Nordische Ski-WM in Planica Top Wettkämpfe, aber kaum Interesse
Man kennt die Bilder vom Skifliegen in Planica: 20.000 Zuschauer und mehr säumen die Schanze. Bei der Nordischen Ski-WM ist man davon weit entfernt. Dabei hatten die Organisatoren im Vorfeld ein großes Fest angekündigt. Nun aber müssen sie zugeben, sich verkalkuliert zu haben. Es soll versucht werden, die Verluste möglichst gering zu halten. Der Weltverband plant Veränderungen.
Die Nordische Ski-WM in Planica ist in der zweiten Woche angekommen, die Wettkämpfe auf den Schanzen und in der Loipe sind in den meisten Fällen spannend bis zum Ende und aus deutscher Sicht sehr erfolgreich. Allerdings fehlt etwas bei der WM: die erhofften Zuschauermassen.
Im Vorfeld hatten die Organisatoren auf knapp 150.000 bis 200.000 Zuschauer gesetzt. Das wären auf die zehn Wettkampftage bezogen 15.000 bis 20.000 pro Tag. Die Realität sieht aber völlig anders aus. Als im Mixed-Team bei der Nordische Kombination um die Medaillen gekämpft wurde, waren etwa 500 Zuschauer dabei. Auch beim Skispringen waren es nur knapp 200 mehr. Das sind nicht die Zahlen, die man von Nordischen Ski-Weltmeisterschaften gewohnt ist.
Geiger und Hennig enttäuscht vom Zuspruch
Das sieht auch Hermann Weinbuch, Bundestrainer in der Nordischen Kombination, so: "Es ist schade, dass so wenige Zuschauer da sind. Ich hätte mir schon etwas mehr Stimmung und Feeling gewünscht. Das war sonst mehr." Vinzenz Geiger hatte auf ähnliche Bilder wie beim Skifliegen gehofft. Enttäuschung herrscht auch bei Langläuferin Katharina Hennig: "Es ist ja eine coole Kulisse hier in den Bergen, da habe ich schon gedacht, dass mehr Zuschauer kommen." Bei den Preisen, die verlangt werden, sei es in der heutigen Zeit für viele nicht einfach, sich das zu leisten, vermutet die Team-Sprint-Olympiasiegerin.
Sitzplatz für knapp 100 Euro
Damit hat sie einen wichtigen Faktor genannt. In Zeiten der Inflation achten natürlich viele Leute auf ihr Portemonnaie. Und die Tickets in Planica sind alles andere als billig. Am Sonntag, als es drei Entscheidungen gab, mussten für einen Sitzplatz 99 Euro bezahlt werden. Selbst der billigste Stehplatz schlug mit 64 Euro zu Buche. Nachmittagstickets, die den Eintritt ab 15 Uhr ermöglichen, sind nur in den Stehbereichen an der Strecke oder im Auslauf der Schanze zu haben und kosten für einen Erwachsenen 33 Euro. "Ich akzeptiere die Meinung von Leuten, die entschieden haben, dass es zu teuer ist", erklärt Enzo Smrekar, der Präsident des slowenischen Skiverbandes, bei einem Termin mit der einheimischen Presse.
Die Weltmeisterschaften will er sich von den zahlreichen Berichten rund um die Zuschauerthematik aber nicht schlecht reden lassen. "Wir bekommen Lob", so Smrekar, der die Organisation der WM, die Vorbereitung der Wettkampfstätten und den Wohlfühlfaktor für Athleten und Medienschaffende als die drei wichtigsten Ziele bezeichnet.
Veranstalter orientierten sich an vorherigen Weltmeisterschaften
Ähnliche Preise - natürlich abhängig von Verein und Ticketkategorie - muss man auch in der Fußball-Bundesliga für ein Spiel bezahlen. In Planica kommt aber dazu, dass man extra anreist und meist mehr als einen Tag vor Ort ist. Also bleibt es nicht bei einem Tagesticket und es kommen noch weitere Kosten für die Übernachtung und Anreise hinzu. Und natürlich haben die Hoteliers rund um Planica ihre Preise für den WM-Zeitraum deutlich erhöht. Das wirkt sich natürlich auch auf die Reisefreudigkeit der Fans aus. Alleine in Kranjska Gora sollen bis zu 70 Prozent der gebuchten Kapazitäten von skandinavischen Reiseagenturen zurückgegeben worden sein.
