Niklas Hildebrandt, Lukas Michelbrink, Boris Mamuzah Lum, Selim Telib, Julius Gottschalk durften sich bei den Hertha-Profis zeigen. (Foto: IMAGO / Matthias Koch)

Erben von Maza, Scherhant und Co. Diese Talente könnten den "Berliner Weg" bei Hertha fortführen

Stand: 19.03.2025 08:23 Uhr

Toptalente wie Ibrahim Maza, Derry Scherhant oder Pascal Klemens könnten Hertha BSC im Sommer verlassen. Der Verein hat sich mit dem "Berliner Weg" der Talentförderung verschrieben. Wer gehört zur nächsten vielversprechenden Generation? Von Marc Schwitzky

"Vielleicht ist Hertha BSC irgendwann für den einen oder anderen Spieler zu klein – dann gehen sicherlich andere Türen für sie auf. Auch das gehört zum Berliner Weg", sagte Benjamin Weber, Sportdirektor von Hertha BSC, im November 2024 gegenüber rbb|24. Auch im anstehenden Transfersommer werden Hertha viele Spieler - darunter vermutlich auch Eigengewächse – verlassen. Sie haben dank der Vereinsphilosophie "Berliner Weg" wichtige Spielzeit zur Entwicklung bekommen. Eine Entwicklung, die Talente wie Ibrahim Maza, Derry Scherhant, Pascal Klemens oder auch Marton Dardai schon bald in die große weite Fußballwelt spülen könnte.

Herthas Sportdirektor Benjamin Weber (l.), der Geschäftsführer Thomas Herrich und Trainer Stefan Leitl (imago images/Jan Huebner)
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Sie werden Lücken hinterlassen, die von neuen nachrückenden Akademie-Absolventen gefüllt werden müssen – allein schon, weil Hertha aufgrund des vermutlichen Zweitligaverbleibs erneut eine immense Etatkürzung bevorsteht. Doch wer könnte kommende Saison in jene Lücken springen? Schließlich haben außer den bereits etablierten Talenten kaum welche in der laufenden Spielzeit 2024/25 bei den Profis auftrumpfen dürfen. Eine Übersicht.

Tim Goller – Herthas Torwarthoffnung

Sollte es im Sommer zu einem Torwartwechsel bei Hertha kommen, stünde eine Alternative wohl schon bereit. Unwahrscheinlich ist das nicht, denn der erst 22-jährige Tjark Ernst, Herthas aktuelle Nummer eins, zieht durch sein großes Potenzial immer wieder das Interesse anderer Vereine auf sich. Er könnte nach zwei Zweitligajahren weiterziehen und Hertha dringend benötigte Einnahmen bescheren. Ersatzkeeper Marius Gersbeck konnte sportlich bislang nicht überzeugen.

Torhüter-Eigengewächs Tim Goller könnte im Sommer zu Herthas neuer Nummer eins werden. (Foto: IMAGO / Matthias Koch)

Torhüter-Eigengewächs Tim Goller könnte im Sommer zu Herthas neuer Nummer eins werden. (Foto: IMAGO / Matthias Koch)

Und so könnte Tim Goller ins Spiel kommen. Der 20-Jährige spielt seit 2017 für Hertha, ihm wird großes Talent bescheinigt. Goller ist ein sehr kompletter, wie moderner Torhüter – der gebürtige Berliner agiert fußballerisch bemerkenswert mutig. Aktuell sammelt Goller Erfahrungen als Nummer eins der U23 in der Regionalliga Nordost, macht seine Sache dort gut. Es ist nicht auszuschließen, dass er sich im Sommer auch bei den Profis empfehlen darf.

Tim Hoffmann – der nächste Marton Dardai?

Auch in Herthas Innenverteidigung könnte sich im kommenden Transfersommer einiges tun. Toni Leistner könnte seine Karriere beenden, Marton Dardai weckt immer wieder das Interesse von Erstligaklubs, in welcher Verfassung John Anthony Brooks von seiner langen Verletzung zurückkehrt, ist unklar. So wird wohl ein Platz im Abwehrzentrum frei – ein Chance für Tim Hoffmann.

