraufhin mit, dass das der jeweilige Rennleiter entscheide. "Das ist für mich nicht zielführend, wenn ich abhängig bin von der Gutmütigkeit des Rennleiters bin", wird Kriechmayr deutlich.

Baumann über Airbag: "Im Sinne der Sicherheit"

DSV-Fahrer Romed Baumann überlegte nach eigener Aussage lange, ob er eine Ausnahmegenehmigung beantrage, entschied sich letztlich aber dagegen. "Ich habe dann gesagt, 'ich ziehe das jetzt durch'. Es ist im Sinne der Sicherheit", so Baumann im ZDF.

Der Airbag wird von einem italienischen Hersteller produziert. Dieser hat das Hilfsmittel auf Basis eines Motorrad-Airbags entwickelt und über zehn Jahre Daten im Weltcup gesammelt. Konkurrenzprodukte gibt es keine. Auch das sorgt für Unmut und Unsicherheit unter den Athleten.

Schnittfeste Ausrüstung in der Diskussion

Weitere Maßnahmen für mehr Sicherheit könnte in Zukunft das Tragen von schnittfester Unterwäsche bringen. Dass die Kanten der Ski messerscharf sind, musste Kilde am eigenen Leib erleben. Der Norweger zog sich bei seinem Sturz in Wengen eine tiefe Fleischwunde zu. Mit entsprechend schnittfester Ausrüstung hätte das eventuell verhindert werden können.