Fazit Was von der Biathlon-Saison bleibt
Die Biathlon-Saison hat in Oslo ihr emotionales Ende genommen. Mit dem Abschied von Denise Herrmann-Wick beginnt bei den deutschen Frauen eine neue Zeitrechnung. Die Männer blicken auf eine desaströse Heim-WM, dafür aber auf einen guten Weltcup zurück.
Es gibt kaum Superlative, die Johannes Thingnes Bö in dieser Saison noch nicht über sich gehört oder gelesen hat - und das zu Recht. Aus genau diesem Grund folgen keine Wortspiele á la "Böathlon" oder Vergleiche mit extraterrestrischen Wesen, sondern einfach erstmal eine pragmatisch-nüchterne Auflistung der Saisonleistungen.
Der 28-jährige Bö hat neben dem Gesamtweltcup die Disziplin-Wertungen Sprint und Verfolgung gewonnen. Von 21 Weltcup-Einzelrennen hat der Norweger 16 für sich entschieden. Addiert man die Erfolge bei den Weltmeisterschaften in Oberhof dazu, stehen unter dem Strich 19 Saison-Einzeltriumphe. Wenig überraschend bedeutet das einen neuen Rekord.
Was macht Bö so gut?
Bei der WM avancierte Bö mit fünf goldenen, einer silbernen und einer Bronzemedaille zudem zum erfolgreichsten männlichen Biathleten aller Zeiten bei Weltspielen. Die Frage, die sich quasi seit Saisonbeginn aufdrängt: Was macht diesen Mann so gut? "Es sind drei Komponenten, die ihn so außergewöhnlich machen: Laufzeit, Schießquote und Schießgeschwindigkeit", ordnet Sportschau-Experte Arnd Peiffer ein. "Und dazu kommt wahrscheinlich seine Fähigkeit, dass er nicht so viel Trainingsumfang benötigt, um Topleistungen zu bringen." Auch in den kommenden Jahren "kann er sich nur selbst gefährlich werden", fügt Peiffer an.
"Er wird jetzt auch in Zukunft an dieser Saison gemessen werden, in der er eine halbe Minute oder 45 Sekunden vorneweg gelaufen ist. Und wenn er mal "nur" genauso schnell war wie der Zweite, wurde geunkt, es ginge bergab. Die Fallhöhe ist dementsprechend riesig." Beruhigend für Bö: Die wenigen Male, in denen es in dieser Saison nicht so lief, oder er coronabedingt ausfiel, stand meistens ein Teamkollege parat. Die ersten drei Plätze im Gesamtweltcup belegten allesamt Norweger.
Time to say Goodbye
Die drei Biathletinnen strahlen - Denise-Herrmann-Wick steht ganz oben auf dem Podest, ihr hängt die goldene Medaille um den Hals. Rechts neben ihr jubelt die Französin Anais Chevalier-Bouchet, auf der anderen Seite hat die Norwegerin Marte Olsbu-Röiseland ihren Platz auf dem Podium eingenommen. Diese Szenerie stammt aus dem Februar 2022. Der Ort: Peking. Der Anlass: die Siegerehrung des Frauen-Einzels bei den Olympischen Spielen.
Damals gingen die Fotos des Abends um die Welt, nun werden sie gerade wieder hervorgekramt. Der Grund ist ein simpler - alle drei Medaillengewinnerinnen beenden ihre Karrieren. Dazu macht auch die Norwegerin Tiril Eckhoff Schluss. Diese vier Abschiede allein markieren das Ende einer Ära im Frauen-Biathlon. 21 olympische Medaillen, dazu 38 Mal WM-Edelmetall haben die vier zusammengerechnet gewonnen - sie werden eine Lücke hinterlassen. "Das Niveau wird natürlich erstmal etwas sinken", ordnet Arnd Peiffer ein. "Aber ich glaube nicht, dass es jetzt in der kommenden Saison einfacher sein wird, auf das Podest zu laufen. Außerdem haben die Jungen im Feld, die nachrücken, nochmal ein Jahr Trainingszeit."
