Biathletin in Topform Franziska Preuß - von Rückschlägen erholt ins Gelbe Trikot
Es ist nicht lange her, da spielte Biathletin Franziska Preuß mit Rücktrittsgedanken. Doch in diesem Winter ist sie stabiler denn je. Ihr Erfolg fußt auf einem neuen körperlichen Bewusstsein - und beflügelt gleichzeitig die Teamkolleginnen.
Es war ein drehbuchreifes Ende an diesem Weltcup-Wochenende in Hochfilzen. Mit der deutschen Fahne in der Hand lief Franziska Preuß die letzten Meter quasi sorglos ins Ziel und fiel dort ihren jubelnden Teamkolleginnen in die Arme. Zuvor hatte sie den deutschen Biathletinnen mit einer überragenden Vorstellung am Schießstand und in der Loipe den ersten Staffelsieg seit einer gefühlten Ewigkeit beschert.
1.429 Tage waren seit dem bis dato letzten deutschen Teamerfolg am 16. Januar 2021 in Oberhof vergangen. 1.429 Tage, in denen Preuß Höhen, aber vor allem auch Tiefen erlebt hatte. Momente, in denen sogar ein Karriereende im Raum stand. Bei den Olympischen Spielen in Peking 2022 war sie nach einem Corona-Infekt nicht im Vollbesitz ihrer Kräfte. Ein Jahr später musste sie die Saison wegen anhaltender gesundheitlicher Probleme vorzeitig abbrechen und verpasste auch die Heim-WM in Oberhof.
Preuß und die verpassten Chancen
In der vergangenen Saison sollte alles besser werden, doch nach einer neuerlichen Corona-Infektion verlor sie nach einem starken Start kampflos das Gelbe Trikot. Auch bei der WM in Nove Mesto im Frühjahr war sie als deutsche Medaillenkandidatin Nummer eins angereist, ging aber angeschlagen leer aus - wieder einmal. Im März zog Preuß erneut die Reißleine und beendete die Saison vorzeitig. Damit einher ging auch der Entschluss, dass sich etwas ändern muss. Preuß entschied sich für einen Eingriff an den Nasennebenhöhlen, um in Zukunft weniger anfällig zu sein - mit Erfolg.
Schon beim Weltcup-Auftakt in Kontiolahti gab sie mit den Plätzen fünf, vier und drei in den Einzelrennen einen Vorgeschmack auf ihre starke Frühform in diesem Winter. Fast noch wichtiger: Auch einen leichten Infekt, der ihre Teilnahme an der ersten Staffel verhindert hatte, überstand Preuß ohne Nachwehen. Anders sind ihre Leistungen in Hochfilzen nicht zu erklären. Im Sprint feierte sie - trotz eines Fehlschusses - nach etlichen Anläufen ihren zweiten Weltcup-Sieg. Auf diesen hatte die einst neben Laura Dahlmeier als größtes deutsches Biathlon-Talent gehandelte 30-Jährige fast fünf Jahre warten müssen.
"Ich habe auf meine Erfahrung gehört"
"Ich hätte schon gerne auf viele Leiden verzichtet. Die Entscheidung, den Eingriff machen zu lassen und einen Entzündungsherd wegzuhaben, war einfach der Schlüssel", sagte Preuß in Hochfilzen. Sie habe den ganzen Sommer "einfach ihr Ding trainiert und wenig Kompromisse gemacht". "Ich habe auf meine Erfahrung gehört. Ich weiß, was mir guttut, das habe ich versucht umzusetzen", erzählte sie: "Jetzt wird man für die ganze harte Arbeit im Sommer belohnt."
Vor allem läuferisch überzeugt Preuß in den vergangenen Wochen auf ganzer Linie. Ihre "echt guten Beine", wie sie nach dem Sprintsieg bemerkte, verhalfen ihr nicht nur ins Gelbe Trikot, sondern auch zu weiterem Selbstvertrauen. In der Verfolgung von Hochfilzen schaffte sie ebenfalls den Sprung auf das Podest - und beflügelt mit ihren Leistungen auch die Teamkolleginnen: Vanessa Voigt wurde Zweite in der Verfolgung, einen Tag später holten die beiden mit den jungen Selina Grotian (20) und Julia Tannheimer (19) den Staffelsieg.
Preuß geht im deutschen Team voran
Preuß ist spätestens seit dem Rücktritt von Olympiasiegerin Denise Herrmann-Wick das Zugpferd im deutschen Team. Schon lange überzeugt sie - wenn es ihr Körper denn zuließ - nicht nur mit konstanten Leistungen in der Loipe und am Schießstand, sondern auch als mentale Stütze für die jungen Athletinnen im deutschen Team. Die siebenfache WM-Medaillengewinnerin blickt mittlerweile auf 253 Weltcup-Starts zurück, weiß genau, wie es ist, mit Druck in ein Rennen zu gehen - zum Beispiel mit dem Gelben Trikot am Leib.
Flügel habe es zwar nicht verliehen, letztlich sei es aber "genauso hart wie mit normaler Nummer", erzählte Preuß nach ihrem dritten Platz in der Verfolgung mit einem Lachen. Sie habe einfach versucht, "dass ich nicht so oft nach unten schaue, damit ich es nicht so im Kopf habe". Es scheint, als hätte Franziska Preuß genau die richtige Mischung aus Leichtigkeit, Konstanz und gesundheitlicher Stabilität gefunden, um in diesem Winter ein ernsthaftes Wörtchen um WM-Medaillen und den Gesamtweltcup mitzureden.
In Topform zur WM-Medaille?
Anders sind auch die Worte von Frauen-Cheftrainer Kristian Mehringer nicht zu deuten, der sogar noch Steigerungspotenzial in ihr sieht. "Sie ist aktuell im besten Alter und bleibt auch in schwierigen Situationen gelassen. Wir haben seit vielen Jahren gesehen, was sie für ein Potenzial hat. Sie ist noch nicht in Topform, das muss sie auch nicht sein, sondern eher Richtung WM. Daran werden wir jetzt arbeiten."
Beim Saisonhöhepunkt im Februar in Lenzerheide (Schweiz) geht es für Preuß um die zweite Einzel-Medaille bei Weltmeisterschaften. Zuletzt war ihr das 2015 in Kontiolahti mit Silber im Massenstart gelungen. Der Grundstein ist mit dem starken Saisonstart gelegt. Nun gilt es für Preuß vor allem, verletzungsfrei und gesund zu bleiben. Auch, um im jungen, aber sehr talentierten deutschen Frauen-Team weiter als treibende Kraft voranzugehen. Schließlich soll es nicht wieder 1.429 Tage bis zum nächsten Staffelsieg dauern.