Volleys-Geschäftsführer Kaweh Niroomand im Interview Volleys-Geschäftsführer Niroomand im Interview: "Dieses Ziel hatten wir in den vergangenen Jahren als Traum vor Augen"
Seit Sonntagabend sind die BR Volleys alleiniger deutscher Volleyball-Rekordmeister. Im Interview spricht Geschäftsführer Kaweh Niroomand über jahrzehntelange Aufbauarbeit, das ewige Duell gegen Friedrichshafen und Veränderungen im Kader.
rbb|24: Herr Niroomand, wie geht es Ihnen emotional nach einer Nacht Schlaf?
Kaweh Niroomand: Ehrlich gesagt kommt man ja noch gar nicht dazu, darüber nachzudenken. Aber es ist emotional auf jeden Fall bewegend. Rekordmeister in einer Sportart zu werden, ist schon etwas Besonderes. Dieses Ziel hatten wir in den vergangenen Jahren als Traum vor Augen. Nun ist er wahr geworden. Da braucht es noch ein paar Tage, bis einem das klar wird.
Am Sonntagabend, unmittelbar nach dem Triumph gegen Friedrichshafen, waren Sie vor fast 9.000 Zuschauern den Tränen nahe ...
Genau so war das, ja. Als ich danach gefragt wurde, brauchte ich noch ein paar Sekunden, bis ich sprechfähig war.
Dem "Tagesspiegel" haben Sie gesagt, es sei das "Ergebnis einer 50-jährigen Aufbauarbeit im Berliner Volleyball". Es ist maßgeblich auch Ihre Arbeit. Sie waren bei allen 14 Titeln dabei. Ploppen da Momente und Meilensteine nochmal im Kopf auf?
Ja, das war schon so. Als ich diese Kulisse sah, hatte ich beispielsweise diese kleine Schulturnhalle in der Königshorster Straße im Märkischen Viertel vor Augen. Da hat das Ganze angefangen. Da habe ich ja alles gemacht: Trainer, Betreuer und, und, und. Wir waren manchmal froh, wenn mehr Zuschauer als Teilnehmer in der Halle waren. Und dann wuchsen wir und haben Anfang der 90er-Jahre eine tolle Heimat beim SCC gefunden. In der Sömmeringhalle hatten wir 300, 400, 500 Zuschauer. Bei einem Endspiel war es mal ausverkauft. Dann haben wir es gewagt, in die Max-Schmeling-Halle zu gehen. Das ist die Tour, die einem in dem Moment durch den Kopf geht.
Inzwischen sind die BR Volleys Serienmeister. Es war der achte Titel in Folge. Flapsig gesagt, könnte man formulieren: Es wird eine Saison Volleyball gespielt und am Ende heißt der Meister BR Volleys. Warum ist er doch - auch unabhängig vom Rekord - anders als die anderen zuvor?
Wir hatten in dieser Saison wirklich große Herausforderungen. Das hat man vielleicht nach außen nicht so gemerkt, weil am Ende die Ergebnisse stimmten. Aber es ist Fakt. Wir hatten sehr viel mit Verletzungen und mit Krankheiten zu tun. Die Saison war qualitativ und quantitativ sehr anstrengend, weil sie durch die Vorgaben des Dachverbandes wegen Olympia sehr kurz war. Wir haben spät angefangen, jetzt früh aufgehört. Wir haben alle drei, vier Tage im Schnitt ein Punktspiel gehabt.
... und so wirkte das Team hier und da mal verwundbarer als in den vergangenen Jahren.
Ja. Es war vielleicht auch dieser Tatsache geschuldet, dass wir das spielerische Level ganz selten erreicht haben, das eigentlich in dieser Mannschaft drinsteckt. Im entscheidenden Finalspiel gegen Friedrichshafen war es in meinen Augen Gott sei Dank so. Zum zweiten Mal in dieser Saison. Das andere Duell war eine Champions-League-Partie, die wir gegen Ankara zu Hause gewonnen haben. Aber ansonsten sind wir eigentlich immer unserem Top-Potenzial hinterhergelaufen. Deshalb war es schön, dass wir uns in der Finalserie von Spiel zu Spiel gesteigert und die beste Leistung wirklich im fünften und letzten Spiel gebracht haben.
Es wird so sein, dass zwar quantitativ einige Spieler den Verein verlassen werden. Im Worst Case vielleicht bis zu fünf, sechs. Es steht noch nicht alles fest. Aber wir haben sehr darauf geachtet, dass aus der ersten Aufstellung im Prinzip die Mannschaft bis auf Sotola und Carle zusammenbleibt.
