24.01.2024:Handgreiflichkeit zwischen Leroy Sane und Trainer Nenad Bjelica.(Quelle:imago images/F.Hoermann/S.Simon)

Platzverweis in München Union-Trainer Bjelica ist kein Nobody mehr

Stand: 25.01.2024 10:32 Uhr

Nenad Bjelica ist nach Unions Auswärtsniederlage beim FC Bayern in aller Munde. Nicht wegen der Leistung seiner Mannschaft, sondern weil er seine Emotionen nicht unter Kontrolle hatte. Immerhin zeigte sein Team einige gute Ansätze.

Von Till Oppermann

Als der 1. FC Union im November Nenad Bjelica als neuen Trainer vorstellte, war Lothar Matthäus skeptisch. In der Bundesliga sei der Kroate ein Nobody, sagte er damals. Spätestens nach dem denkwürdigen Nachholspiel in München hat sich das endgültig geändert. Wer Bjelica ist, weiß jetzt jeder im deutschen Fußball. Nur eben leider nicht aus den Gründen, die man sich bei Union gewünscht hätte. Am Rande einer hitzigen Partie gegen den Rekordmeister verlor der Trainer die Nerven und griff Bayerns Leroy Sané gleich zweimal ins Gesicht.
 
Schiedsrichter Frank Willenborg zeigte dem Hitzkopf für diese Tätlichkeit die Rote Karte. Die Bayern-Ordner mussten den aufgebrachten Trainer zu seinem neuen Platz auf die Pressetribüne bringen. "Es ist nicht zu tolerieren, was ich da gemacht habe", sagte Bjelica nach dem Spiel, als er sich etwas abgekühlt hatte. Vier Tage vor dem wichtigen Duell gegen Darmstadt 98 sieht der Trainer einer langen Strafe entgegen. Das DFB-Sportgericht wird nach diesem Ausbruch wohl eher keine Milde walten lassen.

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Bjelica fühlte sich provoziert

Zumal der 52-Jährige sich zwar bei seiner Mannschaft entschuldigen wollte, nicht aber bei Sané. "Er kommt in die Coaching Zone und ich habe mich provioziert gefühlt", so Bjelica, der die Szene auf der Pressekonferenz nach dem Spiel aus seiner Sicht folgendermaßen beschrieb: "Ich war in meinem Bereich, wollte den Ball holen und er wollte schnell spielen." Dann habe Sané ihn geschubst und er habe dann reagiert, "wie ich nicht reagieren sollte mit meiner Hand auf seinem Gesicht. Und die Rote Karte geht auch deshalb in Ordnung." Kapitän Christopher Trimmel ergänzte: "Das gehört zum Fußball dazu, ob man da gleich Rot geben muss, weiß ich nicht."
 
Man muss, finden die meisten. Und Bjelicas fehlende Reue gegenüber Sané dürfte sich auf das Strafmaß auswirken. Sogar über Bjelicas Zukunft als Bundesligatrainer wurde in den sozialen Netzwerken und der Fachpresse [kicker.de] schon diskutiert. Schließlich habe er seine Vorbildfunktion nicht erfüllt, dem Arbeitgeber mitten im Abstiegskampf geschadet. Urs Fischer wäre das nie passiert, kritisierten viele.
 
Union wäre trotzdem gut beraten, diese Stimmen zu ignorieren und es bei einer Geldstrafe zu belassen. Denn dass Bjelica so anders ist als sein Vorgänger, war einer der Gründe, warum der Verein ihn wollte. Seine Emotionalität sollte neue Impulse in eine Mannschaft bringen, die nach fünf Jahren unter demselben Trainer müde dem Abstieg entgegenschlitterte. Das ist ihm definitiv gelungen.

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Union kann Spiele wieder offen halten

Nicht nur am Rande des Platzes ging es am Mittwoch körperlich zu. Auch auf dem Feld waren die Berliner wieder die Mannschaft, die bis zu dieser Saison für Gegner die unangenehmste in der Liga war. Unions körperliches Spiel nervte die Bayern. Sogar Weltstar Harry Kane ließ sich zu einer Rangelei mit Unions Vogt hinreißen und sah dafür die Gelbe Karte. 127,2 Kilometer rannten die "Eisernen" insgesamt und verlangten den Münchnern damit alles ab.
 
Immer wieder rauschten sie in die Zweikämpfe und im Zweifel half Frederik Rönnow mit seinen Paraden. Dass die Partie am Ende nur 0:1 ausging, war bei zehn Schüssen aufs Tor auch ihm zu verdanken. Null Tore und nur ein Punkt aus den ersten zwei Spielen im neuen Jahr klingt nach einer schwachen Ausbeute, sind in Unions Situation aber sehr viel wert. Denn die Mannschaft ist wieder dazu in der Lage, Fußballspiele bis zum Ende offen zu halten.
 
Mit dem 0:1, das Union direkt nach dem Wiederanpfiff kassierte, wäre das Spiel noch im Herbst wohl entschieden gewesen. Nach acht Wochen unter Nenad Bjelica führte es die Berliner zu einer Leistungssteigerung. Nun spielte seine Mannschaft nach Ballgewinn ruhiger und wartete auf gute vertikale Passoptionen. Co-Trainerin Marie-Louise Eta lobte: "Da waren ein, zwei Situationen, in denen wir es gut gespielt haben." Mit etwas mehr Glück hätte es ein Tor geben können, so Eta.

Positive Erkenntnisse

Eine weitere positive Erkenntnis: Mit Andras Schäfer könnte der beste Neuzugang des Winters jemand sein, der schon seit zwei Jahren bei Union unter Vertrag steht. Nach seiner langwierigen Fußverletzung wird er mit Einwechslungen an die Startelf herangeführt und zeigt dabei, dass er für Union den Unterschied ausmachen kann. Mit und ohne Ball hat er das beste Raumgefühl aller Spieler im Kader. Die beste Union-Chance durch Kevin Behrens und Jérôme Roussillon in der 72. Minute nahm ihren Ursprung, als Schäfer in der eigenen Hälfte den Ball gewann und klug seinen Nebenmann Lucas Tousart einsetzte. Der Ungar ist im Stande, Spiele zu Unions Gunsten zu verändern.

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Das war gegen München auch eine Systemumstellung. Kevin Vogt wurde in der zweiten Halbzeit aus der Fünferkette auf die Sechserposition gezogen. Union spielte von nun an mit einer Viererkette und stand etwas offensiver. Das half dabei, weiter vorne im Feld Ballgewinne zu erzielen und verkürzte den Weg zum Tor. Nenad Bjelica muss sich sicher vorwerfen lassen, dass seinem Team im 5-3-2-System weiterhin klare Laufwege und Passfolgen fehlen, um das Feld zu überbrücken. Mit der Option, mit vier Verteidigern zu spielen und so Mittelfeld und Flügel zu stärken, hat er Unions Möglichkeiten eindeutig erweitert.

Dauer der Sperre unklar

Wie lange er gesperrt werde, wisse er noch nicht, sagte Bjelica auf der Pressekonferenz nach dem Spiel. Dass er mindestens für die Dauer dieser Sperre ein großes Diskussionsthema der Bundesliga bleiben wird, ist klar. Die Ansätze seines Teams sprechen dafür, dass er in Zukunft auch für seine sportlichen Leistungen Aufmerksamkeit bekommen könnte. Bis dahin gibt es in Berlin viele gute Yoga-Lehrer. Das soll ja bei der Entspannung helfen.

Sendung: rbb24 Inforadio, 25.01.2024, 6:20 Uhr