Union Berlins Kapitän Rani Khedira (imago images/Michael Taeger)
analyse

Nach der Niederlage gegen Kiel Im Abstiegskampf sprechen viele Zahlen gegen Union

Stand: 02.03.2025 20:18 Uhr

Steffen Baumgarts Zeit als Trainer des 1. FC Union bleibt durchwachsen. Nach dem 0:1 gegen Schlusslicht Kiel sollte allen klar sein, dass der Abstieg droht. Viele Zahlen sprechen gegen Baumgarts Unioner. Von Till Oppermann

Union Berlins sportliche Führung wird an zwei Kommazahlen gemessen. Sie lauten 1,19 und 0,78. So viele Punkte holten Bo Svensson und Steffen Baumgart im Durchschnitt pro Spiel als Trainer der Eisernen. Baumgarts Schnitt ist der Schlechtere von beiden. Rein nach den Zahlen war der Trainerwechsel in der Weihnachtspause also ein Fehler. Wer bei Unions 0:1-Niederlage gegen Holstein Kiel nach Gegenargumenten suchte, hatte es schwer. Die Passquote war es jedenfalls nicht. Bei nur 68 Prozent angekommenen Bällen reichte es eben nicht, dass Union mal wieder mehr Kilometer zurückgelegt hatte als der Gegner. Verdient feierte der Tabellenletzte den ersten Auswärtssieg seiner Bundesligageschichte.

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Harmloser Angriff

Passend zur Bandenwerbung für das "DDR-Museum" äußerte sich Kapitän Rani Khedira nach dem Spiel: "Es war nicht alles schlecht." Auf den ein oder anderen Beobachter könnte das ähnlich realitätsfremd wirken wie Staatschef Erich Honecker in den letzten Tagen der DDR. Trotz Massenflucht und Massendemos beschwor der bis zum Ende eisern den Sieg des Sozialismus. Was genau nicht schlecht gewesen sein soll, erklärte auch Khedira nicht. Immerhin fügte er noch an: "So macht man halt keine Tore."
 
Mit 20 Toren aus 24 Spielen stellen die Eisernen den zweitschlechtesten Angriff der Liga. Obwohl Union häufiger aufs Tor schießt als zwei Drittel der Bundesliga-Teams, haben die Eisernen die zweitwenigsten Großchancen der Liga. Auf Deutsch: Union schießt ungefährlich aus schlechten Positionen. Auch gegen Kiel fehlten die Ideen. Die Stoßstürmer Andrej Ilic und Marin Ljubicic wichen auf die Flügel aus. Für die 37 Flanken in Kiels Strafraum fehlten Abnehmer. Dass der Aufsteiger die schwächste Defensive der Liga stellt, begründete Trainer Marcel Rapp vor der Partie damit, dass die Stürmer in der Bundesliga einfach besser seien. Was das nach der 0:1-Niederlage über Unions Personal aussagt, kann sich jeder denken.

Defensive nur noch Durchschnitt

Auch die Kollegen in der Abwehr hatten Probleme. Als Kiels Armin Gigovic in der 42. Minute quer durch den Berliner Strafraum dribbelte, lief Diogo Leite nur mit, ohne anzugreifen. Dafür öffnete er in seinem Walzerschritt gerade rechtzeitig seine Beine, sodass Gigovics Schuss an ihm vorbeikam. Das Kieler Tor tut Union in der Rückschau nicht nur weh, weil es das Spiel entschied. Es ist außerdem der Beweis dafür, dass die Mannschaft unter Baumgart ihre große Stärke eingebüßt hat. Die Abwehr ist nur noch Durchschnitt.
 
Nach anderen Spielen musste sich der Trainer vorwerfen lassen, die lange geübte Fünferkette gegen eine wacklige Viererkette eingetauscht zu haben. Gegen Kiel setzte er auf drei Innenverteidiger. Sowohl die Raumaufteilung als auch das Zweikampfverhalten waren trotzdem fehlerhaft. Baumgarts Unioner kassieren pro Spiel durchschnittlich ein halbes Tor mehr als unter seinem Vorgänger. Die nächsten Gegner aus München, Frankfurt und Freiburg beobachten diese Entwicklung ganz sicher voller Vorfreude.

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Umbau und Abstiegskampf

Man habe verstanden, worum es geht, beteuerte Baumgart. Die ganze Tragweite der Niederlage am Sonntag könnte allerdings erst am 20. April endgültig klar sein. Denn nach den drei genannten Gegner spielen die Köpenicker auch noch gegen Wolfsburg, Leverkusen und Stuttgart. Genau diese langen Wochen gegen die Topteams machten Svensson in der Hinrunde das Leben schwer. Nach dem Hinspielsieg gegen Kiel war Union noch Fünfter. Bis zum Trainerwechsel folgten zwei Unentschieden und sechs Niederlagen. Wiederholt sich das, steckt Union zu Ostern bis zum Hals im Abstiegssumpf. Baumgarts Schlussfolgerung klingt nach einer Durchhalteparole: "Wir müssen dran bleiben und einfach Punkte holen."
 
Dabei hatte die Vereinsspitze den Trainer auch geholt, damit Zuschauer die Spiele der Mannschaft seltener durchhalten müssen und häufiger genießen können. Baumgart soll das defensiv denkende Team zu einer Mannschaft formen, die gerne angreift. Ohne Saisonvorbereitung und Transfers für seinen Fußball ist das nicht einfach. Auch deshalb haben Horst Heldt und Dirk Zingler mit ihm mehr Geduld als mit seinem Vorgänger. "Scheiß Ergebnisse" wie gegen Kiel sollte Baumgart trotzdem bald verhindern. Bleibt es bei seinen 0,78 Punkten pro Spiel kommt Union am Ende auf 31 Zähler. Damit wäre man in den letzten vier Saisons jeweils abgestiegen.

Sendung: rbb24, 02.03.2025, 22 Uhr