Union-Sieg gegen Mainz Eiserne Erleichterung: Der Union-Sieg gegen Mainz in der Analyse
Eine Energieleistung bescherte dem 1. FC Union den ersten Sieg seit Oktober. Trainer Steffen Baumgart sprang gegen Mainz über seinen Schatten und setzte auf eine Formation, die er eigentlich abschaffen wollte. Von Till Oppermann
Benedict Hollerbach brachte nach dem 2:1-Sieg gegen Mainz die allgemeine Stimmung bei Union Berlin auf den Punkt. "Heute bin ich sehr gut drauf. Das habe ich schon lange nicht mehr gefühlt", sagte er. Schließlich sei der letzte Sieg schon ewig her gewesen. Wahre Worte: Ganze drei Monate hatten die Eisernen bis Sonntag nicht gewonnen. Insgesamt dauerte die Negativserie 92 Tage mit elf Pflichtspielen ohne Sieg. Im Profifußball, in dem eine Saison reicht, um die Geschichte eines Vereins neu zu schreiben, ist das eine sehr lange Zeit. Auch deswegen wurde zwischendurch Bo Svensson entlassen und Steffen Baumgart sein Nachfolger als Trainer. Gegen Mainz feierte er nach zwei Niederlagen zum Einstand endlich seinen ersten Sieg mit Union.
Mit viel Aufwand zum Sieg
Besonders euphorisch wirkte Baumgart nach dem Spiel trotzdem nicht. "Die 90 Minuten sind um, jetzt bin ich irgendwann mal auch durch", erklärte er. Nach Laufdistanz ist seine Mannschaft die Zweitbeste der Liga. Würden Baumgarts Kilometer an der Seitenlinie dazu zählen, wäre Union sicher bald Erster in dieser Statistik. Mit den 125 Kilometern gegen Mainz überboten die Spieler auch ohne Baumgarts Hilfe ihren eigenen Saisondurchschnitt um fünf Kilometer. Dazu gewann Union 58 Prozent der Kopfballduelle, fing mehr Bälle ab als Mainz und blockte mehr Schüsse.
Die Geschichte des Spiels war Unions Willensleistung, da waren sich alle Akteure einig. "Sie haben es einfach mehr gewollt", befand der Mainzer Kapitän Nadiem Amiri. Und Steffen Baumgart sprach von einem "erarbeiteten Sieg". Lob gab es auch von Mainz-Abwehrchef Stefan Bell: "Union war heute von Anfang an richtig gut und sie haben richtig viel Power reingebracht".
Zurück zur Fünferkette
"Von Anfang an" ist in diesem Fall wörtlich zu verstehen. Schon in der ersten Minute brach die Alte Försterei in Jubel aus. Benedict Hollerbach eroberte den Ball im Pressing tief in der gegnerischen Hälfte und traf zur Führung. Obwohl Union nach einem Amiri-Elfmeter in der fünften Minute schnell den Ausgleich kassierte, blieben die Köpenicker Herren der Lage. Auch wegen einer Umstellung des Trainers. Nach zwei missglückten Versuchen, seine bevorzugte Viererkette spielen zu lassen, stellte Baumgart Union wieder im lange gewohnten 5-3-2 auf. Das habe der Mannschaft Sorgen genommen, fand Benedict Hollerbach: "Ich hatte das Gefühl, dass mit der Viererkette jeder Angriff gegen uns gefährlich wurde." Gegen Mainz war das nicht der Fall. Amiris Elfmeter war der einzige Mainzer Abschluss aufs Tor der Berliner.
Das lag insbesondere an der deutlich verbesserten Raumaufteilung der Unioner. Während sie gegen Heidenheim und Augsburg gleich drei Tore von ungedeckten Spielern aus dem Rückraum kassiert hatten, gewann Mainz am Sonntag kaum zweite Bälle. Immer wieder warfen sich die Innenverteidiger dazwischen. Aber auch die neu formierte Mittelfeldzentrale mit Andras Schäfer, Jannik Haberer und Aljoscha Kemlein glänzte vor allem mit ihrer Arbeit gegen den Ball. Ihnen war es zu verdanken, dass die eigentlich so gefährlichen Chippässe der Rheinhessen selten die offensiven Mittelfeldspieler Paul Nebel und Jae-Sung Lee fanden.
Baumgart verschafft sich Respekt
Dass Baumgart so pragmatisch auf die Probleme seiner Mannschaft reagierte, sollte den Spielern Respekt abringen. Seine offene Kommunikation fällt auf. Yorbe Vertessen, den der Trainer öffentlich für seine Trainingsleistungen kritisierte, schmorte 90 Minuten auf der Bank. Mittelstürmer Jordan Siebatcheu, der seit fast 40 Union-Spielen auf ein Tor wartet, nahm er dafür in Schutz. Auch wenn Jordan gegen Mainz erneut eine glasklare Chance vergab, dankte er seinem Trainer das Vertrauen. In der Entstehung des Elfmeters, den Robert Skov für das Siegtor nützte, war es seine hervorragende Ballannahme und ein kluger Pass, der den Raum hinter der Mainzer Defensive öffnete.
Ebendieser Elfmeter war es auch, der weitere Einblicke in Baumgarts Umgang mit seiner Mannschaft erlaubte. Entgegen der Anweisung des Trainers wollte Benedict Hollerbach schießen. Baumgart griff ein: "Ich habe das vorher entschieden und ich hab es nicht so gerne, wenn die Jungs dann aus ihrem Gefühl entscheiden." 2:1 für Union und 1:0 für Baumgart. Nach diesem Spiel ist er bei Union angekommen.
Hollerbach warnt vor zu viel Euphorie
Überbewerten wollten Baumgart und Hollerbach den Sieg aber nicht. "Wir hatten heute endlich mal etwas Spielglück in unseren Aktionen", fand Hollerbach. Wahrscheinlich dachte er dabei an die Mainzer Fehler vor den Berliner Toren, oder daran, dass der Mainzer Torjäger Jonathan Burkhardt verletzt ausfiel. Sein Ersatzmann Armindo Sieb war gegen Unions Innenverteidigung kaum in der Lage, Bälle festzumachen und vergab seine einzige Chance frei vor dem Tor kläglich.
"Wenn wir nur zwei Spiele verlieren, ist der Wind wieder ganz anders", fügte Hollerbach an. Im Gegensatz zu vielen Wettervorhersagen ist diese Prophezeiung ziemlich präzise. Union sollte weiter Punkten, um den Abstiegskampf zu verlassen, bevor er so richtig angefangen hat. Das Spiel Mainz bewies, dass die Mannschaft durch ihre Kampfstärke und die lange gelernte Fünferkette einige Stärken hat, auf die sich ihr Trainer verlassen kann.
Sendung: rbb24, 19.01.25, 21:45 Uhr