Biathlon Benedikt Doll - Östersund als Auftakt zur Abschiedstour?
Benedikt Doll geht in seine wahrscheinlich letzte Saison als Biathlet. Warum er nach wie vor um den Sieg mitlaufen kann, will er direkt beim Weltcup-Auftakt in Östersund zeigen.
Eigentlich ist alles wie immer in den vergangenen zwölf Jahren. Wenn die Biathleten am Wochenende in Östersund an den Start gehen, wird auch Benedikt Doll mit von der Partie sein. Das Adrenalin und die Gefühle, wenn der Startschuss ertönt, dürften dieses Mal bei ihm allerdings etwas größer sein.
Für den ehemaligen Sprint-Weltmeister ist es nach eigener Aussage mit "hoher Wahrscheinlichkeit" die letzte Saison als aktiver Biathlet. "Ich will in meinem Leben noch etwas anderes machen. Ich mache zwar sehr gerne Biathlon und habe meinen Spaß dabei. Aber mit 40 nochmal anzufangen, etwas Neues zu studieren, ist zu spät", hatte Doll Anfang des Jahres im Sportschau-Podcast angekündigt.
Für Doll sind "einige Podestplätze drin"
Nach den Rücktritten von Arnd Peiffer und Erik Lesser war der Schwarzwälder bereits in der vergangenen Saison das Zugpferd im deutschen Team. Und auch in diesem Winter ist der Familienvater der Hoffnungsträger zahlreicher Wintersportfans in Deutschland. Doll zählt vor allem läuferisch zur Weltspitze, kann es an guten Tagen sogar mit Johannes Thingnes Bö aufnehmen. Den norwegischen Ausnahmeathleten ließ er beispielsweise im Januar 2022 im Massenstart von Antholz dank eines unnachahmlichen Schlussspurts stehen.
Nicht nur aufgrund solcher Erfahrungen hat sich Doll für die anstehende Saison hohe Ziele gesetzt. Fest steht: In Ruhe die Karriere austrudeln lassen, ist für ihn keine Option. "Für die Motivation spielt das keine Rolle. Wenn es läuferisch so geht wie die letzten Jahre, werden auch einige Podestplätze drin sein", sagte Doll.
Auch Olympiasieger und Sportschau-Experte Peiffer sieht in Doll den Anführer im Team von Bundestrainer Uros Velepec. "Das ist der deutsche Mann, der die besten Ergebnisse liefern könnte. Er wirkt frisch, befreit und hat so ein bisschen den Habitus: Ich bin zufrieden mit allem, was ich so habe. Und was noch hinzukommt, kommt hinzu", beschrieb Peiffer seinen ehemaligen Teamkollegen.
Doll kann Östersund
Dass Doll mit seinen 33 Jahren noch längst nicht zum alten Eisen zählt, hat er im vergangenen Winter unter Beweis gestellt. Platz vier im Gesamtweltcup bedeutete sein bestes Karriereresultat. In Einzel- und Staffelrennen lief er neunmal auf das Podest. Mit dem Sieg im Einzel von Östersund im März, seinem insgesamt vierten Weltcupsieg in Einzelrennen, sorgte er für den einzig wirklichen Lichtblick in einem sonst eher von Leistungsschwankungen geprägten deutschen Team.
Kein Wunder, dass der Optimismus vor dem neuerlichen Start in Schweden groß ist - auch wenn es in der Vergangenheit bei ihm in Östersund auch mal hakte. "Es lief mal besser, mal schlechter", so Doll: "Den Schießstand mag ich eigentlich ganz gern, aber er kann sehr windig und schwierig sein. Es ist alles geboten."
Neue Waffe, neues Glück?
Apropos Schießstand. Doll geht mit einer neuen Waffe in die neue Saison. Zudem hat er die Unterstützung eines Sportwissenschaftlers am Heim-Stützpunkt in die Vorbereitung miteinbezogen. Mit dem ehemaligen Weltklasse-Langläufer Jens Filbrich gibt es außerdem einen neuen Lauftrainer im deutschen Team. Doll scheint in seiner wohl letzten Saison nichts dem Zufall überlassen zu wollen. Und dennoch stapelt der Olympia-Dritte in der Verfolgung von Pyeongchang eher tief. "Erst mal gut einsteigen", lautet die Devise: "Und das umsetzen, was ich mir mit der neuen Waffe über den Sommer angeeignet habe."
Es passt zu Doll, dieses Understatement. Ein Freund großer, gar fordernder Worte war der Schwarzwälder nie. Doll hat eher Leistung sprechen lassen. Und das kommt auch im Team gut an. Jüngere Athleten wie Justus Strelow oder David Zobel profitieren von seinen Ratschlägen und seiner Erfahrung. Allerdings ist die Lücke zwischen ihm und den übrigen DSV-Skijägern nach wie vor groß.
Neben Doll scheinen einzig Roman Rees und mit Abstrichen Johannes Kühn in der Lage, konstante Leistungen in der Loipe und am Schießstand zu zeigen. Auch deshalb ruhen Peiffers "ganze Hoffnungen auf Benni - dahinter haben es aber alle noch nicht geschafft, an ihn ranzukommen", sagte der fünfmalige Weltmeister. Dabei ist das Potenzial im deutschen Team eigentlich da. "Ich hoffe, dass noch einer einen Schritt macht, aber sie sind auch alle keine 22 mehr", gab Peiffer zu Bedenken.
"Stabile Schießleistungen" als Schlüssel zum Sieg
Für Doll wird es in erster Linie darauf ankommen, seine Leistungen am Schießstand stabil zu halten. In der vergangenen Saison hat ihm die Trefferquote von 83 Prozent den einen oder anderen Platz weiter vorne im Feld verbaut. Diese Saison soll die Quote daher auf 90 Prozenz gesteigert werden. "Ich habe ein gutes Gefühl", sagte Doll mit Blick auf die Vorbereitung. Aber auch er weiß, was das "Wichtigste" sein wird: "Stabil gute Schießleistungen". Dann könnten auch die Podestplätze regelmäßig in Reichweite sein. Sportdirektor Felix Bitterling unterstrich mit Blick auf seinen erfahrensten Athleten: "Es liegt auf der Hand, dass wir mit unseren Top-Athleten und -Athletinnen das Podium angreifen wollen."
Die Vorzeichen für einen gelungenen Saisonauftakt in Östersund stehen für Doll in jedem Fall nicht schlecht. Neben den positiven Erinnerungen an den Ort seines bisher letzten Weltcup-Sieges kommen auch die vielversprechenden Ergebnisse bei den jüngsten Vorbereitungsrennen in Sjusjoen. Als einziger Nicht-Norweger schaffte es Doll in die Top Ten. Und wer weiß: Vielleicht findet beim derzeit besten deutschen Biathleten mit dem etwas unkonventionellen, aber erfolgreichen Laufstil doch noch ein Umdenken statt, was das baldige Karriereende angeht. "In so einem Winter kann viel passieren. Wer weiß, was im Februar nach der WM sein wird. Endgültig ist noch nichts", so Doll.