United Cup Alexander Zverev: Hoffen auf viele Matches
Alexander Zverev merkt gerade, wie ihn seine rund siebenmonatige Zwangspause aufgrund einer Fußverletzung aus dem Tritt gebracht hat. Da hilft nur Matchpraxis sammeln, sagt die Sportwissenschaft.
Wer die Frustation bei Alexander Zverev nicht erkennen konnte, der brauchte nur einen Blick in die Teambox bei diesem United Cup in Australien zu werfen. Dort saß sein Trainer und Vater Alexander sowie der deutsche Teamkapitän und Bruder Mischa. Es war eine Mischung aus Rat- und Fassungslosigkeit, die in ihren Gesichtern zu erkennen war.
Sein Gegner, der US-Amerikaner Taylor Fritz, der mit 6:1 und 6:4 mühelos gegen den 25-jährigen Deutschen gewinnen konnte, sprach hinterher davon, dass Zverev "ein wenig eingerostet" zu sein schien. Zwei Tage zuvor war Zverev bereits 4:6, 2:6 gegen den tschechischen Weltranglisten-81. Jiri Lehecka deutlich unterlegen. Und es stellte sich die Frage: Hat Alexander Zverev das Tennisspielen verlernt?
Vertrauen in den eigenen Körper finden
Die Erklärung für die jüngsten Ergebnisse des Deutschen lag für alle Beteiligten allerdings trotz aller Enttäuschung auf der Hand: Zverev war vor rund sieben Monaten bei den French Open in Paris gegen Rafael Nadal furchtbar umgeknickt und hatte sich drei Bänderrisse im rechten Fuß und später auch noch ein Knochenödem zugezogen - was eine schier unendlich lange Pause für den besten deutschen Tennisspieler nach sich zog.
"Es dauert auf diesem hohen Niveau seine Zeit, bis er wieder sein Matchpraxis gefunden hat und völlig unbelastet im Kopf ist", sagt Wissenschaftler Philipp Born, der am Institut für Vermittlungskompetenz in den Sportarten an der Sporthochschule Köln beschäftigt ist. Wieder zu jedem Ball aktiv in die jeweiligen Ecken zu laufen, dem eigenen Körper zu vertrauen, ohne dabei die Angst zu haben, sich erneut zu verletzen, sei ein psychischer Prozess, der Zeit benötige.
Turnier-Matches können nicht simuliert werden
Zudem gebe es beim Tennis immer "einen klaren Unterschied zwischen Match und Training", sagt Born. Laut wissenschaftlichen Untersuchungen sei das Adrenalin-Level eines Spielers bei einem Match stets deutlich höher als bei einer Trainingseinheit. Auch die körperliche Beanspruchung, die mithilfe von Laktatwerten festgestellt wird, sei deutlich erhöht.
Manche Profis würden etwa versuchen in Trainigsmatches um Geld zu spielen, um die Anspannung zusätzlich ansteigen zu lassen. Aber selbst, wenn man etwa auf diese Weise ein Turnier-Match mit all seinen Umständen simulieren wolle, "ist in der Sportwissenschaft recht deutlich, dass das letztendlich nicht geht", sagt Born.
Und so erscheinen Zverev die Belastungen, die er beim United Cup empfindet, höher zu sein als bei den Show-Turnieren ein paar Tage zuvor, als er sogar gegen den derzeit wohl weltbesten Spieler Novak Djokovic gewinnen konnte. "Physisch bin ich noch nicht auf dem Niveau, auf dem ich sein muss. Ich werde viel schneller müde als vorher. Ich bin nicht so schnell wie ich es wahrscheinlich war", sagte Zverev nach dem Fritz-Match.
Dominik Thiem sucht weiterhin seine Top-Form
"Wenn plötzlich alle unbedingt gewinnen wollen wie bei diesem Turnier, sind das dann nochmal andere Bedingungen", sagt Born. Für Zverev gehe es nun vor dem ersten Saison-Highlight, den Australian Open (16. bis 29. Januar), vor allem darum, möglichst viele Matches zu spielen, um so seiner Topform näher zu kommen oder sie sogar noch zu erreichen.
Wie schwierig ein Comeback sein kann, zeigt gerade auch Österreichs Spitzenspieler Dominik Thiem eindrucksvoll, der nach einer schweren Verletzung am Schlagarm (Sehnenscheiden-Riss) im Juni 2021 sogar zehn Monate ausgefallen war und der noch immer starken Schwankungen in seiner Leistungsfähigkeit unterliegt.
Die Wahrscheinlichkeit, dass Zverev bei den Australian Open bereits wieder auf seinem Top-Level ankommt, sei relativ gering, glaubt Born. Aber: "Manchmal, wenn niemand etwas von einem Sportler erwartet, spielt der plötzlich ganz frei auf", so der Sportwissenschaftler.