Herthas Tim Hoffmann weiß seine Leihe nach Aue durchaus zu nutzen. (Foto: IMAGO / Picture Point)

Herthas Tim Hoffmann weiß seine Leihe nach Aue durchaus zu nutzen. (Foto: IMAGO / Picture Point)

Der 20-Jährige durfte in der vergangenen Saison bei einem Kurzeinsatz bereits sein Zweitliga-Debüt feiern. In der laufenden Spielzeit ist er an Erzgebirge Aue verliehen, um wichtige erste Erfahrungen im Profi-Bereich zu sammeln. Beim Drittligisten kommt der gebürtige Berliner in 29 Spielen auf immerhin 15 Einsätze.
 
Hoffmann ist mit 1,84 Metern Körpergröße kein wuchtiger Innenverteidiger. Er zeichnet sich vielmehr durch cleveres Zweikampfverhalten und sein starkes Aufbauspiel mit dem linken Fuß aus. Hier ähnelt er Marton Dardai, der immer wieder durch intelligente Vertikalpässe auffällt. So ist Hoffmann nicht nur eine Option für die Innenverteidigung, sondern auch das defensive Mittelfeld.

Julian Eitschberger – Kennys Erbe

In der 3. Liga macht aktuell ein sehr verheißungsvoller Rechtsverteidiger von sich reden – gut, dass er bereits bei Hertha unter Vertrag steht. Julian Eitschberger wurde im vergangenen Sommer an Rot-Weiss Essen verliehen und überzeugt dabei auf ganzer Linie. Der 21-Jährige ist auf der rechten Außenbahn als Schienenspieler absolut gesetzt, absolvierte 24 von 24 möglichen Partien als Startelfspieler.

Herthas Eitschberger blüht mit drei Tore und einer Vorlage in Essen auf. (Foto: IMAGO / frontalvision.com)

Herthas Eitschberger blüht mit drei Tore und einer Vorlage in Essen auf. (Foto: IMAGO / frontalvision.com)

Der deutsche U20-Nationalspieler aus Hohen Neuendorf spielt bereits seit 2017 für Hertha, schon lange glaubt man an sein Talent. Bereits letzte Saison sammelte Eitschberger beim Halleschen FC Drittligaerfahrung. Während der Außenverteidiger schon immer durch Dynamik und Offensivdrang zu brillieren wusste, eignet er sich durch die Leihstationen auch Robustheit und defensives Verantwortungsbewusstsein an. So könnte Eitschberger im Sommer Jonjoe Kenny beerben, der Hertha aufgrund seines auslaufenden Vertrags verlassen wird.

Die U19 von Hertha BSC um Ibrahim Maza (vorne) und Boris Mamuzah Lum (3.v.l.) [Quelle: picture alliance / Eibner-Pressefoto | Lakomski/Eibner-Pressfoto]
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Boris Mamuzah Lum – Herthas Kanté

Er gilt als das wohl größte Talent bei Hertha BSC neben Ibrahim Maza: Boris Mamuzah Lum gehört die Zukunft. Der erst 17-Jährige durfte in der laufenden Saison bereits drei Zweitliga-Einwechslungen erleben, zeigte schon in den wenigen Minuten, was in ihm steckt. Er ist der jüngste Profi-Debütant in Herthas Geschichte.
 
Der gebürtige Berliner erinnert in seiner Spielweise an den französischen Weltmeister N‘Golo Kanté. Beide sind defensive Mittelfeldspieler, aber nur mit einer geringen Körpergröße (Mamuzah Lum 1,73m, Kanté 1,68m) ausgestattet. Dennoch sind beide überaus zweikampfstark, weil sie in direkten Duellen äußerst clever und überraschend robust agieren. Mamuzah Lum kann das Feld herausragend gut lesen, erahnt rasend schnell, wohin er zu laufen hat, um Lücken zu schließen und ins Pressing zu kommen. Auch mit dem Ball ist er äußerst mutig, bringt sich stets als Anspielstation ein und will das Spiel lenken.