Einem fünften Spiel in der Finalserie, von dem es zunächst so aussah, als würde es gar nicht geben. Spulen wir einmal knapp zwei Wochen zurück zum 17. April in Friedrichshafen. Mit 1:3 haben ihre BR Volleys an jenem Mittwochabend verloren, Kapitän Ruben Schott verletzte sich, in den Sätzen drei und vier ging Ihre Mannschaft förmlich unter. In der Serie stand es 0:2. Der VfB brauchte nur noch einen Sieg zur Meisterschaft. Haben Sie da - zumindest kurzzeitig - Zweifel gehabt?
Ja, absolut. Ganz im Gegensatz zu vor zwei Jahren. Da standen wir ja in derselben Situation, aber hatten eine andere Mannschaft. Da wusste ich, dass wir durch die erfahrenen Spieler, wie Samuel Tuia oder Sergei Grankin immer das Potenzial haben, das zurückzudrängen. Dieses Jahr war es eine jüngere Mannschaft, die nicht diese internationale Härte oder Erfahrung hat.
Also sprach wirklich nicht mehr viel für Ihre Mannschaft.
Sie haben völlig recht. Wir liegen 0:2 zurück, kommen aus Friedrichshafen und sind de facto im letzten Satz dort auch wirklich gebrochen. Und am Allerschlimmsten ist, dass sich unser Kapitän und wichtigster Mann verletzt. Wir haben die Mannschaft zusammengeholt und haben eine eingehende Diskussion gehabt. Wir haben darauf hingewiesen, dass das jetzt keine Frage der Qualität mehr ist, sondern der Mentalität. Ich habe die Situation verglichen mit einem Fünf-Satz-Spiel.
In dem bei einem 0:2-Satzrückstand was passiert?
Der dritte Satz ist entscheidend. Der Gegner lässt ein bisschen nach. Und wenn man da zuschnappt, kann man das Ganze wenden. Besonders in Spiel vier in Friedrichshafen haben wir eine enorme Mannschafts- und Willensleistung gezeigt. Das sieht man im Volleyball immer am besten, wenn Bälle vom Boden hochgekratzt werden, die normalerweise runterfallen. Und sie fielen in der Partie nicht mehr runter. Das war eine große Willensstärke.
Spiel fünf war dann eine absolute Machtdemonstration. Wie war das aus Ihrer Sicht möglich?
Das gestaltet sich so wie in einem normalen Spiel auch. Die Mannschaft, die 0:2 zurücklegt, bekommt Rückenwind, wenn sie das Momentum dreht. In Spiel fünf war es dann enorm wichtig, wie wir in das Duell reinkommen. Und da hat Johannes Tille wirklich überragend das Spiel gesteuert und die Räume so frei gemacht, dass das von außen alles sehr einfach aussah.
Nun ist die Saison zuende. Die Arbeit am Kader für die neue Spielzeit läuft hinter den Kulissen natürlich schon länger. Mit Timothée Carle und Marek Sotola werden zwei Stars den Klub verlassen. Trauern Sie diesen Spielern hinterher - gerade nach so einem perfekten Abend wie am Sonntag?
Ja, natürlich. Das sind zwei Spieler, die will jeder in seiner Mannschaft haben - auch wir. Wir haben wunderbare Zeiten mit den beiden gehabt, das sind auch charakterlich tolle Jungs. Und spielerisch sowieso. Aber ich bin über ihre Pläne schon seit Monaten im Bilde und mit ihnen auch direkt im Austausch. Marek habe ich sogar zugeredet. Er ist ja eher ein Schüchterner. Ich habe ihm zugehört und gesagt: 'Marek, du brauchst keinen Scham zu haben, das ist eine völlig normale Entwicklung. Du hast eine Möglichkeit viel mehr Geld zu verdienen und vielleicht in einer anderen Liga den nächsten Schritt zu machen. Hier ist dir keiner böse.' Die Türen stehen für ihn und Tim hier immer offen. Vielleicht kreuzen sich die Wege in Zukunft nochmal.
Die Mannschaft profitierte in den vergangenen Jahren auch von Ihrer personellen Konstanz. Steht nun also ein größerer Umbruch bevor?
Es wird so sein, dass zwar quantitativ einige Spieler den Verein verlassen werden. Im Worst Case vielleicht bis zu fünf, sechs. Es steht noch nicht alles fest. Aber wir haben sehr darauf geachtet, dass aus der ersten Aufstellung im Prinzip die Mannschaft bis auf Sotola und Carle zusammenbleibt. Also Mote bleibt, Krick bleibt, Schott bleibt und Tille bleibt. Das sind vier aus sechs. Das ist die Voraussetzung, dass das Team eingespielt ist. So hört sich der Umbruch zwar hart an - aber nur, wenn man die reine Anzahl der Spieler nimmt.
Vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview führte Johannes Mohren, rbb Sport.
Sendung: Der Tag, 29.04.2024, 19:15 Uhr