Auf der Strecke verlassen also bekannte Gesichter die große Bühne, am Schießstand ist das im deutschen Team nicht anders. Mark Kirchner, dreimaliger Olympiasieger als Aktiver und dazu seit mehr als einem Jahrzehnt erfolgreicher Bundestrainer, legt sein Amt als Disziplin-Coach der Männer nieder. "Ich möchte den Weg frei machen, um Impulse neu setzen zu können und das Team zu verjüngen, damit es in der internationalen Spitze bestehen kann“, sagte der 52-Jährige am Sportschau-Mikrofon. Seine Nachfolge werden der bisherige Co-Trainer Uros Velepec und der ehemalige Ski-Langläufer Jens Filbrich als Duo antreten. Der 44-jährige Filbrich ist ehemaliger Langläufer und war in der vergangenen Saison als Lauftrainer für das Männer- und Frauen-Team im zweitklassigen IBU-Cup verantwortlich.
Die Saison der deutschen Männer: Weltcup top, Heim-WM enttäuschend
"Gemischt", lautet das Fazit von Arnd Peiffer, wenn er auf die Saison der deutschen Biathleten zurückblickt. "Bei den Männern waren die Weltcups schon erfolgreich", führt der 36-Jährige aus. "Benedikt Doll hat beispielsweise die beste Gesamt-Weltcup-Platzierung seiner Karriere hingelegt." Konkretisiert bedeutet das: Der Schwarzwälder landete auf dem vierten Platz im Saison-Klassement - auf der vorletzten Weltcup-Station im schwedischen Östersund gelang Doll sogar der Sieg im Einzel. "Wirklich ein tolles Ergebnis", resümiert Peiffer. Gut, dass der 32-Jährige noch eine Saison dranhängt.
Insgesamt landeten die DSV-Skijäger in Einzelrennen fünf Mal auf dem Podest. "Gefallen haben mir auch die Staffeln, da ging es in jedem Weltcup-Rennen der Saison auf das Treppchen." Das ergibt unter dem Strich einen guten dritten Platz in der Nationenwertung - hinter den übermächtigen Norwegern und den Franzosen. Heißt aber auch: vor den sehr starken Schweden. "Aber es gibt eine komplette Kehrseite", relativiert Peiffer. "Die WM war nicht zufriedenstellend. Keine Medaille mit der Staffel, dazu - bis auf wenige Ausnahmen - hatten die deutschen Männer in den Einzel-Rennen auch nicht wirklich eine Chance auf Edelmetall."
Die heißerwartete Heim-WM sollte als deutsches Debakel in die Geschichte eingehen. Seit 1976 hatte es keine Biathlon-Weltspiele ohne deutsche Männer-Medaille gegeben. "Ich bin trotzdem guter Dinge für die Zukunft - obwohl der Männer-Kader im Schnitt schon etwas älter ist, als der der Frauen."
Nicht nur Herrmann-Wick überzeugt bei den Frauen
"Bei den Frauen ist die Saison etwas ausgeglichener. Mit Erfolgen bei den Weltcups und der WM - natürlich vor allen Dingen durch Denise Herrmann-Wick", sagt Peiffer. "Aber auch die jungen Sportlerinnen wie Sophia Schneider und Hanna Kebinger haben tolle Ergebnisse erzielt." Das ist wohl die wichtigste Erkenntnis dieser Saison - im deutschen Frauen-Biathlon ist der Nachwuchs so richtig im Weltcup angekommen und kann um die vorderen Plätze mitlaufen.
Hanna Kebinger beispielsweise bewies gerade auch beim Saisonfinale in Oslo mit einem hervorragenden fünften Platz im Massenstart, dass mit der 25-Jährigen auch in Zukunft zu rechnen sein wird. Insgesamt heimsten die DSV-Frauen fünf Einzel-Podestplätze in dieser Saison ein - wobei dabei auch wieder alle auf das Konto von Herrmann-Wick gingen. "Mit drei Medaillen ist die Heim-WM eine erfolgreiche geworden", blickt Peiffer auf die zwei Wochen in Oberhof im Februar zurück. "Wenn man zwei Medaillen von Denise wegkürzen würde, sähe das natürlich anders aus." Peiffer rechnet damit, dass es ohne Herrmann-Wick in der kommenden Saison "ein paar weniger Podestplätze" geben wird.
"Es gibt ein paar Baustellen, die sehr deutlich hervorgetreten sind“, berichtet Arnd Peiffer. "Beim Schießen ist es der stehende Anschlag und die Schießgeschwindigkeit plus Trefferquote. Da waren die Deutschen weg von den Besten." Peiffer sieht dort einen Hebel an dem man ansetzen könnte, um bessere Ergebnisse zu erzielen.