French Open Alexander Zverev - Der Tiebreak-König von Paris
Alexander Zverev muss in seinem Achtelfinalmatch gegen den Dänen Holger Rune wieder über die volle Distanz, kann sich aber in den entscheidenden Momenten verlässlich auf seine Stärken verlassen.
Es war wieder der Tiebreak. Immer wieder das Entscheidungsspiel beim Stand von 6:6. Auch im vierten Satz gegen Holger Rune konnte sich Zverev am Montag (03.06.2024) in diesem so entscheidenden Moment darauf verlassen, sein bestes Tennis zu zeigen. Schon in der dritten Runde gegen Tallon Griekspoor hatte Zverev im letzten Spiel "das beste Tennis im gesamten Match" gespielt.
Gegen Holger Rune sah es mehr als zweieinhalb Stunden so aus, als würde Zverevs Weg in Paris im Achtelfinale enden. In einer in den ersten drei Sätzen von beiden Spielern erratisch geführten Partie war es immer wieder der 27-jährige Hamburger, der die entscheidenden Fehler machte. Im vierten Satz hatte Zverev schon mit 5:3 geführt, gab dann aber zwölf der nächsten 15 Punkte ab und sah sich beim Stand von 5:6 schon mit einem Bein in der Vorbereitung auf die Rasensaison.
"Ich muss gut regenerieren"
Von dem Moment an spielte er jedoch abermals herausragendes Tennis. Druckvoll in den Grundschlägen, enorm sicher beim Aufschlag, einen Schritt schneller als Rune in den langen und oftmals spektakulären Grundlinienduellen. Er gewann den Tiebreak des vierten Satzes und verbesserte seine Bilanz bei Tiebreaks bei den French Open auf erstaunliche 22:2. "In diesen Momenten muss man einfach ruhig bleiben, da muss man schauen, dass man irgendwie durch die Punkte kommt," resümierte er in den Katakomben des Court Philippe Chatrier bei der Pressekonferenz.
Nach vier Stunden und elf Minuten verwandelte er mit einem Smash seinen zweiten Matchball. Im On-Court-Interview mit der ehemaligen Wimbledon-Siegerin Marion Bartoli zeigte er sich nachdenklich ob seines Arbeitspensums der letzten Tage: "Ich habe achteinhalb Stunden in den letzten drei Tagen gespielt. Ich muss gut regenerieren, das Turnier soll hier nicht zu Ende für mich sein."
Ein Match als Spiegelbild der Karriere Zverevs
Auch dieses Match gegen den jungen Dänen Rune war wieder ein Spiegelbild der Karriere Zverevs. Trotz Nuancen ist der Hamburger de facto seit Jahren derselbe Spieler. Zu häufig, auch diesese Mal in Satz eins und drei, wartet Zverev auf die Fehler des Gegners und gerade jene Gegner, die weiter hinten in der Weltrangliste stehen, machen diese dann auch.
Doch es gibt auch jene Spieler, die im entscheidenden Moment auf Angriff gehen, die selber die Entscheidung suchen, deren Offensive besser ist als die Defensive von Zverev. Dann kann sich Zverev mit seinem passiven Spiel, mehrere Meter hinter der Grundlinie, selbst im Weg stehen.
Stützen kann sich Zverev meist auf seinen Aufschlag. Keiner in der Weltspitze bekommt das erste Service so häufig in den Court, kann sich auf diese Mischung aus Geschwindigkeit und Genauigkeit verlassen. Auch die Rückhand gehört zu den besten der Welt, wie er gegen Rune wieder zeigte
Zverevs Rückhand gehört zu den besten der Welt.
Ein Grand-Slam-Titel bleibt das Ziel
Zusammen ergibt dies eine Melange, die den Deutschen zuverlässig unter die Top5 der Welt bringt, die ihn 22 Turniersiege hat erringen lassen, davon sechs bei Masters-1000-Turnieren, der Kategorie unterhalb der Grand Slams. Doch diese Melange führt eben auch dazu, dass Zverev regelmäßig seine Ziele bei den vier größten Turnieren der Welt verpasst.
Vor den French Open hatte er mit berechtigtem Selbstbewusstsein darauf hingewiesen, dass noch immer ein Sieg bei einem Grand Slam sein Ziel ist. Er war mit dem besten Gefühl nach Paris gereist. Seine Konkurrenz entweder nicht in Form (Djokovic, Medvedev) oder angeschlagen (Sinner, Alcaraz). Paris sollte das Turnier werden, bei dem er seine Titellosigkeit bei Grand Slams ablegt.
Häufig fehlte ihm bei vergangenen Grand Slams nach kräftezehrenden Matches in den ersten Runden hintenraus die Kraft, um die ganz großen Gegner zu besiegen. Das könnte ihm auch in der französischen Hauptstadt wieder zum Verhängnis werden. Schon im Viertelfinale wartet der nächste Spieler, dessen Defensive Zverev schwer herausfordern dürfte: Alex de Minaur.
Favorit im Viertelfinale gegen de Minaur
De Minaur wurde in den letzten Jahren gerne mal übersehen. Viele waren und sind beeindruckt von der Schnelligkeit des 25-jährigen Australiers, mit der er quasi jeden Ball erlaufen kann. Doch de Minaur wurde in den letzten Jahren die Fähigkeit abgesprochen, die ganz großen Spieler bei den Grand Slams zu ärgern. Der Aufschlag zu schwach, keine Offensivschläge im Portfolio, die die Gegner vor Probleme stellen. So die Vorurteile.
In Paris belehrt er die Kritiker eines Besseren. Er nahm die widrigen Umstände in der ersten Woche an, zog bei 12 Grad und Regen das Match gegen Jan-Lennard Struff an sich und gewann auch verdient gegen Daniil Medvedev. Zverev muss trotzdem als der Favorit gelten, auch wenn er warnt: "Er spielt sicher momentan das beste Tennis seiner Karriere und ist in einer guten Position, in Turin (bei den ATP Finals, d. Red.) dabei zu sein."
Reicht die Kraft?
Die Chancen, die French Open zu gewinnen, dürften in den letzten 24 Stunden trotz der Schwerstarbeit in den letzten Matches nicht gesunken sein.
Ruud besiegte im letzten Jahr an selber Stelle Zverev noch. Doch kann der Deutsche seinen Worten auch Taten folgen lassen, sollte er eine realistische Chance haben. Die Kraft hat ihm in den letzten Jahren gefehlt. In den nächsten Tagen wird sich herausstellen, welchen Faktor sie im Jahr 2024 hat.