Boris Mamuzah Lum feierte mit nur 16 Jahren sein Profi-Debüt für Hertha BSC. (Foto: IMAGO / Jan Huebner)

Boris Mamuzah Lum feierte mit nur 16 Jahren sein Profi-Debüt für Hertha BSC. (Foto: IMAGO / Jan Huebner)

In der laufenden Saison fiel er aufgrund einer Sprunggelenksverletzung langfristig aus, doch nun ist er wieder fit und ein Teil von Herthas unmittelbaren Zukunftsplänen. Dadurch, dass Pascal Klemens womöglich höheren Aufgaben folgt, Diego Demme nicht überzeugen konnte und der Vertrag von Andreas Bouchalakis ausläuft, wird Mamuzah Lum eine Chance auf Herthas Sechserposition erhalten. Auch der 19-jährige Selim Telib, ebenfalls defensiver Mittelfeldspieler, könnte unter Trainer Stefan Leitl vorspielen – er war in den letzten Tagen mehrmals im Profi-Training zu Gast.

Julius Gottschalk

Auch Julius Gottschalk macht schon länger von sich reden. Der offensive Mittelfeldspieler war in der U19-Saison 2023/24 in 24 Spielen an 22 Toren direkt beteiligt. Das liegt vor allem an seinem begnadeten rechten Fuß. Gottschalk hat bereits mehrere Weitschusstreffer und direkte Freistoßtore erzielt, die auf Social Media die Runde machten. Der gebürtige Berliner ist ein recht klassischer "Zehner", ein Spielmacher mit guter Übersicht, Dribbelstärke und eigenem Torinstinkt.

Julius Gottschalk ist ständiger Trainingsgast bei Herthas Profis. (Foto: IMAGO / Matthias Koch)

Julius Gottschalk ist ständiger Trainingsgast bei Herthas Profis. (Foto: IMAGO / Matthias Koch)

In der laufenden Saison geht der 18-Jährige seine ersten Schritte zu den Profis. Er trainiert regelmäßig bei der Zweitligamannschaft mit, kriegt einige Einsätze in der U23 und hilft immer wieder in der U19 aus, wo er erneut mit guten Zahlen glänzen kann. Der deutsche U19-Nationalspieler hat zwar noch Mühe, sich an Tempo und Physis der Erwachsenenteams zu gewöhnen, doch mit steigender Erfahrung könnte er zumindest ansatzweise in die Lücke springen, die Herthas Maza im Sommer bei einem Abgang hinterlassen würde.

Niklas Hildebrandt

Seit dem Abgang von Zweitligatorschützenkönig Haris Tabakovic lechzen die Blau-Weißen nach einem treffsicheren Mittelstürmer. Florian Niederlechner, Smail Prevljak und Luca Schuler konnten dahingehend nicht überzeugen. Während das Sturmtrio enttäuscht, baut ein 16-Jähriger derzeit mächtig an Momentum auf: Niklas Hildebrandt.
 
Der deutsche U17-Nationalspieler fällt allein schon aufgrund seiner Statur auf. Hildebrandt ist mit 16 Jahren 1,90 Meter groß und auch bereits auffällig muskulös – er wirkt nahezu frühreif. So frühreif, dass der Mittelstürmer nicht nur die U17-Nachwuchsliga in Zahlen dominiert, sondern auch schon die U19. Der Angreifer, der 2023 aus Cottbus zu Hertha wechselte, absolvierte am vergangenen Wochenende sogar sein erstes Spiel für die Berliner U23 – ein Zeichen seiner Klasse. Hildebrandt ist ein klassischer Mittelstürmer, der zum einen als Wandspieler im Kombinationsspiel agieren kann, zum anderen aber ein eiskalter Torjäger mit Kopf und Fuß ist.

Mittelstürmer Niklas Hildebrandt ist derzeit das womöglich aufstrebendste Talent bei Hertha. (Foto: IMAGO / Matthias Koch)

Mittelstürmer Niklas Hildebrandt ist derzeit das womöglich aufstrebendste Talent bei Hertha. (Foto: IMAGO / Matthias Koch)

Das ist auch Profi-Coach Leitl nicht entgangen, der das Nachwuchstalent in der Länderspielpause bei der A-Mannschaft mittrainieren lässt. Es ist nicht auszuschließen, dass Hildebrandt ab Sommer ein größeres Thema bei den Profis wird – auch weil der Konkurrenz die Argumente fehlen. Ebenfalls im Sturmzentrum aufstrebend: der 20-jährige Oliver Rölke, der mit zehn direkten Torbeteiligungen in 19 Regionalliga-Spielen überzeugt.

Sendung: rbb Der Tag, 19.03.2025, 18 Uhr