Laut Smrekar habe man sich bei der Preisgestaltung der verschiedenen Pakete an vergleichbaren Destinationen und anderen Weltmeisterschaften orientiert. Man wolle nun bis zum Ende der Weltmeisterschaft Eindrücke und Kommentare sammeln und diese dann auswerten. Für Tomasz Sustersic, den Generalsekretär des WM-Organisationskomitees, fehlten "vor allem die Fans aus dem deutschsprachigen Raum - Deutsche, aber auch Österreicher." Das findet auch Smrekar: "Es gibt praktisch keine Deutschen. Liegt es daran, dass es vor der WM keine guten Ergebnisse gab?" Blickt man auf die Ergebnisse der Skispringer und Skispringerinnen im Vorfeld und die der Nordischen Kombination, ist dieser Schluss schlicht falsch. Auch der Eindruck an der Schanze ist ein anderer. Vor allem bei den deutschen und den österreichischen Aktiven war die Stimmung mit am besten, auf einer Stufe und manchmal sogar besser als bei den Slowenen selbst.
Norweger kritisieren lange Wege
Von norwegischen Fans habe es Rückmeldungen gegeben, dass es keinen Platz für ein traditionelles norwegisches Dorf gegeben habe und die Distanzen zwischen den Wettkampfstätten und den Partyzonen zu groß seien, erklärt Smrekar. Das hätte viele abgeschreckt. Klar sei aber: Die Veranstalter selbst haben mit mehr Zuschauern gerechnet: "Es ist Tatsache, dass weniger Fans da sind, als wir wollten."
Woran es liegt, dass so wenige Zuschauer aus dem Gastgeberland selbst kommen, ist auch noch nicht analysiert. Bei einem durchschnittlichen Bruttolohn von etwas mehr als 1.600 Euro könnten die Preise natürlich der entscheidende Faktor sein. Allerdings gibt Smrekar auch zu, dass davon ausgegangen wurde, dass zu gewissen Wettbewerben nur wenige Einheimische kommen würden: "Ehrlich gesagt haben wir nicht mit vielen Slowenen beim Langlauf und der Nordischen Kombination gerechnet." Das hätten die Erfahrungen aus der Vergangenheit gezeigt.
Weg nach Planica für Anhänger mühsam
Aber auch die Anreise nach Planica ist etwas mühselig, wenn man nicht gerade Aktiver, Betreuer, VIP oder Medienvertreter ist. Kommt man mit dem eigenen Auto hat man einen 2,5 Kilometer langen Fußmarsch vor sich, bei der Anreise mit einem Shuttle-Bus müssen die Ticketinhaber 1,6 Kilometer bis zum Skisprungstadion und etwa zwei Kilometer bis zum Langlaufstadion absolvieren. Und das Ganze bei einer stetigen Steigung, die selbst bei einen Mitdreißiger am Ziel eine etwas schwere Atmung hervorruft. Auf der Stirn bilden sich selbst bei Minusgraden ein paar Schweißperlen. Viele ältere Zuschauer könnten aus diesem Grund auf die Reise verzichtet haben, auch bei einigen Athleten haben die Großeltern deswegen abgesagt, heißt es aus DSV-Kreisen.
FIS will in Zukunft mehr Einheimische begeistern
Ähnlich wie die Ausrichter will auch der Weltverband FIS wegen des mangelnden Interesses nicht von einer schlechten WM reden. "Wir wussten, dass Planica eines der besten Nordischen Zentren der Welt hat. Die Wettkampfanlagen sind hervorragend, der Austragungsort ist kompakt. Ich habe vor Ort eine perfekte Organisation gesehen, die Veranstaltungsorte, die Bewirtung, die notwendige Infrastruktur, um Fernsehübertragungen durchzuführen, sind hervorragend. Das sage ich nicht einfach so, sondern aufgrund meiner langjährigen Erfahrung", erklärt FIS-Generalsekretär Michel Vion.
Dennoch fällt auch dem Weltverband die geringe Auslastung auf, diese sei aber "kein Weltuntergang. Es zeigt, dass die Slowenen mehr Fans von Skifliegen sind". Nun will die FIS ihre Rückschlüsse aus der nicht zufriedenstellenden Situation ziehen. Für künftige Veranstaltungen - die nächste Nordische Ski-WM findet 2025 in Trondheim statt - wolle man sich mehr auf die einheimischen Fans konzentrieren. "Die Zuschauerbasis soll aus dem Inland kommen", so Vion, der den Wert auf etwa 60, 70 Prozent beziffert.
Vorverkauf fürs Skifliegen läuft auf Hochtouren
Smrekar erklärt, die Organisatoren seien traurig über das mangelnde Interesse, zumal der Vorverkauf für das Skifliegen auf Rekordniveau laufe. Man habe aber alles getan in der Vorbereitung und sich nichts vorzuwerfen. Mögliche Ausfallverluste wolle der slowenische Verband tragen, der Staat solle nicht damit belastet werden. Es werde aber alles versucht, die WM mit einer "positiven Null" abzuschließen. Dafür werde mit allen Lieferanten und Auftragnehmern verhandelt werden. Vielleicht sorgen ja die Skispringer am Wochenende doch noch für eine volle Hütte, wenn auf der Großschanze zwar nicht geflogen, aber weit gesprungen wird.